Leitartikel

Deutsche Bundesbank - Goldiger Castor-Transport

Das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zu den Goldreserven der Bundesrepublik ist seit langer Zeit ein besonderes. Nachdem in den Nachkriegsjahren von 1945 bis 1950 keine deutschen Goldreserven vorhanden waren, wurde der Aufbau des Goldbestands in den Folgejahren zum Symbol der Wirtschaftswunderjahre. Deutschland erzielte mit seinen Exporterfolgen zunehmende Leistungsbilanzüberschüsse, und aufgrund der Modalitäten in der Europäischen Zahlungsunion (EZU) wurden die Abrechnungsspitzen dieser Überschüsse gegenüber den anderen Mitgliedsländern in Gold ausgeglichen. Nach Auflösung der EZU im Jahre 1958 führte der 1961 zur Einhaltung der Goldparität von 35 US-Dollar je Feinunze gegründete Goldpool zu weiteren Zugängen. Bis zum Ende des Goldpools 1968 hatte sich der deutsche Goldbestand von knapp 25 Tonnen Ende 1951 auf gut 4 000 Tonnen erhöht und damit seinen Höchststand erreicht.

Während sich die Höhe der Goldreserven in der Zeit von 1969 bis 1978 nur geringfügig veränderte, wurden 1979 anlässlich der Gründung des Europäischen Wechselkurssystems (EWS) 740 Tonnen in den Europäischen Fonds für Währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ) eingebracht. Im Gegenzug erhielt die Bundesbank Ecu-Forderungen. Bis 1997 verharrte dann der Goldbestand bei 2 960 Tonnen, und Ende 1998 erfolgte die Rückübertragung des in den EFWZ eingebrachten Goldes, sodass der Umfang der Goldreserven wieder auf 3 700 Tonnen stieg. Im Jahr 1999 übertrugen die am Eurosystem teilnehmenden nationalen Zentralbanken Währungsreserven im Wert von rund 40 Milliarden Euro auf die EZB und erhielten im Gegenzug Euro-Forderungen gegenüber der europäischen Zentralbank. Gemäß EZB-Kapitalschlüssel betrug der Anteil der Bundesbank dabei rund zwölf Milliarden Euro, wobei 15 Prozent oder 232 Tonnen in Gold geleistet wurden.

Seitdem nimmt der deutsche Goldbestand regelmäßig in geringen Mengen zur Prägung von Goldmünzen ab. Heute hält die Bundesbank nach den USA unter allen Notenbanken die zweitgrößten Goldreserven weltweit. Per Ende vergangenen Jahres belief sich der Bestand auf 3 391 Tonnen - zum damaligen Kurs ein Wert von 137,51 Milliarden Euro. Dabei befinden sich lediglich 31 Prozent in Tresoren in Frankfurt. Während des Kalten Krieges wollte man das deutsche Gold unbedingt "westlich des Rheins" und möglichst weit außerhalb der Landes grenzen aufbewahren. Mit 45 Prozent oder 122 597 Goldbarren lagert deshalb der weitaus größte Teil bei der Fed in New York, während die Banque de France 11 Prozent oder 29 775 Barren und die Bank of England 35 640 Barren oder 13 Prozent der Bestände aufbewahren.

Ein solch umfangreicher "Goldschatz" weckt seit jeher Begehrlichkeiten: 1997 wollte der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel durch eine bilanzielle Neubewertung den bundesdeutschen Haushalt vor dem Beitritt zur Währungsunion aufbessern, und sechs Jahre später schlug eine Kommission unter Vorsitz von Ex-Bundespräsident Roman Herzog vor, die Pflegeversicherung in ein Prämienmodell mit Kapitaldeckung umzubauen und für den Aufbau des Kapitalstocks das Gold der Bundesbank zu verkaufen. In den Folgejahren gab es noch weitere politisch motivierte Vorstöße, die jedoch allesamt ohne Erfolg blieben. Seit Herbst letzten Jahres sind die Goldreserven allerdings erneut in den Mittelpunkt öffentlicher und politischer Diskussionen gerückt. Damals hatte sich der Bundesrechnungshof im Rahmen der jährlichen Prüfung der Bundesbankbilanz die Goldreserven genauer angeschaut und in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages eine regelmäßige Inventur der im Ausland lagernden Goldbestände gefordert. Seitdem reißen die Diskussionen um eine Rückführung der Bestände nicht ab. Darüber hinaus bezweifeln erste Verschwörungstheoretiker das grundsätzliche Vorhandensein der in New York lagernden Bestände oder vermuten, dass die deutschen Barren im Ausland keinen goldenen Kern besitzen, sondern im Inneren aus dem Schwermetall Wolfram bestehen.

Seit der Veröffentlichung des Bundesrechnungshofes hat die Debatte um die deutschen Goldreserven und deren Lagerung immer groteskere Züge angenommen. Ob daran das nun von der Bundesbank unter großer Medienbeachtung präsentierte Lagerstellenkonzept etwas ändern wird ist ungewiss. Bis 2020 sollen schrittweise 300 Tonnen von New York nach Frankfurt und 374 Tonnen von Paris nach Frankfurt umquartiert werden. In sieben Jahren soll dann die Hälfte des Bestands in Frankfurt lagern. Die andere Hälfte soll bei den Partnernotenbanken in New York und London verbleiben, um an den wichtigsten Goldhandelsplätzen im Krisenfall schnellstmöglich Gold in Fremdwährungen tauschen zu können.

Sicherlich kommt die Bundesbank mit ihrem Lagerstellenkonzept den Forderungen des Bundesrechnungshofes entgegen, insbesondere wenn man sich mit der Fed noch auf ein Prozedere zur physischen Inaugenscheinnahme einigt. Der öffentlichen Diskussion nimmt man damit aber ganz gewiss nicht den Wind aus den Segeln. Im Gegenteil: Der Bevölkerung wäre es am liebsten, wenn "ihr" Gold wie bei einem Castor-Transport unter permanenter Medienbeobachtung auf heimisches Terrain zurückgeführt wird. So titelten beispielsweise einige Tageszeitungen "Holt unser Gold heim", "SO fühlt sich UNSER Goldschatz an" oder "Der Goldschatz kehrt zurück", und die größte deutsche Boulevardzeitung spekuliert bereits, ob die "Gold-Aktion" per See- oder Luftfracht erfolgen wird.

Dass nun ohne juristische Not Transportkosten und -risiken in Kauf genommen werden, wird die Diskussion in der Öffentlichkeit sicherlich nur weiter anstacheln. Und dass sich die Bundesbank aus verständlichen Gründen weder zum genauen Zeitpunkt noch zu den exakten Routen oder Transportmitteln äußert, lässt die Vorgehensweise in den Augen mancher nur noch dubioser erscheinen. Die Assoziation zum bekannten James-Bond-Film "Goldfinger" liegt nicht weit und wird von manchen Medien nur allzu gerne aufgegriffen. Angesichts solcher Emotionen in diesem Thema wäre vermutlich deshalb auch jede andere Entscheidung der Bundesbank auf Kritik in der Bevölkerung gestoßen.

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