Aufsätze

"Banken und Vertrauen - sechs Thesen aus theologischer Sicht"

Meine drei Vorredner haben sich allesamt schon auf dem Terrain bewegt, wo ich meine christlichen Standpunkte verorte. Andreas Dombret hat zu Recht Walter Eucken mit dem Subsidiaritätsprinzip in Verbindung gebracht. Das ist aber ein Grundprinzip der katholischen Soziallehre, und da hatte es der große Ordoliberale auch her. Georg Fahrenschon hat seine erfrischend deutliche (Selbst-)Kritik in das Gewand einer Kapuzinerpredigt gepackt.

Und Hubert-Ralph Schmitt hat mir den Hinweis darauf vorweg genommen, dass Jesus seinerzeit den Geldwechslern die Tische umgestoßen hatte. Allerdings nur, wenn ich das hinzufügen darf, weil sie sich mit diesen Tischen in den Weg von Menschen stellten, die eigentlich zu Gott wollten, und nicht zur Bank.

Vertrauen ist lebenswichtig

Ich sage vielen Dank, dass Sie einem Priester und Theologen die Gelegenheit geben, mit Ihnen über das Thema Banken und Vertrauen nachzudenken. Von Banken verstehe ich kaum etwas - eben genug, um in einem großen Frankfurter Haus seit 34 Jahren ein Girokonto und seit sechs Jahren auch ein Depotkonto zu unterhalten. An der Bankleitzahl meines Girokontos erinnert mich eine bestimmte Ziffernkombination immer neu daran, dass meine Bank von einfachen Kunden und von dem Retailgeschäft mit ihnen nicht immer so viel gehalten hat wie heute. Mein Depot ist bildlich gesprochen eine Nussschale, in der ich das Erbe meines Vaters von Anlageexperten durch die Wasser der Trübsal steuern lasse. Das tun sie gar nicht schlecht. Mit der Anlage dieses Depots bin ich wohl ein wichtiger Kunde geworden, denn jetzt ruft mich regelmäßig eine nette Dame an und möchte mit mir reden. Das war früher nicht der Fall. Sie sagt mir dann meist beruhigende Dinge, die ich, wenn ich Zeit habe, auch in den vielseitigen Aufstellungen meiner Depotverwalter lesen könnte. Zu alldem kann ich, wie ich es in meinem Beruf gelernt habe, eigentlich nur Ja und Amen sagen. Zu detaillierteren oder kritischeren Gesprächsbeiträgen fehlt mir der Überblick.

Einmal war es anders. Da wurde ich freundlich gebeten, einer Regelung zuzustimmen, die im Ergebnis bestimmte Erträge aus der Depotverwaltung nicht dem Kunden, sondern der kontenführenden Bank zuschreibt. Das hat mir nicht sofort eingeleuchtet, und deshalb habe ich auch meine Zustimmung nicht gegeben, um die ich mich ja ernstlich gebeten fühlte. Das hat dann der Korrespondenz sofort eine andere Frequenz und einen anderen Tonfall eingetragen. Als mir klar wurde, dass die Bank sich ihre Zukunft auch ohne mich vorstellen kann, da ging es mir wie dem armen Hiob, der dem Herrn antwortete und sprach: "Siehe, ich bin zu gering.

Was kann ich dir erwidern? Ich lege meine Hand auf meinen Mund. Einmal habe ich geredet, ich tu es nicht wieder; ein zweites Mal, doch nun nicht mehr!" (Ijob 40, 3-5) Damit ist meine Erfahrung mit Banken hinlänglich beschrieben.

In der zweiten Hälfte des Themas, beim Vertrauen, fühle ich mich natürlich mehr zu Hause. Gläubiges Vertrauen - auf Griechisch Pi lota Sigma Tau lota Sigma 1 - ist ein Schlüsselwort der Bibel. Das zeigt sich besonders deutlich in den Briefen des Apostels Paulus, in denen wir die Hebräische Bibel, unser Altes Testament, in einem ganz neuen Licht sehen können. "Ich schäme mich des Evangeliums nicht", schreibt er im Römerbrief, "es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt; zuerst den Juden, aber auch den Griechen. Denn im Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart aus Glauben zum Glauben, wie es in der Schrift heißt: Der aus Glauben Gerechte wird leben" (Röm 1, 16 f.). Einfach gesagt: Ohne gläubiges Vertrauen, aktiv und passiv, also Vertrauen, das mir erwiesen wird und das ich anderen erweise, geht gar nichts. Vertrauen ist lebenswichtig.

Wege der Läuterung gesucht

Banken und Vertrauen - zu diesem Thema hat unsere Veranstaltung unter dem Eindruck vertrauenserschütternder Ereignisse ja erst gefunden. Als ich im April auf einen Beitrag angesprochen wurde, da hieß der Arbeitstitel noch Banken und Verantwortung. Das ist auch ein gutes Thema, aber es reflektiert vielleicht nicht hinreichend die Krise, in die offenbar das ganze Gewerbe geraten ist; der Finanzsektor schlechthin, unbesehen der großen Unterschiede zwischen den Instituten und Institutionen. Ich würde sagen, dass es diese Vertrauenskrise im Finanzsektor wirklich gibt, das heißt, dass sie nicht grundlos behauptet und herbeigeschrieben wird.

Im Oktober hat die Frankfurter Rundschau einen großen Artikel über die Raiffeisenbank Gammesfeld in Schwaben gebracht. "Das letzte Kässle" ist er überschrieben. Ich empfehle Ihnen die Lektüre sehr. Die Geschäftsphilosophie erscheint einem vorsintflutlich. Aber biblisch ist die Sintflut ja eine Sündenstrafe, und wenn man sich vorstellen kann, auch ohne folgenreiche und hart bestrafte Sünden einträgliche Geschäfte zu machen, dann ist "vorsintflutlich" eigentlich gar nicht so schlecht. Vor der Sintflut war die Welt noch in Ordnung. Meiner Bank und den anderen großen Häusern, die im internationalen Wettbewerb stehen, hilft der Hinweis auf das erzsolide schwäbische Kässle natürlich nicht weiter. Das verstehen Theologen gut, denn der Himmel, in den wir streben, ist etwas anderes als das Paradies, das wir verloren haben.

Aus der Vertrauenskrise effektiv heraus führen nur Wege der Läuterung, die nach vorne gehen und nach einem Wort Jesu "schmal" sind (Mt 7, 14). Der einfache Weg zurück in die Zeit vor der Vertrauenskrise, als das Grüne Band der Sympathie noch gebunden hat und als Investmentbanker noch keine Invektive war: dieser Weg ist in Wirklichkeit keiner, und sein Ziel ist eine Fata Morgana. "Penance is over" - ich habe diese triumphale, trotzige Motto des Chefs von Barclays Capital zu dem vermeintlichen Ende der Finanzkrise 2010 schon öfters zitiert. Ich tue es heute wieder, nicht weil ich hinterhertreten will, zumal nicht in den Ruhestand, sondern weil diese Parole in drei kurzen Worten zusammenfasst, was nicht geht und was nicht weiterführt. In Wirklichkeit gilt nämlich: "Penance is on". Und: "Bob Diamond is over".

Vertrauen gibt es nur gratis

Banken und Vertrauen - mit dieser brisanten Kombination fühle ich mich auf ein Feld gerufen, wo ich nun wirklich Experte bin. Wie eine große Institution, die vom Vertrauen ihrer Mitglieder und vom Respekt ihres gesellschaftlichen Umfelds lebt, in kurzer Frist dieses Vertrauen verderben und diesen Respekt verspielen kann, dazu kann ich Ihnen fast alles sagen. In den Erhebungen über die Vertrauenswürdigkeit von Institutionen bekommt die Katholische Kirche, zumal seit den Missbrauchsskandalen von 2010, immer wieder die rote Laterne in die Hand. Von diesem letzten Platz aus können wir den Banken das gute Gefühl geben, dass es so schlimm mit ihnen nun doch noch nicht gekommen ist.

Vielleicht kann ich Ihnen aber noch mehr geben, nämlich einige aus der eigenen kirchlichen Vertrauenskrise entstandenen Überlegungen und Erfahrungen, die ich thetisch zusammenfasse und versuchsweise auf Banken übertrage:

1. Vertrauen kann man nicht erwerben, man muss es gewinnen. Vertrauen gibt es nur gratis. Vertrauen gewinne ich aus Gnaden dessen, der es mir gewährt. Ich habe keinen Anspruch darauf, unter keinen Umständen. Vertrauen kann ich im strikten Sinne des Wortes nicht verdienen, obwohl wir das so sagen. Vertrauen ist keine meiner Leistung irgend geschuldete Gegenleistung. Das Vertrauen ist überhaupt nicht im Reich der Zwecke zuhause. Trotzdem hat dort sein Vorliegen oder sein Fehlen unmittelbare Auswirkungen und schwerwiegende Folgen.

2. Vertrauen ist eine personale Kategorie. Es ist die Qualität der Grundeinstellung einer Person zu einer anderen. Vertrauen ist deshalb ein Wert, aber kein value; es ist ein Gut, aber keine Sache. Vertrauen ist die Herzenshaltung der Zuwendung und die Geisteshaltung der Offenheit, die mit der Erwartung einhergeht, dass es der andere wirklich gut mit mir meint.

3. Die Person, der ich vertraue, darf Fehler machen. Sie darf mir sogar Schaden zufügen. Sie darf mir aber nicht das Gefühl geben, dass ihr nur vordergründig an mir liegt, und dass die Beziehung zu mir als Mittel zu anderen Zwecken dient, die mir nicht aufgedeckt werden. Vertrauen verträgt keine Instrumentalisierung. "Wer Vertrauen gewinnen will, darf kein Vertrauen gewinnen wollen", hat P. Klaus Mertes SJ einmal gesagt. Der ehemalige Rektor des Canisiuskollegs in Berlin begleitet mit kritischer Sympathie die Versuche der Kirche, aus dem Sumpf der Missbrauchskrise herauszukommen. Wer Vertrauen gewinnen will, muss einfach verlässlich gut handeln und sich so als vertrauenswürdig erweisen. Das gilt zumal dann, wenn Vertrauen zuvor verspielt wurde. Man muss es ertragen, dass Vertrauen als Freiheitsgeschehen und Hulderweis nicht einbestellt werden kann.

4. Personale Kategorien lassen sich nicht ohne Weiteres auf Institutionen übertragen. Mit der Bank Ihres Vertrauens geht, wenn das nicht Bauernfängerei sein soll, ein sehr hoher Anspruch einher. Wenn Banken tatsächlich Vertrauen gewinnen wollen, dann brauchen sie natürlich Mitarbeiter, denen die Kunden und Geschäftspartner persönlich vertrauen können. Sie brauchen aber auch, und noch zuvor, Mitarbeiter, die ihrer Bank vertrauen können.

5. Mitarbeiter können ihrer Bank vertrauen, wenn sie anständiges Geschäftsgebaren im besten Interesse ihrer Kunden vor ihren Kollegen und Vorgesetzten nicht verbergen müssen, sondern es offen kommunizieren können und es von der Geschäftsleitung sogar geschätzt und gefördert sehen. Der Anstand muss Methode haben. Einzelne Karpfen in einem Haifischbecken, einzelne Lämmer in einer Löwengrube sind keine vertrauensbildenden Maßnahmen, sondern ein Täuschungsversuch. Ich bekomme manchmal gesagt: "Also, Herr Pfarrer, wenn Sie nicht wären, dann wäre ich schon längst aus der Kirche ausgetreten ...". Das tut gut, im ersten Moment. Aber es ist nicht gut. In Wirklichkeit fällt der Moral Hazard der Institution auf ihre Repräsentanten zurück, und das Haus stürzt am Ende über einem zusammen.

6. Anständiges Handeln von Mitarbeitern im besten Interesse der Kunden ist im professionellen Diskurs über Unternehmensethik, Compliance, Good Governance et cetera längst untergebracht. Die Grundsätze eines ehrbaren Kaufmanns brauchen sich die Banken von der Kirche nicht durchbuchstabieren zu lassen. Aber einen bestimmten Aspekt dieser Anständigkeit möchte ich Ihnen doch aufzeigen. Von Goldman Sachs in London hieß es, man habe sich dort über die Muppets lustig gemacht hat. Bankkunden verhalten sich manchmal vielleicht wirklich wie Deppen; vor allem, wenn sie viel Geld haben und noch viel mehr Geld haben wollen. Man muss ihnen riskante Produkte nicht mühsam aufschwätzen, sondern sie verlangen nach ihnen. Wenn man ihnen gibt, was sie wollen, dann geschieht nicht offensichtlich Unrecht. Volenti non fit iniuria heißt eine kühlköpfige altrömische Rechtsregel: dem, der einwilligt, geschieht kein Unrecht. Wer freiwillig im Spiel ist, darf sich nicht darüber beschweren, wenn er verliert.

Aber: Manchmal trüben mir eben Habgier den klaren Blick und Hochmut das gesunde Urteil. Dann möchte ich beim Beratungs- und Verkaufsgespräch in meiner Bank nicht unter die Räuber fallen, wiewohl ich in die Bank nicht wie in eine Kirche gehe. Ich möchte dann einen Profi und guten Menschen vis-à-vis haben, der den Mut hat, mir zu sagen, dass das, was ich mir vorstelle, keine gute Idee ist, und das, was ich mir ausgedacht habe, mir das auf Dauer nicht hilft, sondern schadet. Es kann sein, dass ich mich dann über ihn ärgere und mich über ihn bei seinem Vorgesetzten beschwere. Vielleicht kriegt er sogar einen auf den Deckel dafür. Aber er hätte gut gehandelt. Er hätte mein Niederes nicht ausgenützt, sondern mein Höheres befördert. Eine Bank, in der so etwas gut gefunden und gerne gesehen wird, die hätte wirklich mein Vertrauen.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors anlässlich der 58. Kreditpolitischen Tagung "Banken und Vertrauen" der ZfgK am 9. November 2012.

Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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