Aufsätze

Die Bedeutung des Pfandbriefs und der Pfandbriefbanken für die Stabilität der Finanzmärkte

Seit dem Überschwappen der Subprime-Welle aus den USA nach Europa hat der Pfandbrief eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfahren. Im Zuge des Aufschwungs an den Kreditmärkten haben Pfandbriefe in den letzten Jahren zwar eine gute Performance gezeigt, drohten jedoch insbesondere gegenüber Verbriefungen in der Wahrnehmung ins Hintertreffen zu geraten. Bei den Pfandbriefemittenten selbst waren erste Anzeichen nachlassenden Interesses beziehungsweise Bedarfs an der Pfandbriefrefinanzierung erkennbar.

Vertrauenskrise

Zur Hochzeit der Disintermediation muteten Pfandbriefe so manchen "Experten" wie frühzeitliche Exponate eines naturkundlichen Museums an. Schließlich ließen sich mit unbesicherten Schuldverschreibungen und Verbriefungen ebenfalls zunehmend attraktive Konditionen realisieren, woran schließlich alle Beteiligten - Investmentbanken, Ratingagenturen und Servicer - ausgezeichnet verdienten. Bis Subprime zuschlug und den Markt für Mortgage Backed Securities (MBS) austrocknete beziehungsweise die unbesicherte Refinanzierung erheblich verteuerte. Vor dem Hintergrund der Folgen der Vertrauenskrise für den Euro-Kapitalmarkt lohnt es, den Beitrag des Pfandbriefs und der Pfandbriefbanken zur Stabilität der Finanzmärkte zu beleuchten.

Die Stabilität der Finanzmärkte fußt auf dem Vertrauen oder der Stabilität der Erwartungen der Akteure. Unter Finanzmarktstabilität kann - technisch gesprochen - die stetige Entwicklung der Assetpreise an den Kapitalmärkten verstanden werden. Marktpreise bringen Angebot und Nachfrage auf Vermögensmärkten kurzfristig ohne abrupte Schwankungen zum Ausgleich. Preisstetigkeit oder Stabilität schließt mittelfristige Preisdynamiken und Trendkorrekturen dabei nicht aus. Angebotsschocks und Vertrauenskrisen sind wie ein Lackmustest für die Stetigkeit der Preisbildung einzelner Vermögensmärkte. Wird die Preisbildung durch sie stark verzerrt, drohen der Markt infiziert und Krisensymptome durch Preis- und Mengenanpassungen verstärkt zu werden.

Finanzmarktstabilität im weiteren Sinn schließt - über die Betrachtung von Angebots- und Nachfrageplänen auf einzelnen Märkten hinaus - die Akteure und die friktionsfreie Erfüllung ihrer Aufgaben ein. So kann in der Fähigkeit der Finanzmärkte, jederzeit die Kreditversorgung der Finanzintermediäre und damit der Realwirtschaft zu gewährleisten, ein Kriterium für die Stabilität der Finanzmärkte gesehen werden. Die Preisbildung am Pfandbriefmarkt unterliegt vergleichsweise geringen Schwankungen. Dieser Markt bietet Kreditinstituten jederzeit - sogar in Zeiten erhöhter Nervosität an den Kreditmärkten - Zugang zu frischem Kapital, ohne dass Investoren eine bedeutende "Zitterprämie" verlangen. Deshalb kann der Pfandbriefmarkt in Anlehnung an die Funktion von Zentralbanken als "lender of last resort" mit Fug und Recht als "market of last resort" oder "Markt der letzten Instanz" bezeichnet werden. So konnten die Pfandbriefbanken im August 2007, dem ersten vollen Monat nach Überschwappen der Vertrauenskrise an den Euro-Kapitalmarkt, Pfandbriefe im Wert von 10,7 Milliarden Euro und im September in Höhe von 12,5 Milliarden Euro absetzen, ohne dass ein Jumbo-Pfandbrief emittiert worden ist.

Markt der letzten Instanz

Andere Absatzkanäle waren im Fall des Marktes für MBS verstopft oder im Fall unbesicherter Bankschuldverschreibungen nur zu erheblichen Renditeaufschlägen zugänglich. Das stabilisierende Moment des Pfandbriefmarktes als "Markt der letzten Instanz" liegt darin, dass die Emittenten sich auch in akuten Vertrauenskrisen auf die jederzeitige Refinanzierung über den Pfandbriefmarkt verlassen können. Das deckungsfähige Geschäft der Pfandbriefbanken unterliegt insoweit keiner Restriktion hinsichtlich der Kapitalbeschaffung. So können sie auch in Krisenzeiten ihrer gesamtwirtschaftlichen Funktion als Intermediäre zwischen Realwirtschaft und Finanzsektor nachkommen. Der Pfandbrief unterstützt daher im Fall einer Vertrauenskrise insbesondere die Bankenaufsicht bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und erübrigt eine andernfalls erforderliche erhöhte Liquiditätszufuhr durch die Zentralbank weitgehend. Was steckt dahinter?

Kreditqualität, Transparenz und Liquidität haben großen Einfluss auf die Stetigkeit der Preisbildung und damit auf die Stabilität des Pfandbriefmarktes. Das Pfandbriefgesetz (Pfand-BG) normiert besonders hohe Qualitätsstandards im Hinblick auf Pfandbriefe und ihre Deckungswerte. Während noch im Frühsommer 2007 bezweifelt wurde ob eine gesetzliche Emissionsbasis im Allgemeinen und das Pfandbriefgesetz im Besonderen einen relevanten Wert darstellt, bestreitet heute wohl kaum noch jemand, dass das Pfand-BG die Benchmark unter den Covered-Bond-Gesetzen darstellt und vertragsbasierten Modellen überlegen ist. Dies ist das Ergebnis permanenter Anstrengungen der Emittenten, den Pfandbrief den steigenden Sicherheitsanforderungen der Investoren und den Erkenntnissen über bestehende Risiken anzupassen. Getreu dem Motto "Nobody is perfect" muss und wird dieses Bemühen fortgesetzt werden.

Kreditprüfung und Transparenz

Der Pfandbrief ist - im Gegensatz zu MBS - ein sogenanntes "on-balance"-Refinanzierungsinstrument. Pfandbriefbanken bieten Kreditvergabe, Refinanzierung und Darlehensverwaltung überwiegend aus einer Hand an. Damit herrscht - anders als bei Verbriefungen - Transparenz bezüglich entsprechender Risiken und ihrer "Halter". Die Länge der Wertschöpfungskette bildet für Pfandbriefbanken deshalb einen Anreiz, in ihrem Kreditgeschäft eher konservative Standards einzuhalten. Weil sie im Falle zum Beispiel der Festzinshypothek des Vorzugsprodukts der deutschen Häuslebauer - eine langjährige Partnerschaft eingehen, möchten die Pfandbriefbanken ihre Kreditkunden genau kennenlernen.

Die vom Pfandbriefgesetz vorgeschriebene quartalsweise Veröffentlichung von Kennzahlen der Deckungsmassen und der ausstehenden Pfandbriefe versetzt Investoren in die Lage, sich ein eigenes Bild von der Qualität der Deckungswerte - auch im Zeitablauf - zu machen und diese zu bewerten. Der unterjährige Ausweis der Kennzahlen, die der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) aggregiert und in Auszügen veröffentlicht, entfaltet dabei auch eine disziplinierende Wirkung im Hinblick auf die Qualität des laufend generierten Deckungsgeschäfts.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Pfandbriefs ist das Market Making System, mit dem die Market Maker Liquidität am Markt für großvolumige Jumbo-Pfandbriefe zur Verfügung stellen. Die für die Emission eines Jumbo-Pfandbriefs verantwortlichen Konsortialbanken verpflichten sich im Übernahmevertrag gegenüber einem Emittenten zum Market Making in diesem Papier. Durch die Verpflichtung der Market Maker, ebenso wie gegenüber Investoren auch untereinander Geld- und Brief-Kurse in engen Spannen zu stellen, ist die Aufnahmefähigkeit des Jumbo-Pfandbriefmarktes insbesondere für größere Abschnitte gewährleistet. Das ist insbeson-dere für handelsorientierte Investoren entscheidend für die Antwort auf die Frage "long oder short?".

Auch dank der jahrelangen Marketinganstrengungen der Pfandbriefemittenten und ihres Verbandes ist es gelungen, den Pfandbrief über die Grenzen Deutschlands hinaus als besonders solides und liquides Investment bekannt zu machen. Gerade in schwierigen Zeiten stehen die Pfandbriefbanken und der vdp auf internationalen Roadshows Rede und Antwort und helfen, Produktkenntnis und Verständnis für besondere Marktlagen international zu verbreitern und zu vertiefen.

In Krisenzeiten waren und sind es vor allem die heimischen institutionellen Investoren mit langlaufenden Verbindlichkeiten, die am Primärmarkt nachfragen und kontinuierlich Pfandbriefe - insbesondere Namenspfandbriefe - in ihre Portfolios nehmen.

Neben den Wertpapiermärkten müssen insbesondere auch Immobilienmärkte zu den Finanz- oder Vermögensmärkten gerechnet werden. Die langen durchschnittlichen Laufzeiten, zu denen Pfandbriefemissionen abgesetzt werden, ermöglichen es den Pfandbriefbanken, langjährige Festzinsfinanzierungen auszugeben, ohne nennenswerte Zinsrisiken in ihre Bücher zu nehmen.

Der Hypothekarkredit zu festen Konditionen ist eine Säule der deutschen Langfristkultur: Erstens verschafft der Festzinskredit den Darlehensnehmern Planungssicherheit hinsichtlich ihrer Belastung aus Zins- und Tilgungszahlungen. Insofern sind Festzinsnehmer vor bösen Überraschungen, die sich aus einem Anstieg des allgemeinen Zinsniveaus andernfalls ergeben könnten, geschützt. Konkret verhindert das Festzinssystem, dass steigende Kapitalmarktzinsen Häuslebauer überfordern und Sicherheiten in fallenden Märkten verwertet werden müssen, wie es derzeit in den USA oder sogar in Großbritannien droht. Das Festzinssystem dämpft insofern - zweitens - auch die Preisschwankungen am Immobilienmarkt, indem Hauspreistrends nicht zusätzlich durch zinsinduzierte Einkommenseffekte der Haushalte verstärkt werden.

Der Pfandbrief ist ein von institutionellen Investoren stets gesuchtes und international häufig kopiertes Refinanzierungsinstrument. Seine Vorzüge werden in einer Vertrauenskrise offensichtlich. So haben sich Pfandbriefe aufgrund ihrer besonderen Kreditqualität und hohen Liquidität als weitgehend immun und ähnlich den Märkten für Staatsanleihen als "sicherer Hafen" und stabilisierendes Element erwiesen. Denn in Krisenzeiten schlafen Pfandbriefanleger besser als andere Anleger. Pfandbriefe erlauben zugleich Emittenten auch dann Zugang zu vergleichsweise günstigen Refinanzierungsmitteln, wenn andere Märkte entweder ausgetrocknet sind oder außergewöhnlich hohe "Zitterprämien" verlangt werden.

Stabilisierende Wirkung

Der jederzeitige Zugang zu Liquidität bewirkt, dass Pfandbriefbanken ihrer Finanzierungsaufgabe auch in volatilen Zeiten nachkommen können und eine Kreditkrise nicht zur Kreditklemme wird, die die Realwirtschaft beeinträchtigt. Aufgrund seiner stabilisierenden Wirkung und seiner Funktion als "Markt der letzten Instanz" unterstützt der Pfandbriefmarkt die Bankenaufsicht daher bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. National und international stehen die Chancen für den Pfandbriefmarkt beziehungsweise den Markt für pfandbriefähnliche Produkte, Covered Bonds, gut, dass sich die große Dynamik der vergangenen Jahre angesichts der Erfahrungen aus der Subprime-Krise mittelfristig fortsetzen wird.

Die derzeitige Wirkung von MBS auf Investoren wurde an anderer Stelle metaphorisch mit "radioaktiv" umschrieben. Um in diesem Bild zu bleiben: Pfandbriefe strahlen nicht, sondern bewahren den Finanzmarkt und die Realwirtschaft vor Strahlungsschäden, weil sie ähnlich wie Blei vor Röntgenstrahlen schützen!

Noch keine Bewertungen vorhanden


X