Gespräch des Tages

Bankenaufsicht - Basel II und kein Ende - USA als Unsicherheitsfaktor?

Prof.Dr.Jürgen Singer, Lehrstuhl Bankwesen, Universität Leipzig, schreibt der Redaktion: "Die deutschen Kreditinstitute beschäftigen sich seit mehreren Jahren intensiv mit Basel II und der institutsinternen Umsetzung. Nicht nur Teams aus verschiedenen Abteilungen befassten sich in lang dauernden Gremiensitzungen mit Basel II, in großem Umfang wurden externe Dienstleister (Beratungsunternehmen oder Software-Häuser) in die Umsetzung oder in die Entwicklung eines eigenen Ansatzes eingeschaltet. Basel II lässt sich salopp formuliert als hoch lukrative ABM der Beratungsbranche bezeichnen.

Das Basel-II-Konzept verfolgt lobenswerte Zielsetzungen: Das Adressenausfallrisiko soll genauer berücksichtigt werden, die Risikoprämie soll mehr als zuvor nach der Situation des Kreditnehmers berechnet werden, Quersubventionen sollen abgebaut werden, ein ruinöser Wettbewerb wie in der Vergangenheit erscheint vermeidbar, Bestandsrisiken sind zu vermindern. Letztlich sinkt auch die Wahrscheinlichkeit von Systemrisiken, wie sie beispielsweise durch die Finanzierung der japanischen Bubble Economy entstanden sind.

Ob diese angestrebte, risikoärmere Welt realisiert werden kann, ist aber zweifelhaft. Leider geben manche Indizien aus den Kreditabteilungen zu denken: a) Risikoprämien werden nicht in der erforderlichen Höhe eingefordert, da ansonsten Kreditgeschäfte verloren gehen, so die bereits vor Jahren geäußerte Befürchtung von Priewasser; b) Die Kreditstandards werden gesenkt, um eine bessere Wettbewerbsfähigkeit zu erlangen; c) Sicherheiten werden hoch eingestuft, um unter die Bagatellgrenze des §18 KWG zu fallen; d) Immobilien werden hoch bewertet, um eine niedrige Eigenkapitalbindung durch die Einstufung als Realkredit zu erreichen und e) Mitarbeiter kennen inzwischen die Ansatzpunkte der Ratingverfahren, um eine bessere Ratingeinstufung zu erhalten und damit die Rechtfertigung für das erforderliche Kreditvotum zu erreichen. Um ihre Zeitvorgaben zu erfüllen, werden die Ermessensspielräume ausgenutzt, denn ansonsten sind Bonus, Arbeitsplatz oder Karriereplanung gefährdet.

Die Ursachen für diese Entwicklung liegen in dem nachvollziehbaren Bestreben, Volumen zu erhalten und Erträge zu generieren. Manche Institute, die sich vor einigen Jahren aus dem Firmenkreditgeschäft "verabschiedet" hatten, kommen heute auf diesen Markt zurück und akquirieren über den Preis sowie über die Anforderungen an die Bonität. Der steigende Wettbewerb erzwingt dann das Abgehen von dem Basel-II-Konzept, will man nicht Kunden und Volumen an Wettbewerber verlieren.

Ob in den USA Basel II eingeführt wird, ist ohnehin fraglich. Erste Anzeichen für das Aufschieben sind bereits erkennbar, da große Institute inzwischen Einwände geltend machen und negative Folgen für ihre Wettbewerbsfähigkeit befürchten. Sollte in absehbarer Zeit die US-Konjunktur absinken, wofür die Indizien Immobilienblase, ausufernde Konsumentenverschuldung sowie Haushalts- und Handelsbilanzdefizit sprechen, dann dürften manche US-Banken in Schwierigkeiten kommen. Basel II würde, sollte es eingeführt und stringent umgesetzt werden, zu einem neuerlichen Credit Crunch beziehungsweise Credit Squeezing wie bereits Anfang der neunziger Jahre führen. Um die Konjunktur zu stützen wird vermutlich das Regulierungswerk Basel II in dieser Situation bis auf weiteres verschoben werden. Weitere Problempotenziale sind in dem ausufernden Derivategeschäft oder in der Hedgefonds- beziehungsweise Private Equity-Manie zu vermuten.

Wenn europäische Banken dann die ungleiche Wettbewerbssituation beklagen, dürfte auch in Europa Basel II ausgesetzt oder der vorgesehene Einführungstermin gestrichen werden. Die Jubelarien über Basel II erinnern fatal an die Euphorie und das Hosiannah bei der Einführung von Basel I. Die hochgesteckten Erwartungen über Basel I erfüllten sich nur teilweise, weshalb dann Basel II angedacht worden ist.

Wenn der Präsident der BaFin inzwischen über Basel III und IV laut philosophiert, so gibt dies Anlass zu Befürchtungen: Müssen sich die deutschen Kreditinstitute dauerhaft vor allem mit Basel-Konzepten herumquälen? Gibt es dann Basel unendlich? - Basel V, VI, VII, VIII, IX.....!"

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