Aufsätze

Aktuelle Fragen der Börsenaufsicht

Für die Wettbewerbsfähigkeit moderner Volkswirtschaften werden leistungsfähige Börsen als wesentliche Voraussetzung angesehen. Sie leisten einen grundlegenden Beitrag zur Kapitalallokation. Als "klassisch" gelten ihre Funktionen als Kapitalvermittlungs- beziehungsweise Kapitalsammelstelle und Plattform zur Aufnahme von Fremd- und Eigenkapital. Angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Börsen besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit und an einer effizienten Börsenaufsicht.

Börsen - teilrechtsfähige Anstalten der mittelbaren Landesverwaltung

Aufgrund der Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart kann man ohne Umschweife feststellen: Das in Deutschland bestehende System der öffentlich-rechtlichen Börse in privater Trägerschaft hat sich ebenso bewährt wie die föderal strukturierte staatliche Börsenaufsicht.

Die Vorzüge des deutschen Börsenmodells erwachsen aus seiner Systemarchitektur: aus der Konstruktion der Börse als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und ihrer Verbindung mit einer privatrechtlichen Trägerorganisation. Dadurch werden die öffentlich-rechtliche Börsenstruktur und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einschließlich der Finanzierungsressourcen des Wirtschaftsunternehmens, welches die Börsenträgerfunktion wahrnimmt, miteinander verzahnt. Der öffent-lich-rechtliche Börsenstatus ermöglicht es den Börsenorganen, zur Erfüllung ihrer Aufgaben wirkungsvolle öffentlich-rechtliche Handlungsformen zu nutzen.

Die Stellung Frankfurts als führender kontinentaleuropäischer Börsen- und Finanzplatz ist maßgebend auf die Marktnähe und Innovationskraft des deutschen Börsenmodells zurückzuführen. Es fördert innovative Entwicklungsprozesse im Börsensektor und gibt den deutschen Börsen genügend Spielraum, um im internationalen Wettbewerb angemessen und flexibel auf Strukturveränderungen und gewandelte Rahmenbedingungen reagieren zu können.

Als teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind die deutschen Börsen Teil der mittelbaren Landesverwaltung. Aufgrund ihrer Konstruktion als Anstalten sind die Börsen mit bestimmten Selbstverwaltungsrechten ausgestattet, welche die erforderliche Marktnähe gewährleisten. Die Börsengenehmigung wird vom jeweiligen Börsensitzland erteilt. Börsen unterliegen nach dem Börsengesetz der Aufsicht durch die jeweils zuständige oberste Landesbehörde, welche die Funktion der Börsenaufsichtsbehörde ausübt. Als solche fungiert in Hessen das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung.

Bewährte föderale Börsenaufsichtsstruktur

In Deutschland besteht - entsprechend den bundesstaatlichen Gegebenheiten - eine föderale Struktur der Aufsicht über die Börsen. Nach der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 83 Grundgesetz führen die Länder das Börsengesetz als eigene Angelegenheit aus. Das Börsengesetz normiert Aufgaben und Befugnisse der Börsenaufsichtsbehörden der Länder. Im Börsengesetz geltender Fassung heißt es (§ 1 Abs. 4 BörsG): "Die Börsenaufsichtsbehörde übt die Aufsicht über die Börse nach den Vorschriften dieses Gesetzes aus. Ihrer Aufsicht unterliegen auch die Einrichtungen, die sich auf den Börsenverkehr beziehen. Die Aufsicht erstreckt sich auf die Einhaltung der börsenrechtlichen Vorschriften und Anordnungen sowie die ordnungsgemäße Durchführung des Handels an der Börse und der Börsengeschäftsabwicklung."

Summarisch kann man sagen: Die Börsenaufsichtsbehörden nehmen aufgrund des Börsengesetzes spezifische Aufgaben zur Beaufsichtigung eines Teilbereichs des Wertpapierhandels wahr. Dieser Teilbereich umfasst die Börsen und die zum Börsenhandel zugelassenen Handelsteilnehmer im Rahmen ihrer börslichen Aktivitäten.

Die Börsenaufsichtsbehörden der Länder erfüllen ihre Aufgaben kompetent, effizient und erfolgreich. Sie erledigen ihren gesetzlichen Auftrag beanstandungsfrei und arbeiten kooperativ zusammen, um die Einheitlichkeit ihres Handelns sicherzustellen. Das deutsche Börsenaufsichtssystem hat sich in den letzten Jahren gerade auch unter Berücksichtigung von Internationalisierungstendenzen durch Börsenkooperationen und grenzüberschreitendem Handel bewährt. Es ist ein stabiler und tragfähiger Pfeiler im Gesamtgefüge des Finanzplatzes Deutschland.

Klare Aufgabenabgrenzung zur Ba Fin

Auch die Zusammenarbeit der Börsenaufsichtsbehörden mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Ba Fin) ist sichergestellt. Die Kooperation verläuft reibungslos. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass Zuständigkeitsüberschneidungen zwischen den Aufgaben der Börsenaufsichtsbehörden und den Aufgaben der Ba Fin ausgeschlossen sind. Die Zuständigkeits- und Aufgabenbereiche sind gesetzlich eindeutig geregelt und abgegrenzt. Die Börsenaufsichtsbehörden vollziehen das Börsengesetz, die Ba Fin ist für den Vollzug des Wertpapierhandelsgesetzes zuständig.

Seit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz (1994) sind in verschiedenen Schritten wesentliche Teile der Aufsicht über den börslichen und außerbörslichen Wertpapierhandel auf das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel beziehungsweise dessen Nachfolgerin, die Ba Fin, neu oder aus dem Zuständigkeitsbereich der Länder übertragen worden. Exemplarisch genannt seien die Überwachung des Insiderhandelsverbots, der Ad-hoc-Publizität, des Verbots der Marktmanipulation und die internationale Zusammenarbeit. Im Zuge der Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien in nationales Recht und des Zehn-Punkte-Programms der Bundesregierung zur Stärkung des Anlegerschutzes und der Unternehmensintegrität sind weitere Aufsichtsfunktionen zentralisiert worden. Genannt seien die Prospektprüfung für die Börsenzulassung und die Prüfung der Zulassungsfolgepflichten börsennotierter Unternehmen. Weitere Zentralisierungen der Börsenaufsicht sind EU-rechtlich nicht geboten.

Beibehaltung der Landesaufsicht über die Börsen

Die EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mi FID), die als "Grundgesetz" der Börsen- und Wertpapiermärkte bezeichnet wird, lässt die in den Mitgliedstaaten bestehenden Aufsichtsstrukturen über geregelte Märkte und damit auch die föderale deutsche Börsenaufsichtsstruktur unberührt.

Es ist nicht erkennbar, welcher Effizienzgewinn oder Zusatznutzen in einer Verschiebung der bisher föderal wahrgenommen Aufgaben auf die Bundesebene (Zentralisierung) liegen sollte. Man muss vielmehr feststellen: Mit einer derartigen Zuständigkeitsverschiebung von der Landes- auf die Bundesebene würde kein höherer Wirkungsgrad der Aufsicht erreicht. Auch ein Bürokratieabbau in diesem Bereich würde nicht eintreten, weil die Aufgaben weiterhin in vollem Umfang wahrgenommen werden müssten. Die Börsen verlören ihre marktnahen Ansprechpartner in den Börsenaufsichtsbehörden "vor Ort".

Damit entfielen die heute gegebenen kurzen und zügigen Entscheidungswege, die auf die Marktnähe der Börsenaufsichtsbehörden zu ihrem jeweiligen Börsenplatz zurückzuführen sind. Sie waren bisher von erheblicher Bedeutung insbesondere im Hinblick auf die effiziente und reibungslose Realisierung von Produktinnovationen. An die Stelle der marktnahen Börsenaufsichtsbehörden träte womöglich ein schwerfälliger bürokratischer Apparat, der zu Reibungsverlusten führen könnte. Das bestehende marktnahe Börsenaufsichtssystem stärkt die deutsche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen großen Kapitalmärkten.

Im Einklang mit internationalen Standards

Die in der Bundesrepublik Deutschland bestehende föderale Börsenaufsichtsstruktur entspricht auch voll internationalen Standards. Sie wird von ausländischen Investoren in keiner Weise negativ gesehen. Dies belegt die in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegene Zahl ausländischer Handelsteilnehmer an deutschen Börsen. Wie in anderen Aufsichtsbereichen, so sind auch hier die Strukturen im internationalen Vergleich nicht einheitlich. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika, weltweit größter Finanzplatz, haben keine zentrale Börsenaufsichtsbehörde. Die deutsche Aufsichtsstruktur wird vom Ausland durchaus verstanden. Maßgebend ist letztlich die Qualität der Aufsicht. Die Börsenaufsichtsbehörden haben ihre Aufgaben bisher ordnungsgemäß ausgeführt; es gab keinerlei Kritik.

Positive Weiterentwicklung der Frankfurter Börsen

Aus hessischer Sicht mit besonderem Blick auf den Frankfurter Börsenplatz ist festzustellen: Unter der bestehenden Börsenaufsichtsstruktur haben sich die Frankfurter Börsen und der Finanzplatz Deutschland positiv weiterentwickelt. Die Frankfurter Wertpapierbörse zählt heute im internationalen Vergleich unbestreitbar zu den führenden Börsen. Die Eurex Deutschland hat sich seit ihrer Gründung als Deutsche Terminbörse Anfang der neunziger Jahre, gestützt auf eine Kooperation mit der Schweizer Terminbörse SWX, zur größten Börse der Welt für derivative Finanzprodukte entwickelt. Angesichts dieser unbestreitbaren Erfolge und des Faktums, dass sich die Landesbörsenaufsicht bewährt hat, spricht alles dafür, die föderale Börsenaufsichtsstruktur am Finanzplatz Deutschland auch künftig beizubehalten.

Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X