Aufsätze

Bankeninfrastruktur - die kostenlose Ressource für Dritte

Das Internet hat in den letzten Jahren einen regelrechten Siegeszug in Europa angetreten. Der Anteil der Internetnutzer ist seit der Jahrtausendwende kontinuierlich angestiegen, wobei aktuell bereits mehr als 80 Prozent der Europäer online sind. Im Zuge der wachsenden Bedeutung des Internets hat auch der E-Commerce deutlich an Relevanz zulegen können. In einigen Ländern Europas kaufen bereits mehr als 50 Prozent der Bürger im Internet ein. Aktuelle Schätzungen gehen in diesem Zusammenhang von einem Umsatzvolumen von 250 Milliarden Euro pro Jahr aus. Am deutschen Markt belief sich der Umsatz dabei in 2012 bereits auf rund 40 Milliarden Euro.

Neben dem Einkauf konnte sich auch die Regelung finanzieller Angelegenheiten als Online-Angebot etablieren. So nutzen gegenwärtig bereits 48 Prozent der Europäer Onlinebanking. Zudem haben Internet-Zahlungsanbieter, wie beispielsweise Paypal, in den letzten Jahren an Bedeutung gewinnen können. Diese Anbieter ermöglichen den Kunden die Bezahlung in Onlineshops und sind dadurch Teil des dynamischen Wachstums des E-Commerce-Marktes.

Veränderung der Marktstrukturen

Die Prozesse und insbesondere auch die Wertschöpfungsketten im Internet-Zahlungsverkehr unterscheiden sich deutlich von kartenbasierten Verfahren, wie sie beispielsweise für das Bezahlen im stationären Handel etabliert sind. Für die Durchführung der Zahlungsvorgänge und die Abwicklung der Zahlungen zwischen dem Shop und dem Kunden sind zahlreiche verschiedene Marktteilnehmer eingebunden. Eine Reihe dieser Unternehmen hat keinen kreditwirtschaftlichen Hintergrund, was jedoch keineswegs eine Entlastung der etablierten, kreditwirtschaftlichen Marktteilnehmer im Zahlungsverkehr zur Folge hat. Vielmehr machen sich die über die neuen Marktteilnehmer initiierten Zahlungen deutlich in der über Jahre und Jahrzehnte entwickelten Zahlungsverkehrsinfrastruktur bemerkbar. Denn die Wertschöpfungstiefe der Internet-Zahlungsanbieter deckt die Abwicklung der Zahlungen über die Girokonten und andere Abwicklungsleistungen nicht ab (siehe Abbildung 1).

So ist der Payment Service Provider für die Anbindung unterschiedlicher Internet-Zahlungssysteme zum Onlineshop sowie die Weiterleitung der Zahlungsdaten verantwortlich. Die eigentlichen Internet-Zahlungsanbieter stellen lediglich Systeme bereit, um online bezahlen zu können. Diese bauen in der Regel entweder auf Überweisungen, wie beispielsweise bei Giropay, sofortüberweisung.de oder auch I-Deal, oder aber Lastschriften, wie bei Paypal, auf. Die eigentliche Abwicklung der Zahlungen in Form der Lastschrift sowie der Überweisung findet dadurch nach wie vor über die kreditwirtschaftliche Infrastruktur statt.

Diese Thematik hat dabei nicht nur für den Bereich des Internet-Zahlungsverkehrs Gültigkeit. Auch für Kontoinformationsdienste, wie Outbank et cetera, stellt der Zugang zur etablierten Zahlungsverkehrsinfrastruktur einen zentralen Baustein des Geschäftsmodells dar. Denn ohne eine Möglichkeit zur standardisierten Abfrage der Kontoinformationen wäre es entsprechenden Dienstleistern nicht möglich, ein für den Kunden interessantes Angebot zu gestalten.

Banken als "Rückgrat" des Zahlungsverkehrs

Einen wesentlichen Treiber für die rasche Etablierung neuer Marktteilnehmer innerhalb der letzten Jahre stellen die attraktiven Rahmenbedingungen dar. Denn einerseits handelt es sich beim Internet-Zahlungsverkehr um ein schnell wachsendes Geschäftsfeld mit attraktiven Margen und guten Zukunftsprognosen, und andererseits sind die Markteintrittsbarrieren im Vergleich zum stationären Zahlungsverkehr vergleichsweise gering. Dies hatte zur Folge, dass sich innerhalb Europas unterschiedliche Anbieter am Markt zu etablieren versuchten, was einigen auch erfolgreich möglich war. Dennoch unterscheiden sich die Strukturen in den verschiedenen Ländern deutlich (siehe Abbildung 2).

Ungeachtet der Tatsache der national unterschiedlichen Marktstrukturen ist es nahezu allen europäischen Ländern gemein, dass der Anteil von Internet-Zahlungsanbietern an den gesamten Zahlungen im E-Commerce deutlich angestiegen ist. Die Zunahme der Marktanteile der Internet-Zahlungsanbieter erfolgte häufig zulasten klassischer Kreditkartenzahlungen oder auch Überweisungen. In einigen europäischen Ländern, wie beispielsweise Deutschland oder Frankreich, haben diese Anbieter bereits Marktanteile von über 25 Prozent gewinnen können. Dadurch handelt es sich bei Internet-Zahlungsanbietern keineswegs mehr um ein reines Nischenphänomen. Vielmehr gehen aktuelle Prognosen davon aus, dass die Marktanteile dieser Anbieter innerhalb der nächsten Jahre noch weiter steigen werden.

Die Geschäftsmodelle der neuen Anbieter sind oftmals äußerst profitabel. So legen aktuelle Prognosen nahe, dass der Anteil der Internet-Zahlungsanbieter an den Gesamtzahlungsverkehrserlösen in Europa bis 2020 auf mehr als ein Drittel ansteigt. Dies entspricht Erlösen in Höhe von 20 Milliarden Euro. Der Zugang zur bestehenden Infrastruktur durch Drittanbieter ist und bleibt in diesem Zusammenhang ein essenzieller Bestandteil aller Geschäftsmodelle.

Handlungsbedarf: kein einheitlicher regulatorischer Rahmen

Der Zugang Dritter zur Zahlungsverkehrsinfrastruktur kann sich jedoch als problematisch erweisen. Denn bisher fehlt es in Europa an einheitlichen regulatorischen Vorgaben zur Definition von klaren Rahmenbedingungen. So hat sich beispielsweise in Deutschland für den tiefgreifenden Infrastrukturzugang überweisungsbasierter Verfahren sowie Kontoinformationsdiensten eine vergleichsweise liberale Zulassungspraxis etabliert. In Frankreich oder Polen ist der Zugang von Drittanbietern zur kreditwirtschaftlichen Systeminfrastruktur dagegen ausgeschlossen beziehungsweise an sehr strenge Kriterien gekoppelt. Die Relevanz der Reglementierung dieses Systemzugangs wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die entsprechenden Dienste die Möglichkeit haben, mittels der persönlichen Autorisierungsdaten der Kunden, auf die Onlinebanking-Infrastruktur der Banken zuzugreifen. Dies kann eine Reihe von Risiken bedingen. So bestehen im Anschluss an eine erfolgreiche Autorisierung zum System theoretisch große Missbrauchsmöglichkeiten durch betrügerische Aktivitäten. Da Internet-Zahlungsanbieter aktuell in vielen Ländern Europas weniger streng reguliert werden und in Haftungs- und Sicherheitsfragen oftmals auch nicht die Standards der Kreditwirtschaft erfüllen können, besteht somit die Gefahr, dass externe Risiken auf das System zunehmen.

Um diese Risiken zu begrenzen, wurden in der Payment Service Directive II bereits eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen. Unter Berücksichtigung der zentralen Anforderungen aus Kundensicht stehen dabei vor allem die Wahrung der Sicherheit des Zahlungsverkehrs, die Sicherstellung einer soliden Ausgangsbasis, welche Vertrauen in das Finanzsystem gewährleistet, sowie die Gewährleistung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung im Vordergrund. Aus Wettbewerbssicht liegt der Fokus dagegen auf der Vermeidung einer systematischen Subventionierung oder Benachteiligung einzelner Marktteilnehmer, der Sicherung eines Umfeldes, welches ausreichenden Wettbewerb und Innovationen gewährleistet sowie dem Abbau und der Vermeidung von systemischen Risiken innerhalb des Zahlungsverkehrssystems. Da rüber hinaus besteht jedoch auch in einigen weiteren Teilbereichen noch zusätzlicher Anpassungsbedarf.

Hinsichtlich der Weiterentwicklung der Rahmenbedingen ist es jedoch von zentraler Bedeutung, sich die Ausgangspositionen, aber auch die Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Marktteilnehmer, vor Augen zu führen. Hierbei kommt insbesondere einem angemessenen Verbraucherschutz eine wichtige Rolle zu. So muss bei jedem regulatorischen Eingriff in diesem Bereich berücksichtigt werden, dass die Kunden sich der tatsächlichen Strukturen und Rahmenbedingungen im Internet-Zahlungsverkehr nicht wirklich bewusst sind.

Wie die Ergebnisse der Umfrage bei 2000 Personen in Europa zeigen, werden Sicherheit und Datenschutz zwar von nahezu allen Befragten als für Zahlungen im Internet wesentliche Faktoren bezeichnet. Das tatsächliche Nutzungsverhalten lässt jedoch darauf schließen, dass die Nutzer bei der Verwendung von Internet-Zahldiensten nicht ausreichend über die tatsächliche Situation informiert sind.

Dies wird exemplarisch an der Bereitschaft deutlich, PIN und TAN bei anderen Anbietern als der Hausbank einzugeben. So ist die Bereitschaft zur Eingabe von PIN und TAN bei anderen Anbietern als der Hausbank zwar an sich gering, jedoch zeigt das tatsächliche Nutzungsverhalten die breite Akzeptanz entsprechender Angebote. Der entscheidende Grund für die Diskrepanz zwischen der eigenen Einstellung und dem tatsächlichen Handeln liegt darin, dass entsprechende Angebote oft fälschlicherweise als der eigenen Bank zugehörig erachtet werden. Denn knapp 50 Prozent der Nutzer überweisungsbasierter Internet-Zahlverfahren wären nicht dazu bereit, ihre Daten außerhalb der eigenen Bank einzugeben (siehe Abbildung 3).

Unwissenheit in Sicherheitsfragen

Auch bei einer Reihe weiterer wichtiger Rahmenbedingungen herrschen bei den Konsumenten vielfach ein geringer Wissensstand beziehungsweise Fehleinschätzungen vor. Beispielsweise gehen in Europa knapp 35 Prozent der über 18-Jährigen davon aus, dass bei der Nutzung von Internet-Zahldiensten grundsätzlich alle Transaktionen, egal ob sie über einen Internet-Zahlungsanbieter ausgelöst werden oder nicht, von der Hausbank auf Richtigkeit geprüft werden. Zudem vertreten über 35 Prozent den Standpunkt, dass alle Internet-Zahlungsanbieter Verträge mit der eigenen Hausbank geschlossen haben, in welchen die wesentlichen Rahmenbedingungen festgelegt werden.

Darüber hinaus ist mehr als jeder Dritte Europäer der Ansicht, dass Internet-Zahlungsanbieter einer ebenso strengen Aufsicht durch staatliche Stellen unterliegen wie die eigene Hausbank. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Fehleinschätzungen bezüglich der tatsächlichen Rahmenbedingungen bei Nutzern von Internet-Zahlverfahren noch aus geprägter sind als bei Nicht-Nutzern. So sorgt die Verwendung von Internet-Zahlungsanbietern, anders als im ersten Moment anzunehmen, nicht für eine Aufklärung bei den Konsumenten. Vielmehr verstärkt die Nutzung ein sub jektives Sicherheitsverständnis, welches jedoch nicht durch die tatsächlichen Rahmenbedingungen gerechtfertigt wird. Denn wären den Nutzern der Internet-Zahlverfahren die tatsächlichen Rahmenbedingungen bekannt, würde die Nutzungsbereitschaft entsprechender Dienste deutlich abnehmen (siehe Abbildung 4).

Abfrage persönlicher Bankdaten

So gaben mehr als 65 Prozent der europäischen Nutzer an, dass sie nicht bereit wären, auf Internet-Zahlungsanbieter zurückzugreifen, sofern diese einer weniger strengen Regulierung als Banken unterliegen. Wäre den Konsumenten gegenwärtig bereits bewusst, dass die Internet-Zahlungsanbieter weder Verträge mit der jeweiligen Hausbank geschlossen haben noch die eigene Bank die Transaktionen nochmals prüft, würden mehr als 50 Prozent auf eine Nutzung entsprechender Dienste verzichten.

Darüber hinaus bestehen auch hinsichtlich der Thematik der von den Internet-Zahlungsdiensten eingesehenen Kundendaten eine Reihe von Unklarheiten. So gehen nur etwa 20 Prozent der Befragten davon aus, dass bei einer Transaktion Abfragen persönlicher Bankdaten, welche über die konkrete Transaktion hinausgehen, stattfinden. Die überwiegende Anzahl der Teilnehmer ist der Ansicht, dass in erster Linie Name, Bankleitzahl, Kontonummer, Verwendungszweck und Betrag eingesehen werden. Rund die Hälfte der Europäer kann sich nicht vorstellen, dass die Höhe des Dispolimits sowie die Kontoumsätze der letzten 30 Tage Teil einer Abfrage sein könnten. Diese Einschätzung spiegelt jedoch nicht die praktische Situation wider. So kann es je nach Anbieter der Fall sein, dass bei einer einzigen Transaktion deutlich mehr als zehn unterschiedliche Kontoinformationen eingesehen werden.

Keine generelle Sorglosigkeit der Nutzer

Die Unwissenheit in Detailfragen kann jedoch nicht mit einer generellen Sorglosigkeit der Verbraucher beim Bezahlen im Internet gleichgesetzt werden. Denn die Nutzer sind sich der Risiken im Internet durchaus bewusst. So schätzen 25 Prozent der Europäer das Risiko im Internet Opfer eines Betrugs zu werden als hoch ein. In diesem Zusammenhang werden speziell Internet-Zahlungsanbieter als potenzielle Gefahrenquellen angesehen. Diesem Risikobewusstsein zum Trotz ist die Mehrheit der Nutzer von Internet-Zahlungsanbietern jedoch gleichzeitig der Ansicht, dass die eigene Hausbank dafür haftet, wenn bei einem Betrugsfall Geld vom Konto "verloren geht". Insbesondere die Nutzer von Internet-Zahlungsanbietern vertreten dabei überdurchschnittlich häufig diesen Standpunkt.

In der Aggregation der Ergebnisse der Umfrage kann deshalb darauf geschlossen werden, dass die Bürger zunehmend Probleme haben, sich einen Überblick über die Anbieter zu verschaffen. Aus Sicht der Konsumenten verschwimmen die Grenzen zwischen Hausbank und Internet-Zahlungsanbietern zunehmend. Zudem ist die Wahrung des Sicherheitsbewusstseins der Kunden gefährdet. Denn die Konsumenten sind mehr und mehr dazu angehalten, ihre PIN und TAN außerhalb des Onlinebankings der Hausbank (wenn auch unwissentlich) zu nutzen. Darüber hinaus werden seitens der Internet-Zahlungsanbieter teilweise weit mehr sensible Kundendaten abgefragt, als die Konsumenten selbst annehmen und wahrscheinlich auch befürworten würden.

All dies hat zur Folge, dass das Verursacherprinzip in der Haftung aus Kundensicht oftmals aufgehoben ist. Der Kunde sieht in vielen Fällen die Bank in der Haftung, obwohl diese nicht für das Angebot verantwortlich ist. Dies ist speziell vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass die Achtsamkeit der Kunden bei der Verwendung ihrer PIN und TAN aufgrund der aus Kundensicht nicht nachvollziehbaren Marktstrukturen, langfristig abnimmt und die Risiken dadurch zunehmen können. So ist es offensichtlich für Konsumenten schwierig, vertrauenswürdige von betrügerischen Seiten beziehungsweise Anbietern zu unterscheiden, was einen deutlichen Anstieg der Schadensfälle zur Folge haben kann. Denn wenn die sensiblen Kundendaten außerhalb des Onlinebankings der Hausbank genutzt werden, bedeutet dies, dass sich der Zahlungsverkehr zunehmend in einen aktuell noch wenig regulierten Raum verschiebt.

Marktsituation nur unzureichend berücksichtigt

Ebenso wie die Kunden Probleme haben, mit den Entwicklungen im Internet-Zahlungsverkehr Schritt zu halten, sind auch die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen hinter der Marktentwicklung zurückgeblieben. Um den ordnungspolitischen Rahmen adäquat weiterentwickeln zu können, stehen einige wesentliche Anforderungen im Mittelpunkt. Zum einen ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit des wirtschaftlichen Wettbewerbs von entscheidender Bedeutung. Zum anderen sollten die Förderung der Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs, die Gewährleistung einer fairen Eigentumsordnung sowie die Schaffung eines korrekten Rahmens für das Vertrags- und Haftungsrecht (Stärkung des Bewusstseins der Verbraucher, mit wem Verträge eingegangen werden) gewährleistet werden. Generell ist die Förderung und Erhaltung der Sicherheit des Zahlungsverkehrs hierbei essenziell.

Der Vergleich der aktuellen Rahmenbedingungen mit der Zielstruktur legt eine Reihe von Handlungsfeldern offen. So ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit des wirtschaftlichen Wettbewerbs aktuell auf europäischer Ebene nicht ausreichend gewährleistet. Denn länderspezifisch werden entweder bestimmte Anbieter systematisch diskriminiert (beispielsweise Frankreich) oder aber durch die Möglichkeit der kostenlosen, unbeschränkten Nutzung fremder Infrastruktur bevorteilt (beispielsweise Deutschland). Auch dem Wunsch der Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs wird nicht adäquat Rechnung getragen. Je nach länderspezifischem Regulierungsregime wird eine Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs, aufgrund der Anreizstrukturen und Verbote entweder durch die Kreditwirtschaft oder durch spezialisierte neue Anbieter getrieben. Dabei erfolgt jedoch kein angemessener Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Parteien.

Auch die Gewährleistung einer fairen Eigentumsordnung wird infrage gestellt. Denn das Verfügungsrecht über wirtschaftliche Güter - in diesem Fall die privatwirtschaftlich entwickelte und betriebene Zahlungsverkehrsinfrastruktur - wird öffentlich gemacht. Dies hat zur Folge, dass Situationen eintreten können, in denen ein eigentlich schonender Umgang mit der eigenen Infrastruktur, ohne eigene Kontrollmöglichkeiten, durch Dritte gefährdet wird. Weitere Fehlsteuerungen werden auch in Fragen des Vertrags- und Haftungsrechts offensichtlich. So nehmen Haftungsfragen zunehmend vom Verursacherprinzip Abstand.

Insgesamt stellt die Situation die - eigentlich von allen Parteien anzustrebende - Förderung der Sicherheit und Funktionsweise des Zahlungsverkehrs infrage. Die so wesentliche Systemintegrität wird durch uneinheitliche Regulierung der Marktteilnehmer und fehlende Verträge und Standards zwischen Infrastrukturbetreibern/-eigentümern und Nutzern gefährdet.

Ansätze aus anderen Branchen

Um dem Ziel einer im Sinne aller Marktteilnehmer und speziell auch der Konsumenten zufriedenstellenden Lösung zur Regulierung des Internet-Zahlungsverkehrs gerecht zu werden, liefern andere Branchen eine Reihe interessanter Ansätze (siehe Abbildung 5). In der Energieversorgung, Telekommunikation und im Verkehrssektor sind bereits Modelle zur Regulierung der Nutzung einer bestehenden Infrastruktur durch Dritte etabliert. Diese haben weder eine Beschränkung des Wettbewerbs noch eine Benachteiligung einzelner Parteien zur Folge. Trotz der Vergleichbarkeit der Ausgangssituation der Regulierungsansätze, bezüglich der Infrastrukturnutzung durch Dritte, ist eine direkte Übertragung der Ansätze auf den Zahlungsverkehr allerdings nicht möglich. Denn jegliche Regulierung muss die Besonderheiten des Zahlungsverkehrs berücksichtigen. So sind die für alle Teilnehmer entstehenden (ökonomischen) Gefahren für die gesamte Systemsicherheit bei der Finanzinfrastruktur und im Speziellen dem Zahlungsverkehr größer als in zahlreichen anderen Branchen (Abbildung 6).

Neben dem ökonomisch großen Risiko in der Finanzbranche sind auch eine Reihe anderer Faktoren für Regulierungsansätze im Zahlungsverkehr relevant. Zum einen ist die Systeminfrastruktur dezentral, es gibt nicht ein System und einen Zugang (zum Beispiel über ein Rechenzentrum). Zum anderen ist der Zugang zum System das wesentliche Sicherheitskriterium. Denn innerhalb des Systems gibt es nachträglich nur wenige Kontrollmöglichkeiten. Darüber hinaus bleiben Erweiterungen im Kreise der Zugriffsberechtigten nur ohne negative Konsequenzen, solange neue Teilnehmer die adäquaten Sicherheitsstandards erfüllen. Hierbei ist es wesentlich, dass auch bei "Streitfällen" den etablierten Anbietern angemessene Standards erfüllt werden. Denn eine Kompromittierung der Systemsicherheit ist kein singuläres, klar einzugrenzendes Ereignis, wie beispielsweise ein Schaden an einer Schiene. Vielmehr sind alle Teilnehmer, unabhängig vom tatsächlichen Verursacher, durch höhere Fraud Rates, sinkendes Vertrauen et cetera negativ betroffen.

Abgestufte Zulassungsverfahren erscheinen sinnvoll

Dem Ziel einer möglichst adäquaten Regulierung folgend, ist daher ein abgestuftes Prüf- und Zulassungsverfahren sinnvoll. In einem ersten Schritt entscheidet eine "Prüfstelle", welche Internet-Zahlungsdienstleister die formalen regulatorischen Anforderungen zur Nutzung der Zahlungsverkehrsinfrastruktur der Banken erfüllen. Die Prüfstelle kann dabei entweder ein staatliches oder aber ein unabhängiges privatwirtschaftliches Unternehmen sein. In einem zweiten Schritt wird die laufende Systemintegrität durch privatwirtschaftliche Verträge zwischen den Infrastruktureigentümern und den autorisierten Internet-Zahlungsdienstleistern sichergestellt. Die Verträge regeln die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien.

Darüber hinaus bestehen für weitere ordnungspolitische Fragestellungen Lösungsmöglichkeiten, welche allen Marktteilnehmern gerecht werden. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des wirtschaftlichen Wettbewerbs wurden mit der PSD II bereits einige wichtige Schritte zur Vereinheitlichung des europäischen Rechtsrahmens eingeleitet. Die endgültige Gesetzesfassung sollte jedoch, im Bereich der Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer, weiter verbessert werden, denn diese ist für eine Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs entscheidend. In diesem Zusammenhang sollten für Internet-Zahlungsanbieter konsequent Möglichkeiten für einen Systemzugang geschaffen werden. Dieser muss jedoch, zur Wahrung der Systemintegrität, an die Erfüllung der Anforderungen der staatlichen Stellen sowie der privatwirtschaftlichen Systemeigentümer gekoppelt sein.

Um eine faire Eigentumsordnung zu gewährleisten, müssen die Eigentumsverhältnisse innerhalb der Zahlungsverkehrsinfrastruktur berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass dem Systemeigentümer eine Möglichkeit eingeräumt wird, Entgelte für die Bereitstellung der erforderlichen Schnittstellen zu erheben und verbindliche Regeln für den Zugang zu den Kontoinformationen sowie der Initiierung und Abwicklung von Zahlungen zu gestalten. Zudem sollte keine Kontraktionspflicht zwischen den privatwirtschaftlichen Unternehmen bestehen, wobei jedoch auf die Vermeidung von nicht sachgerechten Ablehnungsmöglichkeiten zur Beschränkung des Wettbewerbs zu achten ist. Die Nutzung der Infrastruktur und der damit entstehende Aufwand sollten durch ein Entgelt abgegolten werden. Dieses kann entweder marktadäquat zwischen den Parteien verhandelt werden (marktwirtschaftlich präferierte Lösung), oder aber es erfolgt eine Vergütung auf Basis eines multilateralen Interbankenentgelts (MIF). Sofern diese Anforderungen erfüllt werden, hat dies zur Folge, dass Sicherheit und Innovationen gefördert werden und alle Parteien ein Interesse an der Weiterentwicklung der Angebote haben.

Rückkehr zum Verursacherprinzip

Zur Beantwortung der relevanten Vertragsund Haftungsfragen bedarf es ebenfalls an Verträgen zwischen den unterschiedlichen Marktteilnehmern. Diese bieten die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen für die Identifikation der Systemteilnehmer innerhalb des Systems festzulegen. Gerade die Bedeutung der Identifikation ist dabei nicht zu unterschätzen, denn diese lässt eine Rückkehr zum Verursacherprinzip zu, weil Schäden dann - anders als heute - den tatsächlichen Verursachern zugerechnet werden können.

Sofern diese Anforderungen erfüllt werden, ist es möglich, das zentrale Ziel der Förderung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit und Sicherheit des Zahlungsverkehrssystems zu erreichen. Durch die Schaffung entsprechender ordnungspolitischer Rahmenbedingungen kann der Zahlungsverkehr auch zukünftig einen wichtigen Innovations- und Wachstumstreiber darstellen. Darüber hinaus wird das Risiko, dass die Kunden das Vertrauen in den Zahlungsverkehr und langfristig vielleicht auch das Finanzsystem verlieren, minimiert.

Anmerkung: Der Artikel basiert auf der Studie "Nutzung der Bankeninfrastruktur durch Dritte: Das Konto als Basis für Dienstleistungen", des Center for Payment Studies der Steinbeis-Hochschule Berlin. Die Studie basiert auf einer Befragung von 2 000 Personen in Deutschland, Belgien, Frankreich und den Niederlanden sowie Experteninterviews und Sekundärdaten.

Jens Kleine , Professur für Bankmanagement und Finanzwirtschaft , Hochschule München
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