Schwerpunkt: 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland

Das Biedere hat sich als das Solide erwiesen, und Solidität ist gefragt

"Welchen Beitrag haben die Bausparkassen zur Entwicklung der Bundesrepublik geleistet?" Wer eine Antwort auf diese Frage geben will, ist zunächst versucht, 60 Jahre Bausparen nachzuzeichnen. Doch das wäre Stoff für eine eigene Festschrift. Bleibt die Alternative: 60 Jahre Bausparen aus der Sicht des Jahres 2009. Dazu werden sieben "Rollen" des Bausparens kurz skizziert: Die Bausparkassen als "Kulturschaffende", "Vermögensbilder", "Wachstumsmotor und Konjunkturstütze", "politischer Akteur", "Exporteur einer guten Idee", "Hort der Stabilität" und "im Bewusstsein der Gesellschaft".

Kulturschaffend

Die Zeiten ändern sich; das Grundanliegen bleibt das Gleiche: Werben für eine Kultur des (Wohn-)Eigentums. Sie ist Ausdruck der Freiheit und Schlüssel zur Freiheit. Wohneigentum liefert den unbedingt nötigen Raum für eine eigenverantwortliche Gestaltung des persönlichen Lebens. Es spornt zur Eigeninitiative an. Umgekehrt entwickeln Menschen, die im Wohneigentum wohnen, einen anderen Bezug zu ihrem Haus, ihrer Nachbarschaft, ihrer Stadt. Eigentum verwurzelt; es wird als Verpflichtung aufgefasst. Unter anderem mit dem Ergebnis, dass Kinder, die in Wohneigentum aufwachsen, im Regelfall deutlich günstigere Wohnverhältnisse und räumliche Sozialisationsbedingungen erfahren. Die Bausparidee leistet hier einen ganz eigenen kulturellen Beitrag. Das ihr zugrunde liegende Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe ist bis heute aktuell. Die Bausparer sind Teil einer Bauspargemeinschaft, die dem Einzelnen und den Bausparkassen als Treuhänder ganz besondere Rechte und Pflichten auferlegt.

Wohneigentum sollen sich auch Normalverdiener leisten können. Für diesen sozialen Auftrag waren das Wohnungsbauprämiengesetz von 1952 und das Vermögensbildungsgesetz von 1961 wichtige Meilensteine. Die Bausparkassen haben daran intensiv mitgearbeitet. Daraus wurde über sechs Jahrzehnte eine Geschichte des Aufbaus, der Solidität und des Vertrauens. Nach dem Wegfall der Eigenheimzulage, die ein Ersatz für die frühere steuerliche Förderung nach § 7b beziehungsweise 10e des Einkommensteuergesetzes war, ist mit dem Eigenheimrentengesetz von 2008 die Immobilienrente der Geldrente gleichgestellt worden. Die drei gegenwärtigen Instrumente weisen auch den Weg für die Zukunft. Mehr denn je ist Eigeninitiative gefragt. Für Staat und Gesellschaft rechnet es sich allemal, diese mit Anreizen zu fördern - finanziell und sozial-kulturell. Politik hat die Pflicht zur Gestaltung.

Vermögensbilder

Viele lernen das Sparen mit Bausparen. Bausparen ist Zwecksparen. Wer sein Geld hier anlegt, um später in eigene vier Wände zu investieren, lässt es normalerweise auch dann unangetastet, wenn ein neues Auto gefallen könnte. Der Bausparer weiß ja, wofür er spart. Und das tut er konsequent.

Eine Untersuchung des ZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH, Mannheim, zeigt, dass Bausparer in den Einkommensklassen unter 5 000 Euro Net-to-Monatseinkommen und in den Altersgruppen unter 65 Jahre deutlich mehr sparen als Nicht-Bausparer. Dementsprechend verfügen Bausparer auch über ein höheres Vermögen als Nicht-Bausparer. In allen Einkommens- und Altersklassen ist der Anteil der Immobilienbesitzer höher.

Das Empirica-Institut, Berlin, hat wiederum festgestellt, dass Immobilienbesitzer bei gleichem Einkommen im Verlauf von 40 Jahren fast siebenmal mehr Vermögen aufbauen als Nicht-Immobilienbesitzer. Weil sie mehr sparen. Auch weil sie mehr sparen müssen. Das aber lohnt sich eben.

Wachstumsmotor und Konjunkturstütze

1938 schuf die Bausparreform "mit der glücklichen Vision der Teilfinanzierung", so Walter Lehmann, Nestor des deutschen Bausparwesens, die Voraussetzung für die Erneuerung der Bausparkassen. "Hierdurch für ihre Mission gerüstet, konnten die Bausparkassen nach Krieg, politischem Zusammenbruch und Geldreform jenen spektakulären Beitrag für den Wiederaufbau des Wohnungsbestandes in der Bundesrepublik Deutschland leisten, der sie mit ihrem Finanzierungsvolumen in wenigen Jahren an die Spitze der relevanten Finanzgruppen führte."

Zehn Jahre nach Kriegsende zahlten die deutschen Bausparkassen bereits 558 Millionen Euro an Baugeldern aus. 2008 waren es fast 41 Milliarden Euro, die ganz überwiegend in den Bau, Kauf und die Modernisierung von Wohneigentum fließen ein historischer Rekord. Die Bausparer leisten damit einen erheblichen Beitrag zur Sicherung und Schaffung von Zigtausenden von Arbeitsplätzen in der Bauindustrie und im Handwerk. Die 25 Institute konnten mit dieser Rekordsumme ihre Spitzenposition im Bereich der privaten Wohnungsbaufinanzierung verteidigen.

Politischer Akteur

Schwerpunkt der politischen Arbeit nach dem Krieg war die Schaffung eines einheitlichen Bausparkassenrechts. Die "wohnungspolitischen Sozialgesetze", das Wohnungsprämiengesetz und Vermögensbildungsgesetz, wurden bereits erwähnt. 1962 kamen erste Vorschläge für ein Bausparkassengesetz auf den Tisch. Es folgten zahlreiche weitere Entwürfe, bis das Gesetz dann Ende 1972 verabschiedet wurde. Die Bausparkassen waren auch hier Motor und Sparringspartner der Politik.

Gleiches gilt für das Eigenheimrentengesetz. Es waren die Bausparkassen, die sich vehement und schließlich erfolgreich für die staatliche Anerkennung der selbstgenutzten Immobilien als private Altersvorsorge eingesetzt hatten. Aus ihren Reihen kam auch die Idee, auf die komplizierte nachgelagerte Besteuerung zu verzichten und dafür die Förderung auf 80 Prozent abzusenken. "SoFa" - Sofort ohne Finanzamt - lautete der Vorschlag. Die Unionsparteien hätten ihn sogar mitgetragen. Anders die SPD, bei ihr überwogen "steuersystematische Bedenken". Als es dann soweit war, konnte sich die Politik wiederum auf die Bausparkassen verlassen. Diese zeigten von Anfang an volle Marktpräsenz. Die Bausparkassen wollen der Eigenheimrente auch politisch zum Erfolg verhelfen.

Exporteur einer guten Idee

Mit dem Fall der Mauer und des "Eisernen Vorhangs" stellte sich für die Bausparkassen zunächst die Aufgabe, das Bausparen in der damaligen DDR einzuführen. Dies geschah am 1. Juli 1990 mit einer Verordnung - ergänzend zur Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Mittlerweile hat zum Beispiel Brandenburg eine Bauspardichte, das meint die Bausparsumme je Einwohner, und Wohneigentumsquote ähnlich der in Nordrhein-Westfalen.

Das Bausparen ist aber auch in Osteuropa fest als zentrales Finanzierungssystem verankert. Möglich geworden ist diese Expansion mit der Novellierung des deutschen Bausparkassengesetzes 1991. Sie erlaubte den Bausparkassen die Gründung von ausländischen Niederlassungen und Beteiligungsgesellschaften.

In Osteuropa gibt es Bausparen heute in Tschechien, der Slowakei, in Ungarn, Slowenien, Rumänien und Kroatien. In Tschechien ist Bausparen mittlerweile zu einem "Volkssport" geworden. Zwei Drittel der Bürger besitzen einen Bausparvertrag bei einer der fünf Bausparkassen. Zusammen mit Deutschland und Österreich weisen diese Länder über 42 Millionen Verträge aus - mit einer Bausparsumme von knapp 900 Milliarden Euro.

Hort der Stabilität

Das deutsche Bausparsystem ist keine Schönwetterveranstaltung. Es hat sich auch in der aktuellen Finanzkrise, die als die schwierigste seit Ende des Zweiten Weltkriegs gilt, bewährt. Denn es ist vom Kapitalmarkt weitestgehend unabhängig. In einem geschlossenen Spar- und Finanzierungskreislauf schaffen die Bausparer mit ihren Sparbeiträgen die Basis für die Vergabe von Bauspardarlehen. Die Bausparkassen müssen sich dafür nicht am Kapitalmarkt refinanzieren.

Das Eigenkapital der Bausparer in Form des Bausparguthabens sorgt zusammen mit sorgfältigen Bonitäts- und Beleihungsprüfungen für einen Risikopuffer - beim Bausparer und bei der Bauspargemeinschaft. Bauspardarlehen sind dadurch die sichersten Darlehen überhaupt, die Ausfallquote liegt gerade einmal im Promillebereich. Die Bauspargemeinschaft kann also darauf vertrauen, dass das Geld, das sie ausleiht, auch wieder an sie zurückfließt.

Zusätzliche Sicherheit garantiert das Bausparkassengesetz durch strenge Vorschriften bei der zwischenzeitlichen Anlage von Geldern, die nicht in Bauspardarlehen investiert sind. Investitionen in risikobehaftete Anlagen wie Aktien oder sogenannte strukturierte Papiere, die mit faulen Immobilienkrediten hinterlegt sind, sind für deutsche Bausparkassen tabu. Die besondere Konstruktion des Bausparsystems macht dieses System also besonders sicher.

Im Bewusstsein der Gesellschaft

In Deutschland gibt es über 25 Millionen Bausparer mit 30,5 Millionen Verträgen. Umfragen belegen: Für 68 Prozent der Deutschen ist Bausparen der erste Schritt zum Wohneigentum, für 76 Prozent ist es "eine geeignete Form, um eine Immobilie zur Altersvorsorge zu erwerben". Die eigenen vier Wände wiederum werden von 83 Prozent als "sichere Altersvorsorge" bezeichnet.

In der Vergangenheit wurden die Bausparkassen mit ihrem Produktangebot von denjenigen belächelt, die glaubten, die Finanzwirtschaft könne sich dauerhaft von der Realwirtschaft emanzipieren und mittels innovativer Produkte traumhafte Renditen produzieren. Die Kunden wussten das Bausparen trotzdem zu schätzen - insbesondere seine Stärke im Finanzierungsmix, die sich durch die nachrangige Absicherung im Grundbuch erklärt. Beleg dafür ist das stetig steigende Volumen des Vertragsbestands, das Ende 2008 die Rekordmarke von rund 754 Milliarden Euro erreichte.

Charme einer sicheren und verlässlichen Spar- und Finanzierungsform

Im Zuge der Finanzkrise ist der Charme einer sicheren und verlässlichen Spar- und Finanzierungsform wieder offensichtlich geworden. Das Biedere hat sich als das Solide erwiesen, und Solidität ist gefragt. Die Verfechter eines kapitalmarktgetriebenen angelsächsischen Finanzierungsmodells, die 120-Prozent-Finanzierungen das Wort redeten, um die Konjunktur zu stimulieren, sind gescheitert.

Ansparsysteme sollten jetzt eigentlich weltweit reüssieren. Sollten! Ob es aber so kommt, ist fraglich. Denn bei der Ursachenforschung sprechen diese Verfechter lieber von einem "technischen Unglück", weil bestimmte Stellschrauben falsch justiert worden seien. In Wahrheit handelt es sich jedoch um eine "systemische Katastrophe", die systemische Antworten verlangt. Für die Baufinanzierung heißt das: eigenkapitalorientierte Risikopuffer - natürlich am besten mit Bausparen.

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