Gespräch des Tages

Ba Fin - Sorgenvoll

Die deutsche Bankenaufsicht ist offensichtlich beunruhigt. "Der Lenz ist gekommen, und mit ihm das Glück. Wir wollen an das Glück glauben, auf dass es nicht von uns weiche, doch eine gehörige Portion Skepsis ist angebracht, " so eröffnete beispielsweise Ba Fin-Präsident Jochen Sanio die Jahres-Pressekonferenz. Wohl betonend, dass die deutschen Banken zwar allesamt gute Zahlen erwirtschaften, dabei aber auch von einer aufstrebenden Konjunkturlage begünstigt sind. Ein Stück weit mögen die erfreulichen Ergebnisse auch an der Aufsicht liegen, denn immerhin stehen die 16 Banken, die ihre Risikomanagementsysteme von der Behörde haben abnehmen lassen, heute erheblich besser da, heißt es stolz in Bonn. Es mache sich der Wandel von der quantitativen Aufsicht, der reinen Werthaltigkeitsprüfung, zur qualitativen Analyse vor allem der Risikosysteme mehr und mehr bemerkbar.

"Wir wollen besseres Risikomanagement produzieren", sagt der scheidende Direktor Helmut Bauer. Allerdings werde sich das erst in ein paar Jahren nachdrücklich in den Zahlen bemerkbar machen. Oder auch nicht. Denn schon wieder hebt die Aufsicht den Finger und warnt: Vor einer zu rosigen Einschätzung der Lage, vor zu volatilen Ergebniskomponenten, die die Zahlen noch dazu dominieren, vor neuen Risiken, die derzeit zuhauf gelegt werden. Doch diese immer wiederkehrende Warnung ist eigentlich schon Alltag für Deutschlands Allfinanzaufsicht.

Sorgenvoller betrachtet man in Bonn Dinge, die man nicht beeinflussen beziehungsweise nicht einschätzen kann. Hier sind zunächst die Vorgänge um die niederländische Großbank ABN Amro. Sollte das Bieterkonsortium aus Royal Bank of Scotland, Fortis und Banco Santander zum Zuge kommen und die Bank zerlegen, steht die Branche laut Sanio vor einer "neuen Ära". Denn feindliche Übernahmen mit anschließender Zerschlagung des Objekts gehörten bislang in der Kreditwirtschaft zu den ganz großen Ausnahmen. Mögliche Gefahrenpotenziale, sprich Auswirkungen für die Stabilität des Systems, sind bislang unbekannt. Und mit dem Unkalkulierbaren hat der Überwacher verständlicherweise so seine Probleme.

Können komplexe Systeme wie das Risikomanagement wirklich problemlos auf drei neue Eigentümer verteilt werden? Ist die Filetierung nach Geschäftsfeldern mit anschließender Eingliederung in drei Mütter, für die dann die drei Heimatlandaufseher zuständig wären, reibungslos durchführbar? Und könnte eine Aufsicht, die Schlimmes befürchtet, so etwas unterbinden oder wenigstens zum Besseren wenden? Denn natürlich sind ähnliche Aktionen mit deutschen Banken als Ziel nicht auszuschließen. Die Ba Fin könnte in einem solchen Fall mit § 2b KWG argumentieren, der die Solidität der Anteilseigner vorschreibt. Bei drei erfolgreichen Banken wäre eine Untersagung sicherlich nicht einfach, wobei auch das Verhalten als solide und verlässlich eingestuft werden muss. Und es gibt § 25a KWG zur Notwendigkeit eines angemessenen Risikomanagements. Aber das könnte dann ja schon nicht mehr in die Zuständigkeit der Ba Fin fallen.

Unbehagen verspürt Jochen Sanio weiter, wenn er den enormen unregulierten internationalen Bereich der Hedgefonds betrachtet. Geschätzte 1,5 Billionen US-Dollar beträgt derzeit die Liquidität in diesem Segment, Tendenz täglich steigend. Da fallen die sechs Milliarden Dollar, die der Hedgefonds Amaranth jüngst mit Erd-gas-Wetten verjubelt hat, gar nicht ins Gewicht. Doch nicht nur die Volumina explodieren, auch die Gefahr wächst. Angesichts der großen Nachfrage steigen die Preise, gute Investitionsobjekte werden rarer, und es muss mehr Risiko genommen werden. Dieses Risiko verbleibt jedoch nicht nur bei den Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften, sondern wird umgehend weitergereicht, und weitergereicht, und weitergereicht.

Wo es am Ende bleibt, und in welcher Konzentration, wird man wohl erst nach dem großen Knall wissen. Man erinnere sich nur an die vergleichsweise harmlose Konzentration von Risiken bei Rückversicherern vor wenigen Jahren, man erinnere sich an den Zusammenbruch von LTCM, der das weltweite Finanzsystem nach Aussagen Sanios so nah wie noch nie an den Rand des Kollaps geführt habe. Da ist es nur allzu verständlich, dass Deutschlands oberster Finanzaufseher die jüngste, von deutscher Seite auf höchster politischer Ebene vorgebrachte Initiative, diesen Bereich stärker zu regulieren, beklatscht. Ob es hilft?

Drittens Mi FiD: Mal wieder ist Europa bei einem grundsätzlich zu begrüßenden Regulierungsschritt aus der Kurve getragen worden. Erst vor kurzem wurden in Deutschland die letzten Details verabschiedet, sodass die Einführungszeit für die Banken bis 1. November 2007 "unseriös kurz" geworden ist. Die deutsche Banken- und Wertpapieraufsicht will darauf mit all der gebotenen Milde reagieren, wie Vizepräsident Karl-Burkhard Caspari betonte. Man werde überall da, wo es geht, Aufschub gewähren, die Abarbeitung aber natürlich aufmerksam verfolgen.

Doch das kann die betroffenen Finanzdienstleister nur bedingt beruhigen. Denn bei den Vorschriften der Mi FiD handelt es sich größtenteils um verbraucherschutzorientierte Regularien. Und Verbraucherschützer und Anwälte werden keineswegs eine solche Geduld mit den Instituten mitbringen, sondern von Anfang an die "Best Execution" einfordern. Und sie wollen die umfangreichen Dokumentations- und Beratungspflichten erfüllt sehen. Alles zum Wohle des Kunden natürlich.

Neben aller Kritik am heimischen wie internationalen System und dem Brüsseler Regulierungszwang bewies Sanio auch die Möglichkeit zur Selbstkritik. Die Risikomanagementsysteme der Ba Fin hätten sich als stark verbesserbar herausgestellt. Sie wurden bereits deutlich verfeinert und man sei darüber hinaus dabei, ein zusätzliches System aufzubauen. Das soll laut BMF künftig in einer neuen Führungsstruktur unter einem fünfköpfigen Direktorium erfolgen. Es bleibt zu hoffen, dass für Helmut Bauer und Georg Michael Dreyling starke Nachfolger gefunden werden, denn davon lebt die Aufsicht und davon lebt nun auch die Struktur ohne einen Präsidenten. Das zunehmend kritische Auge Berlins mit dem Drang zum Eingreifen, ist übrigens auch etwas, was man aus Sicht der Aufsicht zwar sorgenvoll betrachten darf, aber keinesfalls ändern kann.

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