Gespräch des Tages

Eigenkapital - Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not

Minh Banh und Michael Cluse, beide Bereich Financial Risk Solutions, Deloitte & Touche GmbH, Düsseldorf, schreiben der Redaktion: "Die vermutete Prozyklizität der bisherigen Baseler Eigenkapitalregeln hat sich im Zuge der Finanzkrise bewahrheitet: Aufgrund sinkender Eigenkapitalquoten bei den Instituten wurde die für eine wirtschaftliche Erholung erforderliche Neukreditvergabe beeinträchtigt. Bisweilen wurde gar der Begriff "Kreditklemme" verwendet. Mit dem am 16. Juli 2010 veröffentlichten Konsultationspapier zur Einführung eines antizyklischen Kapitalpuffers hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht nun seine aktuellen Bestrebungen zur Minderung der Prozyklizität konkretisiert. Bei Gefahr von systemweiten Krisen sollen Kreditinstitute zukünftig im wirtschaftlichen Aufschwung Kapitalreserven aufbauen, um einer Kreditverknappung in der Rezession entgegenzuwirken.

Der antizyklische Kapitalpuffer ist konzipiert als zeitweilige Erhöhung des sogenannten Kapitalerhaltungspuffers, der wiederum eine dauerhafte konjunkturunabhängige Kernkapitalreserve darstellt. Dauer und Höhe des Kapitalzuschlags sollen von den nationalen Aufsichtsbehörden in Abhängigkeit von makroökonomischen Faktoren beziehungsweise deren Abweichung von einem langfristigen Trend bestimmt werden. In diesem Ansatz besteht allerdings die Gefahr, dass viele kleine Banken durch die exzessive Kreditvergabepolitik weniger großer Banken bestraft werden können. Die Vorgabe des Puffers soll keinen rein mechanistischen Prozess darstellen. Vielmehr setzt der Ausschuss auch auf das Urteilsvermögen der Aufseher, um das Drohpotenzial von systemweiten Risiken einzuschätzen. Für die Akzeptanz der Entscheidungen wird daher die regelmäßige, zeitnahe und umfassende Kommunikation zwischen Aufsicht und Banken zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor werden.

Die Höhe des antizyklischen Kapitalpuffers soll mit einem Vorlauf von zwölf Monaten festgelegt werden. Wird die aufsichtliche Schwelle unterschritten, greifen etwaige Sanktionen erst nach weiteren zwölf Monaten. Der weite zeitliche Rahmen wurde vor dem Hintergrund gewählt, dass systemweite Krisen sich nach Auffassung des Baseler Ausschusses bereits zwei bis drei Jahre im Voraus ankündigen. Der Kapitalzuschlag ist je Staat festzusetzen, um die unterschiedlichen konjunkturellen Zustände abbilden zu können. Für international tätige Institute ist vorgesehen, den Kapitalzuschlag auf Basis der gewichteten Durchschnitte der Zuschläge der Staaten, in denen ein Institut tätig ist, zu ermitteln. Bemessungsgrundlage sind die jeweiligen risikogewichteten Aktiva.

Aus makroprudentieller Perspektive stellt der jüngste Vorschlag dem Grunde nach einen Erfolg versprechenden Ansatz dar, um die prozyklischen Elemente zu verringern. Letztlich muss auch darüber nachgedacht werden, wie der Kapitalpuffer in der Praxis überhaupt aufgebaut werden kann. Der Weg über die Börse, sofern er den Instituten aufgrund ihrer Rechtsform überhaupt offen steht, ist zwiespältig. Zum einen stellt sich die Frage, wie viele - womöglich gleichzeitige - Kapitalbeschaffungsmaßnahmen der Kapitalmarkt überhaupt verträgt. Zudem ist der Gang an die Börse unmittelbar mit der Renditeerwartung der Investoren verbunden. Sollte diese dazu führen, dass die Institute wieder mehr risikobehaftete Geschäfte eingehen (müssen), dann wäre das neue Regelwerk eindeutig kontraproduktiv."

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