Leitartikel

Pädagogisch wertvoll

Wer ein Haus baut, weiß: Fertig wird es nie. Immer ist irgendwo etwas zu streichen, zu mauern und zu bohren. Ist das Wohnzimmer wohnlich, brauchen die Kinder mehr Platz, die Küche neue Farbe, das Bad neue Fließen und die Katze einen Ausgang. Wer irgendwann hofft, der ersehnte Augenblick des Verweilens naht, dem machen kalte Räume, feuchte Wände und Tränen treibende Betriebskosten leidlich bewusst, dass das Dach undicht, die Heizung verraucht und die Isolierung unzureichend ist. Wie vielfältig die handwerklichen Herausforderungen sind, lässt sich am umfangreichen Angebot der allerorts florierenden Baumärkte ablesen. Ach ja, finanziert werden muss das alles natürlich auch noch - am besten mit der Erbtante, ansonsten eben mit Spargroschen, einem Darlehen oder beidem. Bis auf die Erbtante hält der Markt reichlich Angebote parat und wie für so vieles gibt es auch hier Spezialisten, die sich mit Sparen und Bauen, mit Bauen und Sparen auskennen - Bausparkassen zum Beispiel. Doch sollte man bedenken: Wer einmal bauspart, den lässt die Idee vielleicht nicht wieder los. Das kann schon in zarten Kindertagen beginnen, wenn Oma zu Geburt oder Taufe, zu Ostern oder Weihnachten, zur Einschulung oder zum Abitur einen Bausparvertrag auf den Gabentisch packt. Zwar darf von den Beschenkten zunächst nur höfliche Begeisterung erwartet werden, doch dürfte deren Freude später umso größer sein, wenn Staat und Arbeitgeber den Genuss versüßen. Dabei lernt der junge Bausparer, was ihm weder Schule noch Lehre oder Studium beibringen können: nämlich mit kleiner Münze respektable Summen anzusammeln. Zugegeben, mit Aktien wäre vielleicht mehr zu holen, aber wie sicher ist das schon und wer würde darauf einen Kredit geben? Der Bausparer kann sich dessen - sofern zuteilungsreif - gewiss sein. Freilich wollen auch Bausparer lieber heute als morgen konsumieren. Zu lange Sparfristen stören, zumal die als Sparanlage begonnenen Bausparverträge allenfalls reichen dürften, um beim Eigenheimerwerb Makler und Notar zu bezahlen. Das wissen die Bausparkassen und offerieren deshalb mit Engagement Vor- und Zwischenkredite. Das erhöht zwar die Risiken, nützt aber dem Kollektiv, sichert es doch den künftigen Zustrom neuer Einzahler und generiert aktuell höhere Zinserträge als andere Kapitalanlagen. Dass sich zudem die Verbraucherschützer jüngst sogar lobend über die Kombination aus tilgungsfreiem Hypothekarkredit und ablösendem Bauspardarlehen äußerten, weil sie über die Gesamtlaufzeit konstante und günstige Raten garantiert, freut die Bausparkassen darum besonders. Immerhin sichern ihnen diese Konstantdarlehen eine bis zu drei Jahrzehnte währende stabile Kundenbeziehung, die damit wesentlich länger hält als jedes Sparprodukt, jeder Standardbausparvertrag oder jedes Hypothekendarlehen. Doch weil bekanntlich mit Goethes Worten "alles was entsteht, wert ist, dass es zugrunde geht", muss hin und wieder auch die schönste Traumimmobilie repariert, saniert und modernisiert werden. Um das zu finanzieren, empfiehlt die Bausparkasse des Vertrauens - wen wundert's - einen Bausparvertrag. Doch Wohneigentum steht nicht nur für höhere Lebensqualität, sondern ist auch Altersvorsorge. Darauf können seit gut zwei Jahren auch die Bausparkassen mit staatlichem Prädikat bauen. Wohn-Riester hilft doppelt: Erstens lockt satte Förderung neue Kunden. Zweitens fördern die bürokratischen Stricke die Kundenloyalität. Gerade diese ist in Zeiten massiver Konkurrenz und hoher Preistransparenz im Privatkundengeschäft sowie geringer Produktunterschiede in der Baufinanzierung ein geschätztes Asset. Läuft alles nach Plan, ist das Haus bei Renteneintritt des Bausparers schuldenfrei. Doch für diesen Ernstfall arbeiten die Bausparkassen schon an Lösungen. Eine könnte die Umkehrhypothek, also die Rente aus dem Haus, sein. Hierfür müssen allerdings noch einige Kleinigkeiten geklärt werden, wie zum Beispiel die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos. Vor allem aber wird man die Senioren von morgen überzeugen müssen, warum sie nach einem entbehrungsreichen Spar- und Tilgungsmarathon ein besseres Preisgeld bekommen, wenn sie die Distanz nochmals, diesmal aber rückwärts laufen. Vielversprechend ist zudem der Vorschlag, Bildung mit Bausparen zu finanzieren. Die Idee: Durch Vorsparen einen Anspruch auf einen Bildungskredit erwerben. Dafür ließe sich das Know-how der Bausparkassen im Kollektivmanagement trefflich nutzen. Für die Institute hätte das besonderen Charme, weil sie ihr Produktangebot erweitern, in ihren Konzernen und Verbünden an Bedeutung gewinnen, neue Kunden binden und vielleicht sogar ihre aktuell hohe Trägheitsreserve höherverzinslich anlegen könnten. Nicht zu vergessen: Bildung ist - inzwischen mehr noch als die Wohnraumversorgung - eine sozialpolitische Herausforderung mit entsprechend hoher öffentlicher Aufmerksamkeit. Wenn die Bausparkassen hierfür eine Lösung anbieten können, ist dies zu begrüßen. Allerdings sollten die Institute darauf achten, ihre Spezialität nicht durch Beliebigkeit bei den Produkten zu opfern. Dafür ist der Bauspargedanke pädagogisch zu wertvoll.

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