Gespräch des Tagess

Deutsche Bank - Vergebliche Mühe

Berlin hat was zu feiern. Nicht nur, dass täglich hunderttausende gut
gelaunter Fußballfans aus aller Welt durch die Strassen ziehen und das
Endspiel in der Bundeshauptstadt vor der Tür steht, auch an anderer
Stelle ist man dieser Tage ein gutes Stück weitergekommen. Der Verkauf
der Berliner an die Deutsche Bank ist nicht nur ein erster Schritt bei
der Erfüllung der Brüsseler Vorgaben nach einer Zerschlagung der
Bankgesellschaft Berlin. Er hilft auch (ein ganz klein wenig) bei der
Verbesserung der tiefroten Finanzsituation der Stadt. Denn mit knapp
700 Millionen Euro liegt der ausgehandelte Preis deutlich über den
allerorten erwarteten 400 Millionen Euro. Zu viel? Wenn schon der
Berliner Finanzsenator jubelt, es sei ein "hervorragender" Preis
erzielt worden ...
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Die Differenz zwischen erwartetem und erzieltem Preis zeigt vor allem,
dass die Deutsche Bank diesen Zuschlag unbedingt haben wollte, vor in-
und ausländischen Mitbewerbern wie der Citibank. Aber warum nur? Die
307 000 Privat- und 13 000 Geschäftskunden der Berliner Bank mit 60
Filialen verschaffen der Großbank zwar in dem so umworbenen und
begehrten Bankenplatz Berlin eine sehr ordentliche Ausgangsposition:
Sie hat ihre Kundenzahl und die Marktpräsenz damit auf einen Schlag
verdoppelt. Und es bieten sich sicherlich auch gute Ansätze für ein
Cross-Selling. Doch für das gesamte Geschäft oder auch nur Retail ist
der Effekt kaum bemerkenswert. Analystenschätzungen zu Folge wird die
neue Privatkundeneinheit weniger als ein Prozent zum erwarteten Gewinn
der Deutschen Bank in diesem Jahr beitragen, die Zahl der Kunden in
Deutschland erhöht sich gerade mal um vier Prozent.
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Wenn Konzernchef Josef Ackermann nun sagt, dass das
Privatkundengeschäft eine wichtige Ertragssäule ist und man die
führende Position (das gilt lediglich unter den Großbanken, wenn man
hier die Postbank nicht dazu zählt) auf dem Heimatmarkt ausbauen
möchte, dann muss sich der geneigte Beobachter schon fragen, warum die
Deutsche Bank nicht vor zwei Jahren die Postbank übernommen hat. Das
wäre möglich und sinnvoll gewesen allen Interessenkonflikten durch das
gleichzeitige Mandat für den Börsengang und sicherlich auch der ein
oder anderen Überschneidung im Kundenportfolio zum Trotz. Aber 14
Millionen potenzielle Kunden, davon fast fünf Millionen echte
Erstbankverbindungen mit einer Cross-Selling-Penetration von nach
Postbankangaben unter zwei, und der Zugriff auf das Zweigstellennetz
der Deutschen Post an mehr als 9 000 Standorten hätten die Bank
wirklich zum Marktführer gemacht. Im Vergleich zum Preis für die
Berliner Bank, der immerhin dem Vierfachen des Buchwertes entspricht,
nehmen sich die geschätzt sechs Milliarden Euro, die damals für die
Postbank hätten bezahlt werden müssen, nahezu bescheiden aus. Aber
nach den vielen Schlagzeilen um den offenen Immobilienfonds
Grundbesitz Invest, Stellenabbau, Verlagerung des Geschäfts in das
Ausland - die beiden jüngsten Zukäufe der Bank im Retail erfolgten in
Indien und Rumänien - und, und, und kommt der Bank diese "good news"
offensichtlich mehr als recht.
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Der gesamte Bieterwettstreit wirft allerdings noch eine andere Frage
auf. Warum bemühten sich nahezu alle großen in- und ausländischen
Banken um die kleine Berliner Bank, wohlwissend, dass sie dann als
Sieger des Aufgalopps bei der im kommenden Jahr anstehenden Verteilung
des großen Kuchens zuschauen müssen? Denn Brüssel hat doch verfügt,
dass der Erwerber der Berliner Bank beim Kauf der Bankgesellschaft
ausgeschlossen wird. Mag es vielleicht daran liegen, dass man ein
solches Bestreben als vergebliche Mühe betrachtet, da kaum damit
gerechnet werden kann, dass die Sparkassenorganisation hier nicht zum
Zuge kommen wird?

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