Aufsätze

Chancen und Risiken von Unternehmen herausfiltern - eigenständige Nachhaltigkeitsanalyse als Zukunft

Soziale und ökologische Aspekte werden für Unternehmen und Investoren immer wichtiger. Die Bedeutung von nachhaltigem Wirtschaften ist mittlerweile breit bei Investoren und Unternehmen verankert. Umweltkatastrophen wie der Unfall im Golf von Mexiko und die Nuklearkatastrophe von Fukushima verändern die Welt unumkehrbar.

Integration von Nachhaltigkeit ins Anlagegeschäft

Beispiele von Unternehmen, die in jüngster Zeit Nachhaltigkeitsaspekten mehr Gewicht- auf Druck der Kunden oder der Öffentlichkeit - einräumen, gibt es viele. So hat beispielsweise der Apple-Zulieferer Foxconn angesichts unhaltbarer Zustände in seinen chinesischen Fabriken die Arbeitsbedingungen geändert. Für besonders repetitive Arbeiten sollen nun vermehrt Roboter zum Einsatz kommen. Apple-Chef Tim Cook hat sich übrigens an Ort und Stelle persönlich von den Verbesserungen überzeugt. Als Grundgerüst für die Integration von Nachhaltigkeit ins Anlagegeschäft dienen sechs Grundsätze für verantwortungsbewusstes Anlegen der UNO, die UN Principles for Responsible Investment. Von den Unterzeichnern wird erwartet, dass sie die drei Säulen der Nachhaltigkeit - Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) - zunehmend in ihr Anlagegeschäft integrieren.

So sollten die Signatare beispielsweise ESG-Aspekte in die Analyse- und Entscheidungsprozesse einbeziehen und auf hohe Nachhaltigkeits-Transparenz bei Unternehmen, in die sie investieren, hinwirken. Gleichzeitig sollen die Investmentgesellschaften aber auch die Akzeptanz und Umsetzung in der Investmentbranche vorantreiben.

Die UN PRI sollen auch die Zusammenarbeit mit anderen Unterstützern fördern und verpflichten zur Berichterstattung über die eigene Umsetzung der Prinzipien. Die unterzeichnenden Unternehmen haben relative freie Hand bei der Ausgestaltung der Leitsätze, müssen aber jährlich dem PRI-Sekretariat über individuelle Maßnahmen und Strategien zur Umsetzung berichten. Auf dieser Basis wird die Aktivität der einzelnen Unterzeichner bewertet.

Dass Nachhaltigkeit nicht nur für Investmentgesellschaften und Vermögensverwalter an Bedeutung gewinnt, zeigt auch das steigende Anlagevolumen. Nachhaltige Anlagen erfreuen sich auch bei Investoren zunehmender Beliebtheit: Gemäß dem Forum Nachhaltige Geldanlagen, einem Fachverband für Nachhaltige Geldanlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, betrug das entsprechende Volumen in diesen Ländern im Jahr 2010 rund 51,9 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Plus von 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Abbildung).

Als wichtigste treibende Kraft für den nachhaltigen Anlagemarkt wurde in Deutschland der Druck von außen, also beispielsweise von Medien, Nichtregierungsorganisationen oder Gewerkschaften genannt. Die befragten Finanzdienstleister in den deutschsprachigen Ländern gehen von einem weiteren Wachstum in den kommenden drei Jahren aus.

Steigendes Volumen nachhaltiger Investments

Ein aktiver Vermögensverwalter wie Vontobel konzentriert sich als Unterzeichner der UN-PRI-Grundsätze darauf, individuelle Stärken und Schwächen von Unternehmen zu identifizieren und attraktiv bewertete Titel auszuwählen. Die Beschäftigung mit der Leistung der Kandidaten im Bereich der Nachhaltigkeit genießt dabei einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus halten es immer mehr Investoren für wichtig, Nachhaltigkeitsaspekte in die Bewertung von Investments einfließen zu lassen. Diese Anleger handeln aus der Überzeugung heraus, dass solche Unternehmen auch finanziell erfolgreicher sind.

Wie sich die Geschäftsaussichten dank einem verstärkten Fokus auf Nachhaltigkeit verbessern lassen, hat zum Beispiel Unilever demonstriert. Bis 2015 will das Unternehmen im Einkauf aller Produkte hohe Nachhaltigkeitsstandards umgesetzt haben. Dies gilt insbesondere für Palmöl, einem wichtigen Grundprodukt für die Konsumgüterindustrie. In der Vergangenheit hat die Zerstörung von Regenwald im Zusammenhang mit Palmöl-Plantagen weltweit für Schlagzeilen gesorgt.

Bei der Verwaltung nachhaltiger Anlagen gehen viele Anbieter nach bewährten Mustern vor, indem sie den sogenannten Best-in-Class-Ansatz oder Ausschlusskriterien anwenden. Dabei investieren sie eher mechanistisch in die Unternehmen, die innerhalb ihrer Branche ökologische, soziale oder ethische Standards am besten umsetzen. Dieser Ansatz greift jedoch zu kurz.

Ein integrierter Ansatz geht weiter: Finanz- und Nachhaltigkeitsaspekte sind ebenbürtig. Die enge Zusammenarbeit von Sektoranalysten und Nachhaltigkeitsexperten führt dazu, dass die Leistungen der Unternehmen im Bereich ESG sehr früh berücksichtigt werden.

Die Portfolios der Anbieter können daher je nach Analysemethode ganz unterschiedlich ausfallen, obwohl sie den gemeinsamen Nenner "Nachhaltigkeit" haben.

Differenzierte Auswahl der Neuempfehlungen

Die aktive Vermögensverwaltung, ist zeit- und arbeitsintensiv: Die Auswahl von vergleichsweise wenigen Kandidaten für das Portfolio, die sich besser als der Gesamtmarkt entwickeln sollen, ist ungleich schwieriger und aufwendiger als der "Kauf" eines Indexes, beispielsweise über einen Exchange-Traded-Fund (ETF). Die Aufgabe wird noch anspruchsvoller, wenn Chancen und Risiken, die sich aus Nachhaltigkeitsthemen ergeben, vertieft untersucht und berücksichtigt werden.

Die einzelnen Schritte im Auswahlprozedere bei Vontobel lassen sich folgendermaßen darstellen: Das weltweite Anlage-Universum umfasst rund 15000 Unternehmen. Dieser Kreis der Kandidaten wird auf der Basis von quantitativen Informationen zu Marktkapitalisierung und Liquidität auf rund 2000 Unternehmen eingeengt. Es folgt eine Auswertung nach Kriterien wie Cash-Flow, Bewertung oder speziellen Themen. Für potenziell interessante Unternehmen wird eine fundierte Analyse mit einer Beurteilung des Geschäftsmodells unter besonderer Berücksichtigung der Nachhal-tigkeits-Chancen und-Risiken erstellt, die schließlich in rund 40 Neuempfehlungen pro Jahr gipfelt. Der Fondsmanager kann dann frei entscheiden, wie viele Titel aus dieser Liste er neu aufnimmt (Tabelle).

Als Grundlage dienen sogenannte Sektorpapiere, die Nachhaltigkeitsspezialisten und Finanzanalysten in Zusammenarbeit erstellen. Darin werden die Chancen und Risiken im Nachhaltigkeitsbereich aufgezeigt, neun Mindestkriterien - je drei für die drei Bereiche Umwelt, Soziales und Governance - festgelegt, der Umgang mit kritischen Themen und formulierten Fragen an die Unternehmen definiert. Anschließend wird bewertet, ob und wie gut ein Unternehmen, das in die engere Wahl gekommen ist, die Kriterien erfüllt.

Für eine aktive Empfehlung muss eine Gesellschaft eine Note von mindestens fünf auf einer Skala von null bis zehn aufweisen. Die Gesamtnote errechnet sich aus den Teilergebnissen der Bereiche Umwelt, Soziales und Governance, deren Gewichtung wiederum von Sektor zu Sektor schwankt.

Nachhaltigkeitsanalyse am Beispiel Pharmaunternehmen

Die neun Kriterien sind zum Teil für alle Sektoren gleich definiert, variieren aber zum Teil je nach Branche. Über alle Sektoren hinweg gelten die gleichen Standards für den Bereich Umwelt (Erfüllung von Umweltstandards, Verringerung von Emmissionen, Einfluss der Produkte auf die Umwelt) und für den Bereich Governance (Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, Aktionärsrechte, Entlohnung des Managements).

Im Bereich Soziales sind die Kriterien für Beschäftigte überall gleich, wogegen die Kriterien für Gesundheit und Sicherheit sowie die Beziehungen mit Anspruchsgruppen für jeden Sektor anders festgelegt sind. Generell ausgeschlossen sind zum Beispiel Hersteller von Streubomben und Massenvernichtungswaffen.

Bereich Soziales

Die Gewichtung der neun Kriterien wiederum variiert von Branche zu Branche. Für den Pharmasektor beispielsweise gilt folgende Verteilung: Umweltthemen fallen in der Gesamtbeurteilung mit 20 Prozent, soziale mit 50 Prozent und Governance-Aspekte mit 30 Prozent ins Gewicht. Die höchste Priorität wird damit dem Bereich Soziales beigemessen. In dieses Kapitel fallen klinische Studien, Zugang zu Arzneien und irreführendes Marketing.

Bei klinischen Studien ist interessant, ob diese intern durchgeführt oder ausgelagert werden. Gute Firmen kontrollieren solche Prozesse weitgehend, selbst wenn Dritte sie durchführen. Beim Thema Zugang zu Arzneien wird die Fähigkeit von Unternehmen, lebenswichtige Medikamente auch in ärmeren Ländern, zum Beispiel über Lizenzvereinbarungen, zur Verfügung zu stellen, beurteilt. Im Zusammenhang mit irreführendem Marketing ist wichtig, ob die Unternehmen klare Richtlinien und Prozesse für dessen Vermeidung haben.

In der Vergangenheit gab es viele Fälle von mangelhaft deklarierten Nebeneffekten von Medikamenten. Grund für die bescheidene Gewichtung des Umweltbereichs ist, dass Pharmaunternehmen wegen hoher gesetzlicher Anforderungen bereits hohe Umweltstandards erfüllen. Ein entscheidender Aspekt ist auch, wie die Unternehmen den Einfluss von Pharmaprodukten auf die Umwelt verringern.

Der Unterschied zum Referenzwert

Es liegt auf der Hand, dass die Resultate einer im eigenen Hause durchgeführten Analyse zuweilen von der Meinung anderer Institute abweichen. So basiert ein weit beachteter Referenzwert für Nachhaltigkeitsleistungen, der MSCI Global ESG, auf dem Best-in-Class-Prinzip, bei dem Unternehmen mit den höchsten Nachhaltigkeitswerten bevorzugt werden.

In den MSCI Global ESG werden Unternehmen aufgenommen, die im Nachhaltig-keits-Rating eine Note von B oder höher erzielt haben. Ein weiteres Kriterium bei MSCI ist die Marktkapitalisierung, das heißt, dass große Unternehmen tendenziell besser abschneiden. Die Auswertung erfolgt auf Basis öffentlicher Unterneh-mens-Reports und der Blick ist auf "größtmögliche Nachhaltigkeit" zum Stichtag gerichtet.

Ein integrierter Ansatz dagegen erlaubt eine höhere Flexibilität und ermöglicht es, Verantwortung für die Entscheidungen zu übernehmen. Die Auswahl des Anlageuniversums erfolgt völlig frei, und es werden auch Unternehmen außerhalb eines Referenzindexes betrachtet. Als Entscheidungsgrundlage dienen neben öffentlichen Reports auch Berichte verschiedener ESG-Research-Anbieter sowie regelmäßiger persönlicher Kontakt mit dem Unternehmen. Diese Methode zielt darauf, unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten Unternehmen mit größtem Kurspotenzial zu ermitteln.

Eigenständige Analyse mit überraschenden Resultaten

Die Beurteilung unterscheidet sich bisweilen stark. So hat MSCI beispielsweise beim US-Kabelnetzbetreiber Comcast auf die hohe Gefahr künftiger Arbeitskonflikte und auf die Möglichkeit regulatorischer Eingriffe hingewiesen. Dies äußerte sich in einer negativen Note, das heißt, das Unternehmen war nach Ansicht von MSCI für ein Investment aus Nachhaltigkeitsüberlegungen ungeeignet. Vontobel vertrat eine andere Auffassung: Nach Ansicht der Bank hat MSCI vermeintlich gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten zu viel Bedeutung beigemessen und die hohe Mitarbeiterzufriedenheit nur ungenügend berücksichtigt. Die Gefahr von Eingriffen durch die Marktaufsicht ist begrenzt, da Comcast mit der US-Regulierungsbehörde FCC zahlreiche Streitigkeiten beilegen konnte. Das Vontobel-Rating für die Gesellschaft liegt über der kritischen Schwelle von 5.0 - das heißt, der Titel ist für Anlagen geeignet.

Bei der US-Bank JP Morgan Chase bemängelte MSCI unter anderem die Umweltrisi-ko-Einschätzung und den Umgang mit Investoren. Vontobel hingegen empfiehlt den Titel, weil JPM über ein deutlich nachhaltigeres Geschäftsmodell als andere Mitbewerber verfügt.

Ständig überwacht und angepasst

MSCI begründete ein günstiges Rating für General Motors zum Beispiel mit dem relativ geringen behördlichen Druck zur Senkung der CO[2]-Emissionen der Fahrzeugflotte. Die Vontobel-Bewertung fiel differenzierter aus. Zwar zollt die Bank den hohen Corporate-Governance-Standards des Unternehmens Respekt, doch im Bereich Umwelt schnitt General Motors sehr schlecht ab. Die Gründe waren beispielsweise Bedenken hinsichtlich der CO[2]-Ziele in den USA - einem Markt, in dem das Unternehmen viele Lastwagen und Geländewagen, also Fahrzeuge mit einem hohen CO[2]-Ausstoß, verkauft.

Diese Nachhaltigkeits-Ratings sind natürlich nicht in Stein gemeißelt. Die Zusammensetzung des Portfolios und die Empfehlungen werden ständig überwacht und wenn nötig angepasst.

Der Trend zu Nachhaltigkeit äußert sich auch darin, dass von Fondsanbietern ein stärkeres Engagement bei den Unternehmen, in die sie investieren, erwartet wird. Pensionsfonds von öffentlich-rechtlichen Organisationen gehören in diesen Belangen zu den Vorreitern, aber auch Stiftungen machen entsprechende Auflagen. Bei Privatpersonen steht oft eher der Anspruch im Zentrum, dass Anlagen mit persönlichen Wertvorstellungen in Einklang sind. Dazu gehört auch, dass gewisse Branchen wie Waffen oder Tabak ganz ausgeschlossen werden.

Stimmrechte bei Hauptversammlungen ausüben

In diesem Zusammenhang hat Vontobel mit der britischen Gesellschaft Hermes Equity Ownership Services eine umfassende Strategie für Stimmrechtswahrnehmung und Unternehmensdialog definiert. Darauf basierend werden nun die Stimmrechte von Firmen, in welche die nachhaltig gemanagten Fonds investieren, aktiv ausgeübt, und mit der Führung ausgewählter Unternehmen wird ein konstruktiver Dialog geführt.

Der Anleger mag sich fragen, wie sich angesichts der Vielschichtigkeit der Nachhaltigkeitsthemen der Überblick behalten lässt. Dabei lassen sich Nachhaltigkeitsleistungen manchmal recht einfach überprüfen. So sollten die Unternehmen etwa über ein Umweltleitbild verfügen, bei der Produktion Umweltgesichtspunkte berücksichtigen und bestrebt sein, Energie zu sparen und Abfälle zu verwerten.

Wichtig ist auch der Umgang der Gesellschaft mit verschiedenen Anspruchsgruppen. Hier stehen folgende Fragen im Vordergrund: Bietet das Unternehmen seinen Mitarbeitern fortschrittliche Arbeitsbedingungen? Hat es Maßnahmen für eine gute Corporate Governance umgesetzt? Müssen auch die Lieferanten Umwelt- und Sozialstandards einhalten? Fördert das Unternehmen aktiv die Chancengleichheit seiner Mitarbeiter? Informiert das Unternehmen die Öffentlichkeit über seine Maßnahmen im Bereich Nachhaltigkeit?

Chancen und Risiken besser erkennen

Die Nachhaltigkeitsanalyse hebt also Chancen und Risiken von Unternehmen hervor, doch was heißt dies konkret für den Investor? Besteht ein Zusammenhang zwischen nachhaltigem Investieren und höheren Erträgen? Generell lässt sich sagen, dass umweltbewusst wirtschaftende und gut geführte Firmen Aussichten auf bessere Renditen - nicht zuletzt aufgrund eines Bonus bei Anlegern - bieten.

Das umgekehrte Beispiel ist noch deutlicher: So muss beispielsweise eine Chemiefirma, deren Abfallbewirtschaftung ungenügend ist, mit einem erhöhten Risiko von Klagen rechnen - mit potenziell desaströsen Auswirkungen auf den Aktienkurs. Oder man stelle sich vor, welche Konsequenzen es auf den Apple-Kurs hätte haben können, wenn das Technologieunternehmen seinen Zulieferer Foxconn wegen der Arbeitsbedingungen in China nicht gemaßregelt hätte.

Vontobel hat Nachhaltigkeitsaspekte deshalb breit in die Geschäftsprozesse integriert, wie es von einem Anbieter von Fonds mit Nachhaltigkeitsbezug und einem Unterzeichner der UN-PRI-Grundsätze erwartet werden darf.

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