Aufsätze

Anforderungen institutioneller Anleger an Socially Responsible Investments

Der Bereich der Kapitalanlage steht vor einem Paradigmenwechsel. Auslöser ist die Verschiebung der gesellschaftlichen Moral in Richtung einer nachhaltigeren Entwicklung. Den Grundstein dazu legte das entsprechende Leitbild der United Nations World Commission on Environment and Development (WCED) im Jahr 1987. Die WCED, oft besser bekannt als Brundtland-Kommission, bezeichnet Nachhaltigkeit als Gerechtigkeit innerhalb und zwischen den Generationen. Sie soll innerhalb der Generationen eine Entwicklung in Gang setzen, die gegenwärtig Benachteiligten die Möglichkeit gibt, ihren Status zu verbessern. Und gleichzeitig sollen die gegenwärtigen Bedürfnisse so befriedigt werden, dass auch künftige Generationen dies noch können.1)

Aufholbedarf in Deutschland

So hat die Integration des Themas Nachhaltigkeit in den Investmentphilosophien deutscher Anleger zugenommen. Neben der Berücksichtigung klassischer Finanzkriterien werden außerfinanzielle Kriterien zur Anlageentscheidung hinzugezogen (Abbildung 1). Diese führen bei ähnlicher Performance zu einer sozialen und ökologischen Zusatzrendite für die Gesellschaft (Abbildung 2). Dies macht Socially Responsible Investments (SRI) insbesondere für institutionelle Anleger wie Pensionsfonds, Stiftungen, Kirchen und Gewerkschaften interessant. Vor diesem Hintergrund überrascht das in Deutschland im europäischen Vergleich mit zirka 60 Prozent institutionellen SRI-Anlagen gegenüber zirka 40 Prozent privaten SRI-Anlagen immer noch schwache Verhältnis. Der europäische Dachverband für nachhaltige Geldanlage (Eurosif) beziffert den Durchschnitt der Länder Europas mit 94 Prozent für institutionell und mit sechs Prozent für privat angelegte SRI-Gelder.2)

Der Begriff Socially Responsible Investments entstand in den USA und bezeichnet die jüngste Entwicklungsstufe fast kongruenter Themen wie ethische, wertorientierte, nachhaltige, (sozial-)verantwortliche, responsible oder prinzipiengeleitete Investments. Darüber hinaus betont er die drei Teilaspekte Ecology (ökologische Kriterien), Social (soziale Kriterien) und Governance (Kriterien guter Unternehmensführung). Diese bilden neben dem genannten Leitbild der nachhaltigen Entwicklung als ESG- Kriterien in den United Nations Principles für Responsible Investments (UN PRI) den Anforderungskern an SRI.3)

Ein weiteres Modell, das diese Dimensionen beinhaltet, ist das sogenannte Integrierte Nachhaltigkeits-Dreieck. Hier bilden die Kriterien E, S und G die Eckpunkte eines Dreieckes (Abbildung 3).4) Das Dreieck umschreibt einen Raum, in dem unterschiedliche Ansätze für Nachhaltigkeit und damit auch für SRI abgebildet werden. Dabei sind verschiedene Positionen in Bezug auf umweltrelevante, soziale Aspekte oder solche guter Unternehmensführung möglich.

Die Anforderungen für SRI basieren immer auch auf einer in einen Kulturkreis eingebetteten individuellen Ethik beziehungsweise Moral. Somit sind Socially Responsible Investments Formen der Geldanlage auf Basis einer sich wandelnden Zielorientierung für ein langfristig ausgerichtetes Wirtschaften unter Einbeziehung unter-nehmens-ethischer, ökologischer und sozialer Gesichtspunkte. Kritiker vermissen in dieser systemimmanenten Flexibilität jedoch eine einheitliche Definition und verbindliche Anforderungen für SRI.

Ursprung im angelsächsischen Raum

Ihren Ursprung nahmen SRI im angelsächsischen Raum der zwanziger Jahre. Zu dieser Zeit begannen die Quäker auf problematische Investitionen zum Beispiel in die Rüstungs-, Glücksspiel- und Suchtmittelindustrie zu verzichten. In den sechziger und siebziger Jahren boykottierten Gegner des Vietnamkrieges Investitionen in Unternehmen, die vom Krieg profitierten. Gleichzeitig übernahmen Aktionäre mit dem Einbringen von kritischen Anträgen auf Hauptversammlungen erstmals eine aktive Rolle. Auch der Kampf gegen die Apartheid-Politik bewirkte eine weitere Stärkung wertorientierter Investments. Investoren zogen Geld aus Unternehmen ab, die Beziehungen zum südafrikanischen Regime unterhielten.

Im angelsächsischen Raum standen primär ethisch-soziale Aspekte im Vordergrund der Betrachtung. Erst die jüngsten Umweltdiskurse machten auf die Notwendigkeit einer stärkeren ökologischen SRI-Komponente aufmerksam. Im deutschsprachigen Raum zog der weitaus aktivere Sozialstaat die Unternehmen traditionell weniger in die direkte Verantwortung sozialer öffentlicher Aufgaben. Folglich ergab sich im Unterschied zum angelsächsischen Raum und zu anderen europäischen Staaten dort ein engerer Fokus auf ökologische Fragestellungen und Forderungen. Erst durch die allgemeine Diskussion um eine stärkere Inpflichtnahme von Unternehmen erweiterte schließlich auch der deutschsprachige Raum seine zunächst rein ökologisch betrachteten Konzepte um die soziale und unternehmens-ethische Dimension.

Erst die Weltkonferenz von Rio de Janeiro führte 1992 zu einer Fokussierung der Öko-Effizienz. Seitdem ist ein Verringern des Inputs während der gesamten Produktionskette sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht erstrebenswert. Künftig sollen nur so viele Schadstoffe verursacht werden, wie tatsächlich durch das Ökosystem tragbar sind. Der Blick ruhte nun auf den Branchenvorreitern, den sogenannten Best-in-class-Unternehmen, die aus eigener Motivation oder aufgrund starken öffentlichen Drucks ihr Engagement in diesem Bereich ausbauen.

SRI-Portfolios können eine ähnliche Rendite wie klassische Anlagen erzielen. Neben ökologischer und gesellschaftlicher Zusatzrendite sorgen sie beim Investor für die von SRI-Anbietern oft betonte Rendite mit gutem Gewissen. Darüber hinaus sorgt das bessere Risikomanagement für einen weiteren positiven Aspekt: Das Ausfallrisiko einzelner Titel im Portfolio ist mitunter erheblich reduziert. Grund dafür ist die Erweiterung des Horizonts durch regelmäßig beobachtete außerfinanzielle Kriterien und die Bewertung der auch mit diesen Kriterien einhergehenden Chancen und Risiken.

SRI-Anlagestrategien

Zur Durchführung von SRI stehen im Wesentlichen drei verschiedene Wege zur Verfügung: Das Negative Screening (Portfolioausschluss), das Positive Scoring (die Auswahl auf Basis außerfinanzieller, zum Beispiel ESG-Kriterien) und das Engagement, Active Ownership beziehungsweise Shareholder Activism (Dialogbemühungen).

Die älteste Form einer nachhaltigen Anlagestrategie ist die Methode der Vermeidung eines Investments durch dessen Ausschluss vom Portfolio, das Negative Screening. Nach diesem Prinzip werden Kriterien definiert mit dem Ziel, Unternehmen oder Branchen aus dem Anlageuniversum auszuschließen, deren Geschäftstätigkeit oder Handlungsweisen den ethischen Überzeugungen des Investors widersprechen. Dies betrifft Produkte und Dienstleistungen ebenso wie Produktionsbedingungen oder Unternehmensstrategien. Die Kriterien, die zum Ausschluss von Unternehmen oder Staaten führen, können ganz individueller Natur sein.

Typische Kriterien sind zum Beispiel schwere Verletzungen von Menschenrechten, die Verletzung international anerkannter Arbeitsrichtlinien, die Verschmutzung der Umwelt, die Verwicklung in Bestechungsdelikte und das Erzeugen von Massenvernichtungswaffen. Darüber hinaus definieren Investoren oft Kriterien, die Unternehmen von vorneherein ausschließen, sofern diese Anteile des Umsatzes mit alkoholischen Getränken, Tabakprodukten, Glücksspiel, Rüstung oder jugendgefährdendem Material erzeugen. Aufgrund der Komplexität der globalen Wirtschaft ist es jedoch kaum möglich, ethisch Bedenkliches tatsächlich komplett auszuschließen. Deshalb gelten meist Toleranzquoten. So dient der Portfolio-Ausschluss als Strategie zur Vermeidung von Risiken für die Geldanlage durch Umwelt- oder Reputationsschäden und deren finanzielle Folgen. Besonders solche Firmen, die hinsichtlich ESG-Kriterien fragwürdige Geschäftspraktiken anwenden, stehen im Blickpunkt. Schließlich möchten sich institutionelle Investoren vor dem Transfer des schlechten Images der Investition schützen.

Bei der Methode des Positive Scoring gelangen nur Zielinvestments in das Anlageuniversum, die ein besonderes Engagement hinsichtlich öko-sozialer Aspekte aufweisen. Sie berücksichtigt beispielsweise Kriterien der Unternehmenspolitik, der Management- und Umweltprozesse, der Produkte und Mitarbeiterbedingungen sowie des Dialogs mit Stakeholdern. Das Po-sitiv-Scoring unterscheidet darüber hinaus zwischen Nachhaltigkeits-Leadern und Nachhaltigkeits-Innovatoren und wendet für diese jeweils häufig unterschiedliche Beurteilungsverfahren an.

Im Dialog bleiben

Innovatoren zeichnen sich durch ihre Produkte und Dienstleistungen aus. Sie sind nachhaltig orientiert und in Branchen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung tätig. Die Leader werden hingegen über Best-in-class-Verfahren ausgewählt. Nach dem Vergleich der betrachteten Positivkriterien mit dem Branchendurchschnitt bilden sie die jeweiligen Branchen-Vorreiter. Das Verfahren hat den Vorteil, dass es einen Wettbewerb der nachhaltigen Ausrichtung in Gang setzt und so der ganzen Branche einen daran orientierten Schub gibt.

Die jeweiligen Branchen-Sieger sind jedoch aufgrund unterschiedlicher Bewertungsgrundlagen nur schwer miteinander vergleichbar. Deshalb ist nur das relative Maß des Vorsprungs vor anderen Unternehmen relevant und nicht die Erreichung eines bestimmten Aspektes. Damit besteht allerdings die Gefahr, dass auch die Besten aus kritischen Branchen in einem Investmentuniversum nachhaltiger Unternehmen zum Zug kommen, ohne in besonderer Weise ESG-Aspekte zu berücksichtigen. Um dies zu vermeiden, werden Positivauswahlverfahren insgesamt häufig als kombinierte Strategien mit einem vorherigen Negative Screening angewendet.

Transparenz und einheitliche Standards

Zunehmend gewinnt eine dritte Methode an Bedeutung: das Engagement, Active Ownership oder Shareholder Activism. Sie hat zum Ziel, ein Unternehmen zu Verhaltensänderungen zu bewegen. Dabei kann das Engagement entweder über den direkten Dialog mit dem Management oder über die Ausübung von Stimmrechten erfolgen. Je mehr Anteile ein Investor an einem Unternehmen hat, desto einflussreicher ist er. Hauptsächlich institutionelle Investoren mit gewisser Asset-Signifikanz sehen das Engagement als Instrument.

Darüber hinaus ist auch für hochkapitalisierte Institutionelle wie Privat-Investoren und eine funktionierende Investor-Lobby der direkte Dialog mit dem Management möglich. Es ist dafür jedoch nicht unbedingt notwendig, Anteile am Unternehmen zu halten. Wenn das anzulegende Kapital über ein entsprechendes Volumen verfügt, können auch potenzielle Investoren bereits Einfluss ausüben.

Auf der Wunschliste Institutioneller ganz oben stehen Transparenz, einheitliche Standards und Know-how im SRI-Markt. Neben unternehmens-ethischen, sozialen und ökologischen Motiven ist eine nachhaltige Ausrichtung für institutionelle Investoren aber nur dann möglich, wenn zugleich ökonomische Aspekte berücksichtigt bleiben. Entsprechend ergab eine im Mai 2009 vorgestellte Studie unter 230 institutionellen Investoren der Leuphana-Universität Lüneburg im Auftrag von Bank-Invest, dass den befragten Investoren bei SRI die Diversifikation ihres Portfolios zur Risikoreduktion mit 73,8 Prozent am wichtigsten ist. Dieser Aspekt wurde noch deutlich vor dem der Integration ökologischer Kriterien (55,6 Prozent) und sogar dem der Investment-Performance auf Marktniveau (38,2 Prozent) genannt.5) Die Performance von SRI-Anlagen als Kern ökonomischer Überlegungen bei der Geldanlage ist schon in vielen wissenschaftlichen Studien thematisiert worden. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen eine weitgehend neutrale Entwicklung nachhaltiger Anlagen im Vergleich zum Gesamtmarkt.

Darüber hinaus widmet sich die Studie hauptsächlich den Anforderungen institutioneller Investoren an das SRI-Lösungsangebot. Als dringendste Herausforderungen nannten die befragten Investoren die Erhöhung der Markttransparenz und die Schaffung einheitlicher Standards. An dritter Stelle steht die Förderung der Kenntnisse über SRI innerhalb der Finanzindustrie. Hierin spiegelt sich die Gefahr des schwindenden Vertrauens in den SRI-Markt wider, denn die Transparenz nimmt aufgrund stetig steigender, neu auf den Markt kommender SRI-Angebote ab. Dies führt voraussichtlich dazu, dass die gegenwärtig noch positive Vertrauensrente in Zukunft sinkt. Um diesem Trend zu begegnen, dies zeigt die Studie, ist eine Intensivierung des Knowhows im Kontext von SRI erforderlich.

Eine klarere Regulierung des Marktes für nachhaltige Geldanlagen ist hingegen nicht gewünscht. Auch das Bündeln von Stimmrechten zur Intensivierung von Dialogbemühungen zwischen Asset-Ownern und Unternehmen stuften die Befragten als weniger dringend ein.6)

Performance auf Marktniveau

Aus Sicht institutioneller Anleger werden Performance auf Marktniveau, Transparenz und Nachvollziehbarkeit, Dialog und Feedback, Effizienz der Ratingprozesse, Qualität des Research, weitere Standardisierung sowie die strikte Trennung von Rating und Consulting in der Zukunft von SRI eine entscheidende Rolle spielen.

Unternehmen engagieren sich immer stärker als verantwortungsvoll agierende Corporate Citizen. Daher wird die Bedeutung von SRI auch mit Blick auf die mediale Relevanz des Themas weiter zunehmen. Es muss im Interesse sämtlicher Stakeholder-Gruppen liegen, der nachhaltigen Entwicklung zu mehr Akzeptanz und zu angemessenem Auftrieb zu verhelfen.

Fußnoten

1) Vgl. Brundtland, G. H. (1997): "Our Common Future". United Nations World Commission on Environment and Development (WCED), Oxford University Press, Oxford, Kapitel 2.

2) Vgl. European Social Investment Forum (Eurosif) "European SRI Study 2008", Seite 14.

3) Principles for Responsible Investment 2009, Seite 2; Im Jahr 2005 beauftragte der damalige UN Generalsekretär Kofi Annan eine Gruppe weltweit führender institutioneller Investoren mit der Entwicklung der Principles for Responsible Investment (UN PRI). Koordiniert wurde dieser Prozess von der United Nations Environment Programme Finance Initiative (UNEP FI) und dem UN Global Compact.

4) Vgl. von Hauff, M. und Kleine, A. (2005): Methodischer Ansatz zur Systematisierung von Handlungsfeldern und Indikatoren einer Nachhaltigkeitsstrategie. Das Integrierende Nachhaltigkeits-Dreieck. Kaiserslautern, Seite 12.

5) Vgl. Klasen, C. und Röder, S. (2009): "Socially Responsible Investments - Motive, Aspekte und Trends aus Sicht institutioneller Investoren". The BankInvest Group (Hg.), Strasslach (Kleindingharting), Seite 21. 6) Vgl. ebd. Seiten 40 bis 42.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X