Leitartikel

Goldene Generationen

Deutschland hat es wieder nicht geschafft. Damit ist nicht etwa die Niederlage Angela Merkels beim vergangenen Brüsseler Gipfel gemeint, als es der Bundeskanzlerin nicht gelang, entscheidende Mehrheiten hinter ihrem Spar- und Wachstumspakt zugunsten einer stabilen Eurozone zu versammeln, und nun stattdessen Schulden immer weiter vergemeinschaftet werden. Im Gegenteil, für ihren löwenhaften Kampf verdient die Kanzlerin Respekt, und nicht von ungefähr erhielt sie bei einer jüngsten Umfrage die höchsten Zustimmungswerte seit 2009. Der Blick richtet sich vielmehr auf die deutschen Fußballspieler, denen der große Wurf erneut verwehrt blieb. Bereits zum vierten Mal in Folge erreichten die Mannen um Schweinsteiger, Lahm und Klose zwar mindestens das Halbfinale, für den Titel reichte es aber nie. Zweifelsohne ist das Potenzial groß, und die Mannschaft gilt (wohl auch zu Recht) als eine der besten der deutschen Vergangenheit, doch ohne einen großen Titel darf sich eine solche Generation nicht die goldene nennen. Denn dafür zählen nur Pokale. Die hat die wahrlich goldene Generation der Spanier, die als erste Fußballmannschaft überhaupt drei internationale Turniere wie Welt- und Europameisterschaften in Folge gewinnen konnte.

Doch goldene Generationen gibt es nicht nur im Sport, sondern ab und an auch in der Wirtschaft und sogar im Bankwesen. So wurden die beiden großen Bankenverbünde im Rhein-Main-Gebiet mehr als ein Jahrzehnt von drei Herren geprägt. Rolf Hildner von der Wiesbadener Volksbank, Hans-Dieter Homberg von der Taunus Sparkasse und Hans-Joachim Tonnellier von der Frankfurter Volksbank standen mindestens von Ende der Neunziger bis in die zweite Dekade des 21. Jahrhunderts an der Spitze von drei in dieser Region maßgeblichen Primärbanken, haben im fairen und fröhlichen Wettbewerb miteinander gerungen und in ihren Häusern, aber auch Organisationen Spuren hinterlassen. Am längsten gelang dies Rolf Hildner, der die Wiesbadener Volksbank 32Jahre lang geführt hatte. Nach insgesamt 46 Berufsjahren zog er sich Ende 2010 aus dem aktiven Geschäft zurück und übergab für ein gutes Jahr an seinen langjährigen Weggefährten Erwin Deuser, der es immerhin auch auf 47Jahre in der Wiesbadener Volksbank, davon 20 Jahre im Vorstand bringt. "Vom Lehrling bis zum Vorstandsvorsitzenden in einem Unternehmen - mehr geht nicht! ", hieß es jüngst auf seiner Verabschiedung.

Hans-Joachim Tonnellier war seit 1. März 1981 zunächst stellvertretendes, seit 1. Juli 1983 ordentliches Vorstandsmitglied der Frankfurter Volksbank und stand von 1997 bis Mai 2012 an der Spitze der inzwischen zweitgrößten Volksbank der Republik. Und auch die Taunus Sparkasse war lange in den gleichen guten Händen, wurde sie doch 13 Jahre lang von Hans-Dieter Homberg geführt. In den Taunus kam er 1987 als Vorstand der damaligen Kreissparkasse des Hochtaunuskreises. Das Bankgeschäft lernte Homberg, wie übrigens so viele andere hochrangige Sparkassenvorstände von heute auch, bei der Kreissparkasse Köln, wo er zwischen 1966 und 1987 beschäftigt war.

Eine solche Kontinuität gleich in mehreren Häusern ist keineswegs selbstverständlich und am Bankenplatz Rhein-Main sicherlich etwas ganz Besonderes. Gehört das Gebiet rund um Frankfurt und die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden doch zweifelsfrei zu einer der härtesten Wettbewerbsregionen der Republik überhaupt. Über 300 Institute streiten sich hier um die Kunden und deren Gelder und Aufträge. Neben allen Großbanken, zahlreichen Privatbankiers, allen nennenswerten Auslandsbanken sind auch mehrere Vertreter der beiden großen Bankenverbünde stets präsent. Daran hat auch die umtriebige Fusionstätigkeit der großen Drei nichts geändert. Rolf Hildner übernahm in seiner Amtszeit immerhin die Schwesterinstitute in Bad Schwalbach und Frauenstein, die Raiffeisenbank Nordenstadt sowie die Volksbank Eltville. Dem Werben der Hauptstädter noch nicht erlegen sind die Kollegen in Idstein und bei der Rheingauer Volksbank. Hans-Dieter Homberg begleitete als Vorstand die Zusammenführung der ehemaligen Kreissparkassen aus dem Hochtaunus- und dem Main-Taunus-Kreis. Ungebrochener Fusionskönig ist aber der ehemalige Chef der Frankfurter Volksbank, der mit großem Engagement sage und schreibe 14(! ) Volks- und Raiffeisenbanken im Frankfurter Umland einsammelte. All das bereinigte Marktüberschneidungen, stabilisierte Erträge, festigte Kundenbeziehungen.

Allen drei ist auch gemein, dass es ihnen gelang, aus keineswegs immer stabilen und soliden Häusern Vorzeigeinstitute ihrer Verbünde zu machen. Die Wiesbadener Volksbank ist eine der ertragsstärksten Volksbanken überhaupt und kann als Retailbank, als Mittelstandsfinanzierer, als Gewerbeimmobilienspezialist und als Private Bank jeweils deutlich zweistellige Marktanteile vorweisen. Der Frankfurter Volksbank gelang durch die Fusionen die Erhöhung des Zinsüberschusses, der Geschäftsfeld-Mix mit einem starken Immobilien- und Vermögensverwaltungssegment stimmt ebenso wie die Gesamtzahlen, die ebenfalls zu den besten der Republik gehören. Hans-Dieter Homberg sieht das Geheimnis des Erfolgs in den Menschen, die es mitzunehmen gelte, sowie in den Innovationen der vergangenen Jahre. Das Private Banking zur Betreuung vermögender Kunden wurde aufgebaut, bei dem ebenfalls neuen Feld Immobilienfinanzierung ist das Institut inzwischen anerkannt und erfolgreich, und zur Stabilisierung der Refinanzierung wurden Pfandbriefe als langfristiges Liquiditätssicherungsinstrument entdeckt. Man sieht also, dass keineswegs immer nur Trainerwechsel Erfolg versprechen.

Seit Mitte 2012 gehört diese goldene Generation der Banker im Rhein-Main-Gebiet nun zumindest aktiv der Vergangenheit an. Es stehen andere in der Verantwortung. Solche Karrieren und Erfolge sind einerseits schön und machen stolz, gleichzeitig lasten sie aber auf den Nachfolgern. Und hier treten die ersten Unterscheide auf: Während die Frankfurter Volksbank weiter auf Kontinuität setzt und die langjährige Stabschefin Eva Wunsch-Weber zur neuen Vorstandschefin kürte, die Wiesbadener Volksbank die Verantwortung mit dem kurzen Intermezzo von Erwin Deuser gar an die dritte Generation Hildner übertrug - denn auch der Großvater des amtierenden Vorstandsvorsitzenden Matthias führte das Haus schon - wurde die Taunus Sparkasse extern fündig. Mit Oliver Klink übernimmt zudem kein Sparkassengewächs, sondern ein gestandener Privatbanker. Zuletzt bei der Oldenburgischen Landesbank/Allianz Bank aktiv, hat er sein bisheriges Berufsleben hauptsächlich in der Deutschen und Dresdner/Commerzbank verbracht.

Es wird spannend sein, zu beobachten, wie sich diese Unterschiede im Training und der Spielaufstellung bemerkbar machen. Denn ein bisschen was wird sich ändern müssen. Die Wettbewerbsintensität wird keinesfalls geringer werden, was nicht zuletzt die Aufnahme der Retailaktivitäten der niederländischen Rabobank am Platz Frankfurt zeigt. Kunden werden wieder zunehmend renditehungriger und damit anfälliger für Lockangebote der Konkurrenz. Die Regulierung ist und bleibt eine unkalkulierbare Herausforderung, allerdings für alle Häuser gleichermaßen. Und allzu viel zu fusionieren gibt es nicht, was gerade für die Frankfurter Volksbank eine Umstellung hin zum Wachstum aus eigener Kraft bedeuten wird.

Zu pass kommen könnte den Häusern dagegen der Trend vor allem der mittelständischen Firmenkundschaft zu stabilen Hausbankbeziehungen, von denen es außerhalb der Verbünde so viele Angebote nicht gibt, und der Rückzug der großen Spieler wie der Eurohypo aus dem Immobilienfinanzierungsgeschäft, was Raum für die Platzbanken schafft. Dabei wird man sich auch weiterhin begegnen, denn die Überschneidung der Marktaktivitäten und der Geschäftsfelder ist weder im kreditgenossenschaftlichen noch im öffentlich-rechtlichen Lager bereinigt und wird es wohl auch künftig nicht werden. Dafür fehlt in den Instituten ebenso wie bei den Eigentümern die Bereitschaft. Zeit für ein fröhliches Mit- oder doch eher Gegeneinander, auf dass auch diese Generation eine goldene wird.

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