Leitartikel

Banken im Stress

Egal ob Champions League, Deutschland sucht den Superstar, Eurovision Song Contest oder Lets dance - die Beteiligten freut es stets, wenn es ihnen gelingt, dank besonderer Leistungen an einer dieser Veranstaltung teilnehmen zu dürfen. Ganz anders geht es den Banken, denen im Frühjahr 2011 die Qualifikation für die Stresstests der europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA mitgeteilt wurde. Als Ehre oder gar als große Chance versteht dies niemand. Aber absagen darf man natürlich auch nicht, das ist einerseits im Programm nicht vorgesehen und würde andererseits als Verweigern vor dem Hindernis gelten und gäbe heftige Minuspunkte in der Gunst der Aufseher.

Also heißt es für die europaweit 90 qualifizierten Banken, davon 13 Institute aus Deutschland, Zähne zusammenbeißen und versuchen, die Anforderungen bestmöglich zu erfüllen. Das wird nicht für alle Banken leicht, denn gegenüber den von den nationalen Aufsichtsbehörden durchgeführten Stresstests vom vergangenen Jahr wurden die Bedingungen erheblich verschärft. Da hilft es nur wenig, dass dieses Mal zum Bestehen schon eine Eigenkapitalquote unter Stressbedingungen von fünf statt wie bisher sechs Prozent ausreicht. Ziel der Veranstaltung ist es wiederum, den Aufsehern und Bankmanagern wichtige Hinweise auf die Widerstandsfähigkeit der Institute zu liefern, indem geprüft wird, ob die Banken auch unter extrem widrigen Bedingungen bestehen können. Das ist durchaus sinnvoll. Und da dürfen die Annahmen auch ruhig mal ein bisschen schärfer und unrealistischer sein, als das die Geldinstitute gerne hätten.

Allerdings ist fraglich, ob dieses Ziel bei der gewählten Vorgehensweise erreicht werden kann. Echte Aussagekraft hätten die Ergebnisse doch nur, wenn wirklich alles den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend dargelegt würde, sprich jede Bank mit offenen Karten spielen würde. Kann sie das aber guten Gewissens, wenn die Ergebnisse der Tests anschließend veröffentlicht werden? Nein, natürlich nicht. Also wird auch nun wieder von den Banken taktiert und von den Aufsehern - nationalen wie internationalen - hier und da ein Auge zugedrückt werden. Denn niemand will, dass ein Institut ob der Testergebnisse in ernsthafte Schwierigkeiten kommt, sei es, weil ihm die Refinanzierungspartner weitere Unterstützung verweigern oder sei es, weil ihm die Kunden den Rücken zudrehen. Ein wirklicher Erkenntnisgewinn entsteht durch die Stresstests somit kaum, wie es auch BaFin-Chef Jochen Sanio anlässlich der Veröffentlichung der letztjährigen Ergebnisse süffisant anmerkte. Von daher wären geheime Tests ohne Veröffentlichung wesentlich zielführender für alle Beteiligten. Das wiederum passt aber nicht zu dem Anspruch, mit eben diesen Tests das Vertrauen in die imagegeschädigte Kreditwirtschaft zu stärken. Schwierig, schwierig!

Schwierig ist es auch deshalb, weil die EBA-Aufseher den Tests heute schon Standards hinsichtlich Eigenkapital und Liquiditätsausstattung zugrunde legen, die die Institute gemäß dem Basel III-Fahrplan erst in einigen Jahren zu erfüllen hätten. Und da die Aufseher dies tun, agieren der Markt und die Ratingagenturen genauso. Die Folge: Aus den ehedem komfortabel anmutenden Übergangsfristen hin zu Basel III wird nichts. Banken sollten stattdessen lieber schon 2012 deutlich höhere Eigenkapitalquoten vorweisen können. Das alles geschieht in einer Phase, in der es für die meisten Banken ohnehin immer anspruchsvoller wird, am Kapitalmarkt das für die Erfüllung der Baseler-Regeln dringend erforderliche Eigenkapital aufzunehmen. Wo soll dieses Geld herkommen? Die Anleger machen bereits heute einen Bogen um Bankaktien, große Investoren wollen erst dann wieder verstärkt einsteigen, wenn die Institute über ein tragfähiges Geschäftsmodell und über ausreichend Liquidität verfügen, ordentliche Eigenkapitalpositionen als Sicherheitspuffer vorweisen können und gute Gewinne und damit gute Renditemöglichkeiten bieten. Dafür braucht es am Anfang aber erstmal Investoren. Ein Teufelskreis.

Hinzu kommen kontraproduktive regulatorische Vorschriften, beispielsweise Solvency II. Den Vorschriften zufolge werden Versicherer künftig vor allem Investitionen mit kurzen Laufzeiten bevorzugen, da lange Durationen die Kapitalanforderungen erhöhen. Die Banken brauchen das Kapital aber langfristig, damit es unter Basel III anerkannt wird. Um den Eigenkapitalbedarf so gering wie möglich zu gestalten, wird die Assekuranz künftig nahezu ausschließlich im Investment-Grade-Bereich investieren. Gegenwärtig ist bei vielen Bankenratings noch ein staatlicher Support mit berücksichtigt. Das wird in spätestens zwei Jahren der Vergangenheit angehören, sodass durch die dann erfolgenden Stand-Alone-Bewertungen Herabstufungen um mindestens drei Stufen ("Notches") drohen. Damit ist für viele Banken der Investment-Grade-Bereich futsch. Versicherer werden ganz zwangsläufig ihre Engagements im Bankensektor zurückfahren müssen und sich auf Anlagen in Staatsanleihen, die nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen, oder "AAA" geratete Pfandbriefe und Covered Bonds beschränken. Doch diese können den Kapitalbedarf der Kreditwirtschaft natürlich nicht vollständig abdecken.

Mit all dem wird genau das Gegenteil dessen erreicht, wozu Basel III eigentlich führen soll. Statt kleinere Banken zu schaffen, die ein geringeres Systemrisiko darstellen, wird die Schere zwischen großen Banken und kleinen und mittleren Instituten, immer größer. Die möglichst schnelle Umstellung der Refinanzierungsstrategie wird also in Zukunft zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Damit drohen erhebliche Nachteile für das deutsche Bankensystem in einem eher kapitalmarkt-aversen Umfeld. Die Stresstestergebnisse können da zum nützlichen Marketinginstrument verkommen. Das ist nicht der Sinn.

Es gibt aber durchaus auch positive Aspekte: So wird durch den gerade laufenden Stresstest der EBA das Problem der stillen Einlagen der Landesbanken deutlich vor dem im Baseler Papier festgelegten Datum 2019 gelöst. Drei Bedingungen müssen stille Einlagen erfüllen, um auch unter dem Regime von Basel III weiterhin als hartes Eigenkapital anerkannt zu werden: Sie müssen dauerhaft zur Verfügung stehen, an Verlusten teilnehmen, ohne dass in guten Jahren wieder eine Hochschreibung erfolgt und dürfen gegenüber anderen Dividendenberechtigten nicht vorrangig bedient werden. In Niedersachsen wurde die bisherige befristete stille Einlage des Landes unter lautem Geschrei in dauerhaftes Kapital umgewandelt. Und auch in Hessen, wo das schon der Fall ist, darf man guter Dinge sein, dass Helaba und das Land einen Kompromiss finden werden, der auch den beiden anderen notwendigen Kriterien gerecht wird.

Was für ein Stress!

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