Gespräch des Tages

Bankenaufsicht - Sorge um Regulierungsarbitrage

Es ist gewiss nicht das zentrale Anliegen ihrer öffentlichen Bekundungen, aber Sabine Lautenschläger (siehe ZfgK 8-2013) und Elke König warnen immer wieder vor unerwünschten Neben- oder gar Wechselwirkungen der vielen Regulierungsinitiativen. Das zeigte sich auch Ende Mai in nahezu zeitgleich gehaltenen Reden der Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank beim Symposium Bankenaufsicht im Dialog und der Präsidentin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bei der Pressekonferenz und der Vorstellung des aktuellen BaFin-Jahresberichtes 2012. Auch wenn in den Medien zuletzt gewisse Meinungsverschiedenheiten der Bundesbank und der BaFin beim Vertretungsanspruch der deutschen Aufsicht in den Gremien der neuen EZB-Aufsicht artikuliert worden sind, haben die beiden ranghöchsten Vertreterinnen der deutschen Bankenaufsicht Ende Mai vergleichsweise offene und harte Kritik an der Aufsichtspraxis in den USA geübt. Zwar lassen beide keinen Zweifel daran, in den vergangenen Jahren schon viel erreicht zu haben, und hier wie dort klingt große Sympathie für eine globale Umsetzung von Basel III an. Doch genau an dieser Stelle lassen sie zumindest Restzweifel heraushören oder herauslesen, ob es insbesondere den USA mit einer rechtlich konsistenten Implementierung der international vereinbarten Regeln wirklich ernst meint. Während die Vizepräsidentin der Bundesbank bei den regelmäßigen Umsetzungskontrollen des Baseler Ausschusses in dessen Arbeit zur Aufdeckung nationaler Defizite bei der Implementierung sowie der Aufklärung der Öffentlichkeit im Rahmen des sogenannten "name and shame"-Ansatzes vertraut, klingt die BaFin-Präsidentin weniger optimistisch.

Sie warnt vielmehr generell vor sichtbaren Anzeichen einer Renationalisierung der Aufsicht. Mit den Artikeln 165 f. des Dodd-Frank-Act, so ihr Vorwurf in Richtung Washington, ziehen die USA nicht mehr mit den im Baseler Ausschuss versammelten Aufsichtsbehörden und Zentralbanken der anderen wichtigen Industriestaaten an einem Strang, sondern wenden sich klar von den G20-Beschlüssen des berühmten Pittsburgh-Gipfels ab. Als falschen Weg kritisiert sie zudem die erkennbare Neigung der US-Aufseher, andere Aufsichtssysteme nicht als gleichwertig anzuerkennen. Genau an dieser Stelle wird Sabine Lautenschläger konkreter. Ganz gezielt prangert sie die US-Vorschläge an, die aufsichtlichen Anforderungen an ausländische Bankengruppen zu erhöhen. Diesen US-Töchtern soll demnach ein höheres Kapital- und Liquiditätspolster verordnet werden, um mögliche Schwierigkeiten der Muttergesellschaften abzudecken. Durch solche "Renationalisierungstendenzen" hält die oberste Aufseherin der Bundesbank die anstehenden Aufgaben zur grenzüberschreitenden Abwicklung global aktiver Institute für unnötig erschwert.

Ob dieses gewollte oder zufällige Zusammenspiel der beiden Aufseherinnen etwas hilft, bleibt allerdings fraglich. Denn es sind nicht nur die unterschiedlichen Interessen zwischen Europa und den USA, die ein Level Playing Field erschweren, sondern auch die Differenzen zwischen den europäischen Ländern bis hinein in die Kreditwirtschaft und die Politik. Und dabei ist die Sorge vor unerwünschten Nebenwirkungen einer Regulierungsarbitrage längst nicht nur auf Basel III beschränkt, sondern allein mit der Finanztransaktionssteuer, mit der AIFM-Richtlinie und EMIR eignen sich drei weitere Beispiele als Impulsgeber für neue globale Marktverwerfungen, die eigentlich vermieden werden sollten. Gerade die Regulierung der Over-the-Counter-Derivate im Dodd-Frank-Act tituliert die BaFin-Präsidentin als einen weiteren "ärgerlichen" Fall eines nationalen Alleingangs. Als solcher kann umgekehrt freilich auch der europäische Weg der Finanztransaktionssteuer empfunden werden.

So ist die noch so gut gemeinte globale Regulierung sichtbar dabei, selbst zu einem schwer kalkulierbaren Risiko zu werden. In der Finanzwirtschaft treten die wahren Folgewirkungen oft erst in der Umsetzungsphase richtig zutage, wie etwa die Berechnungen zu den finanziellen Belastungen durch die Finanztransaktionssteuer zeigen. Auch in Kreisen der Aufseher hat man diese Gefahr erkannt und nimmt sie offenbar ernst. Und die ersten Differenzierungsbemühungen im Verständnis von einer Regulierung mit Augenmaß gibt es zumindest hierzulande auch in der Politik. Mit Blick auf eine Profilierung im Bundestagswahlkampf haben die Regulierungsarbitrage und die unerwünschten Neben- und Wechselwirkungen der Regulierung aber wohl nur das Zeug für ein Randthema.

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