Aufsätze

Die deutsche Liquiditätsverordnung - ein Vorbild für Europa

Mit dem Jahreswechsel beginnt für die Institute die Phase der praktischen Anwendung von Basel II und damit eine grundlegende Neuausrichtung der Eigenkapitalstandards im Sinne einer mehr risikoorientierten und prinzipienbasierten Aufsicht. Weniger im Fokus der aktuellen Diskussionen ist die ebenfalls neu gefasste Liquiditätsverordnung, die zeitgleich mit der nationalen Basel II-Umsetzung in Kraft tritt und den bisherigen Grundsatz II ersetzt.

Mit der neuen Liquiditätsverordnung wurden aber auch die Liquiditätsstandards des Grundsatzes II prinzipienorientiert weiterentwickelt und stärker auf die jeweiligen Risikoprofile der Institute ausgerichtet. Künftig haben diese nämlich erstmals die Möglichkeit, für aufsichtliche Zwecke der Liquiditätsrisikobegrenzung eigene interne Liquiditätsrisikomess- und -steuerungsverfahren zu nutzen. Solche institutsindividuellen Verfahren müssen dabei bestimmten Anforderungen genügen, deren Einhaltung von der Aufsicht im Zuge einer Zulassungsprüfung beurteilt wird. Die Liquiditätsverordnung verlangt hierbei insbesondere die Erfüllung folgender Nutzungsvoraussetzungen:

- Die Verfahren müssen eine adäquate laufende Ermittlung und Überwachung des Liquiditätsrisikos gewährleisten und in der Lage sein, die Liquiditätslage der Institute eingehender und angemessener darzustellen, als das auf Grundsatz II beruhende Standardmessverfahren. Dabei sollen die Verfahren Aufschluss über zu erwartende kurzfristige Mittelabflüsse, die Möglichkeit zur Aufnahme unbesicherter Finanzierungsmittel sowie die Auswirkung von Stressszenarien ermöglichen.

- Die Institute müssen zudem - auch unter Berücksichtigung von Stressszenarien geeignete, quantitativ zu bemessende Limite für Liquiditätsrisiken eingerichtet haben. In diesem Zusammenhang sind die Institute verpflichtet, bestimmte Schwellenwerte zu definieren, bei dem sie sich einem nennenswerten, mittleren oder hohen Liquiditätsrisiko ausgesetzt sehen und festlegen, welche Maßnahmen sie an das Erreichen dieser Werte knüpfen. Institute müssen der Aufsicht unverzüglich Überschreitungen dieser Schwellen anzeigen und dabei über Gegenmaßnahmen berichten.

- Die Verfahren und die internen Limitsysteme werden für das interne Liquiditätsrisikomanagement und in der Unternehmenssteuerung der Institute verwendet.

Vorbildcharakter

Die Möglichkeit der Verwendung eigener Liquiditätsrisikomess- und -steuerungsverfahren ist - auch in internationalem Kontext - neu und könnte insofern durchaus Vorbildcharakter haben und die Diskussion auf EU-Ebene wie auch der internationalen Standardsetzer befruchten.

Insbesondere im Falle großer Institute mit komplexerer Geschäftstätigkeit war das bisherige regulatorische Standardverfahren zur Liquiditätsmessung nur von eingeschränkter Aussagekraft. Die Zulassung eigener Verfahren verbessert bei diesen Banken deshalb einerseits die Risikoangemessenheit der Liquiditätsaufsicht und entlastet andererseits von administrativem Aufwand einer Doppelrechnung zum Einen für eigene Steuerungszwecke und zum Anderen für Zwecke der Aufsicht.

Die Liquiditätsverordnung ist wie bisher der Grundsatz II nur auf Einzelinstitutsebene anzuwenden, eine konsolidierte Betrachtung der Liquiditätslage von Instituts- oder Finanzholding-Gruppen ist nicht vorgeschrieben. Jedoch kann eine einzelne Bank zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen im Rahmen der Anwendung eigener Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen auch ein gruppenweites Liquiditätsrisikomess- und -steuerungsverfahren nutzen. Hierdurch können zugleich rein aufsichtlich induzierte, ökonomisch nicht notwendige Dispositionen von liquiden Mitteln bei bestimmten gruppenangehörigen Instituten vermieden werden.

Ebenso wie im Falle der Anwendung des standardisierten Verfahrens der Liquiditätsverordnung ist bei Verwendung institutseigener Verfahren die regelmäßige Übermittlung von Informationen zur Liquiditätslage an die Aufsicht erforderlich. Da die einzelnen institutseigenen Verfahren jedoch methodologisch unterschiedlich sein können, werden in diesem Zusammenhang keine einheitlichen Meldevordrucke mehr vorgesehen, sondern es werden vielmehr Umfang und Inhalt der Meldepflicht jeweils im Einzelfall von der Aufsicht festgelegt.

Keine europäischen Richtlinienvorgaben

Für Institute, die keine eigenen Verfahren nutzen wollen, ändert sich durch die Liquiditätsverordnung kaum etwas an der bisherigen Praxis, da die bestehenden Regelungen des Grundsatzes II im Wesentlichen unverändert in die Verordnung übernommen werden. Die quantitativen Liquiditätsregeln der Verordnung wurden ausschließlich auf nationaler Ebene konzipiert, da zum jetzigen Zeitpunkt hierzu weder europäische Richtlinienvorgaben noch entsprechende Standards des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht existieren. Gleichwohl ist das Liquiditätsrisiko beziehungsweise das Liquiditätsmanagement in Kreditinstituten in den vergangenen Monaten auch auf internationaler Ebene zunehmend in den aufsichtlichen Fokus gerückt.

Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat unlängst eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, um sich näher mit der Thematik zu befassen. Auf europäischer Ebene führt eine Arbeitsgruppe des bei der Europäischen Zentralbank angesiedelten Ausschusses der Europäischen Bankenaufseher (BSC) eine Bestandsaufnahme der momentan in den EU-Mitgliedstaaten zur Anwendung kommenden Praktiken der Liquiditätsaufsicht durch. Einschlägige Bemühungen gibt es zudem auf Seiten der EU-Kommission beziehungsweise der Gremien im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens. So strebt CEBS im Rahmen seines Auftrages zur Schaffung einer konsistenten Aufsichtspraxis in der EU die Förderung der Konvergenz der Liquiditätsregimes in den Mitgliedstaaten im Sinne des in der CRD verankerten Grundsatzes der doppelten Proportionalität an. Dauer und Ergebnisse dieser Arbeiten sind aber aus heutiger Sicht noch offen.

Ein sehr heterogenes Bild der Liquiditätsaufsicht

Gleichwohl ergibt sich in Bezug auf die Liquiditätsaufsicht im internationalen Kontext derzeit ein sehr heterogenes Bild. Auf der Grundlage des hier maßgeblichen Gastlandprinzips kommt - auch innerhalb der EU - eine Vielzahl unterschiedlicher nationaler Liquiditätsregimes zur Anwendung. Bei der möglichen Diskussion über konkrete Harmonisierungsmaßnahmen könnte der mit der Liquiditätsverordnung in Deutschland verfolgte Ansatz als Vorbild dienen.

In diesem Sinne sollte hierbei weniger die Etablierung internationaler quantitativer, qualitativer oder gemischter Einzelbestimmungen im Vordergrund stehen. Anzustreben wäre vielmehr ein grenzüberschreitend einheitlicher Rahmen für die Nutzung interner Liquiditätsmanagementmethoden für aufsichtliche Zwecke - ähnlich dem auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA) für das Kreditrisiko.

Im Bereich der innerhalb Europas bestehenden, einfacheren Standardmethoden zur bankaufsichtlichen Liquiditätsmessung von Kreditinstituten sehe ich derzeit dagegen keinen dringenden Harmonisierungsbedarf. Für kleine und mittlere Banken erscheinen die vorhandenen Verfahren als ausreichend.

Von einer solchen Regelung würden vermutlich in erster Linie große, grenzüberschreitend tätige Banken-(gruppen) Gebrauch machen. Diese stellen im Hinblick auf Systemrelevanz und mögliche Beeinträchtigungen des bankinternen Liquiditätsmanagements durch heterogene nationale Regelungen auch den wichtigsten Adressatenkreis einer harmonisierten Liquiditätsaufsicht dar.

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