BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2022

"ZINSABSICHERUNG IST DAS GEBOT DER STUNDE"

Bernd Hertweck, Foto: W & W-Gruppe

"Wir wollen mehr Menschen in Deutschland ermöglichen, im selbst genutzten Eigentum zu wohnen." Es ist eine ganze Weile her, dass sich Regierungsparteien auf Bundesebene so explizit das Thema Wohneigentum auf die Fahne geschrieben haben wie es die Ampel im Rahmen ihres Ende November vorgelegten Koalitionsvertrags getan hat. Jetzt gilt es zu liefern, denn nicht zuletzt die Bausparkassen werden die neue Bundesregierung regelmäßig an diesen Satz erinnern und sie schließlich auch daran messen. Im Interview mit "Immobilien & Finanzierung" diskutiert Bernd Hertweck die Erfolgsaussichten für die im Einzelnen vorgesehenen Maßnahmen vonseiten der Politik. Darüber hinaus spricht er über die Implikationen der hartnäckigen Inflation, die aktuellen Trends im Neugeschäft sowie die jüngst beschlossenen regulatorischen Verschärfungen im Rahmen der Wohnimmobilienfinanzierung. Red.

Herr Hertweck, die Ampel-Koalition ist seit knapp einem halben Jahr im Amt. Wie fällt Ihr erstes Zwischenfazit aus?

Die Ziele sind äußerst ambitioniert. Klimaverträgliches und bezahlbares Bauen und Wohnen heißt, dass Ökonomie und Ökologie zusammen gedacht werden müssen. Sozialverträglich. Ein magisches Dreieck, bei dem es gilt, Zielkonflikte aufzulösen. Wie kann zusätzliches Bauland - ohne das geht es nicht, weil auch Nachverdichtung an ökologische Grenzen stößt - ökologisch vertretbar mobilisiert werden?

Verschärfte Energiestandards wird man aus Haushaltsgründen sozial nicht vollends abfedern können. Mehr Klarheit über die Förderung setzt einen neuen Gebäudeenergiepass voraus. Wann kommt der? Das Vorhaben, ein Energieausweisregister einzuführen, Bauämter zu digitalisieren und Bauvorschriften abzubauen, bleibt ein dickes Brett, das es zu bohren gilt. Ein eigenes Bauministerium bietet jedoch die Chance, die Aufgaben gebündelt und zügig anzugehen. Darum geht es jetzt.

Überschattet wurde der Start zweifellos vom abrupten Stopp der Förderung energieeffizienter Gebäude. Wie groß war der Schock beziehungsweise der dadurch angerichtete Schaden?

Das Ende der Effizienzhaus-55-Förderung war im November 2021 angekündigt worden. Der "Schlussverkaufseffekt" wurde aber offensichtlich unterschätzt. Auf einmal waren die Fördermittel verbraucht. Es kam zum Programmstopp. Eine breite Verunsicherung war die Folge. Und Neuplanungen, die Geld kosten. Es wird gewaltige Anstrengungen brauchen, um den entstandenen Vertrauensverlust, der sicher das Hauptproblem darstellt, wettzumachen.

Das Ministerium argumentiert, die CO2-Einsparung je Förder-Euro sei bei der energetischen Sanierung bis zu zehn Mal höher als beim Effizienzhaus 55. Ist eine Anpassung des Neubaustandards - 55 als neue 100 - nicht tatsächlich angebracht?

Es ist nur folgerichtig, dass Fördermittel dort eingesetzt werden, wo sie die größte Hebelwirkung erzielen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Bestand - keine Frage. Wer für Neubauten den Effizienzhaus-55-Standard ohne Förderung vorschreiben will, muss wissen, dass sich das in den Preisen niederschlagen wird. Fachleute rechnen mit etwa zehn Prozent höheren Kosten - beziehungsweise mit durchschnittlich 1,50 Euro mehr Kaltmiete pro Quadratmeter.

Wie wichtig wird das Thema Klimawende im Gebäudesektor in den kommenden Jahren für Wohneigentümer und Bausparkassen? Was sind die wesentlichen Stellschrauben, um den Bestand klimaneutral zu bekommen?

Wenn wir bis 2030 die CO2-Emissionen im Gebäudebestand nahezu halbieren wollen, müssen wir die jährliche Sanierungsquote mindestens verdoppeln: von heute 1 auf 2 Prozent; besser sogar verdreifachen. Und das so schnell wie möglich. Mit an deren Worten: Statt wie bisher rechnerisch vier Millionen Wohnungen in zehn Jahren voll zu sanieren, müssen wir sechs Millionen Wohnungen in acht Jahren schaffen.

Das geht nur, wenn es gelingt, privates Kapitel noch deutlich stärker zu mobilisieren als heute. Die Bereitschaft der Wohneigentümer, mehr zu tun, ist groß. Wir dürfen aber nicht überziehen. Zwangssanierungen, die Haushalte finanziell überfordern, verbieten sich. Hier brauchen wir Übergangsfristen, die erst beim Eigentümerwechsel greifen.

Und die Rolle der Bausparkassen?

Jahr für Jahr fließen mehr als 20 Milliarden Euro an Bauspargeldern in Modernisierungsmaßnahmen - ganz überwiegend in energetische Sanierungen. Millionen von Bausparern sparen dafür mit ihrem Bausparvertrag vor. Ihrem Energiesparvertrag. Bei steigenden Energiepreisen rechnen sich Energieeinsparmaßnahmen schneller. Eine staatliche Förderung bleibt als Starthilfe in vielen Fällen trotzdem unverzichtbar.

Deshalb sollten die alternativen Förderansätze erhalten bleiben: Zuschüsse beziehungsweise zinsverbilligte Darlehen auf der einen Seite und Steuervorteile auf der anderen. Für Komplettsanierungen und insbesondere auch für Einzelsanierungen. Denn die Praxis zeigt, dass 85 Prozent aller energetischen Sanierungen Teilsanierungen sind. Die Haushalte gehen hier oft in Etappen vor - entlang eines Sanierungsplans.

Stichwort Wohneigentum: Der Koalitionsvertrag enthält einige Passagen, die Ihnen Hoffnung machen dürften. So ist die Rede vom Abbau der Hürden beim Eigentumserwerb, etwa durch eigenkapitalersetzende Darlehen, Tilgungszuschüsse und Zinsverbilligungen für Schwellenhaushalte. Gleichzeitig sind das Themen, die man von Vorgängerregierungen auch schon gehört hat. Wie viel Verlass ist also darauf?

Entscheidend ist die Kernaussage: Wir wollen mehr Menschen in Deutschland ermöglichen, im selbst genutzten Eigentum zu wohnen, heißt es dort. Hürden beim Eigentumserwerb zu senken und Schwellenhaushalte zu unterstützen - das sind auch für uns die zentralen Ansätze. Die mit Abstand größte Hürde ist mangelndes Eigenkapital. Normalverdienenden Menschen zu helfen, dieses aufzubauen, muss im Zentrum der Politik stehen; um die Verschuldung in Grenzen zu halten und die Finanzierung auf solide Füße zu stellen.

Den Bundesländern soll eine "flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer, zum Beispiel durch einen Freibetrag, um den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu erleichtern", eingeräumt werden. Gibt es Anzeichen, dass diese da mitziehen?

Für einen Freibetrag braucht es ein Bundesgesetz. Und die Zustimmung der Länder. Die bayerische Landesregierung hat kürzlich eine Länderöffnungsklausel vorgeschlagen, mit der zum Beispiel der erstmalige Erwerb selbst genutzten Wohneigentums in eigener Zuständigkeit angepasst werden könnte. Baden-Württemberg lehnt jedoch eine individuell gestaltete Freibetragsregelung ab. Hamburg will gestaffelte Grunderwerbsteuersätze: Junge Familien sollen weniger zahlen als heute, andere mehr. Davon hält erklärtermaßen Niedersachsen nichts.

An der aus Sicht der Bundesländer mangelnden finanziellen Kompensation vonseiten des Bundes ist der Vorstoß eines Freibetrags schon zwei Mal im Bundesrat ge scheitert. Zur Gegenfinanzierung sinkender Gewerbesteuersätze hat die Ampel die Schließung steuerlicher Schlupflöcher beim Immobilienerwerb von Konzernen ins Spiel gebracht - den sogenannten Share Deals. Welches Bundesland davon aber wie profitieren wird, wenn das kommt, und ob in ausreichendem Maße, ist eine offene Frage. Wir stehen bei diesem Thema erst am Anfang.

Im Rahmen des Neubauziels von 400 000 Wohnungen, inklusive 100 000 öffentlich-geförderten Einheiten, ist die Rede von einer "sozialen Eigenheimförderung". Was ist darunter zu verstehen?

Sie ist Teil der sozialen Wohnraumförderung, mit der der Bund die Bundesländer unterstützt. Für den Zeitraum 2020 bis 2024 hat der Bund hierfür jährlich 1 Milliarde Euro vorgesehen. 2022 stehen zusätzlich 1 Milliarde Euro für den klimagerechten sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Die Aufteilung auf Miet- und Eigenheimbau obliegt aber den Bundesländern.

Sehr knapp gehalten ist das Kapitel zur Reform der privaten Altersvorsorge. Insbesondere enthält es kein Wort zu Wohneigentum als die wohl beliebteste Form der privaten Altersvorsorge. Was erwarten Sie für die Zukunft der Eigenheimrente?

Die Politik ist aufgefordert, sie vernünftig in die geplante Reform einzubauen. Die staatlich geförderte Eigenheimrente hilft, zweckgerichtet Eigenkapital aufzubauen. In der Darlehensphase wirkt sie wie ein Tilgungsturbo. Aufgrund dieser Vorzüge bekommt sie auch von Verbraucherschützern gute Noten. Die Rente besteht bei diesem Konstrukt in der Mietersparnis. Fakt ist aber auch, dass viele Menschen nicht in der Lage sind, auf zwei Wegen gleichzeitig für ihr Alter vorzusorgen: mit einer Geldrente und einer Eigenheimrente. Die Eigenheimrente muss deshalb eine frei wählbare und gleichberechtigte Alternative zu einer wie auch immer gearteten Geldrente bleiben.

Die Eigenheimrente selbst gehört aber auch reformiert, oder?

Ja. Sie muss einfacher und schlanker werden. Konkrete Vorschläge haben wir dazu gemeinsam mit der ZfA, der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen, entwickelt. Die liegen auf dem Tisch. Zudem fordern wir, die jährliche Verzinsung des Wohnförderkontos deutlich abzusenken - auf 0,25 Prozent. Das würde dem Höchstrechnungszins bei den Lebensversicherungen entsprechen.

Die heute zweiprozentige Verzinsung war bei Einführung der Eigenheimrente im Jahr 2008 okay; der Höchstrechnungszins als Referenzwert lag damals auch in dieser Größenordnung. Die geltende Regelung ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Das Nachsehen haben die Kunden.

Abgesehen von den veränderten politischen Rahmenbedingungen drehen sich derzeit auch andernorts die Vorzeichen. Vor allem die anhaltende Inflation ist bemerkenswert, gepaart mit allmählich steigenden (Bau)-Zinsen. Wie nachhaltig werden diese Phänomene in Ihren Augen sein?

Die Bundesbank prognostizierte für Deutschland kurz nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine eine Inflationsrate von fünf Prozent im Jahresdurchschnitt 2022; vorher waren es vier Prozent. Wer weiß, was noch kommt. Für den Euroraum gilt ähnliches. Dabei sieht die Bundesbank die Gefahr, dass sich die Inflation verfestigt. Auch was die Zinsentwicklung betrifft, ist die Unsicherheit derzeit so groß wie nie. Viele fürchten eine Stagflation.

Fest steht: Sollte sich die Inflation verfestigen, dürften die Bauzinsen jedenfalls mittel- und langfristig anziehen. Das ifo-Institut hatte Ende 2021 für den Fall der Verfestigung einen langfristigen Anstieg auf 4 Prozent in den Raum gestellt. Schon ein mittelfristiger Anstieg auf 2,5 oder 3 Prozent könnte für Finanzierungskunden eine enorme Herausforderung bedeuten.

Wird die EZB dem Inflationsrisiko angemessen Rechnung tragen?

Bei allem Verständnis für das Dilemma, in dem sich die EZB befindet: Die Normalisierung der Geldpolitik muss kommen. Ihre Kernaufgabe ist der Erhalt einer stabilen Währung. Daran muss man immer wieder erinnern.

Macht sich das Thema schon in irgendeiner Form bei Kundengesprächen bemerkbar? Sprich, gewinnt das gute alte Absicherungsargument gegen steigende Zinsen wieder an Bedeutung?

Ja, eindeutig. Im Schnitt dauert es knapp 30 Jahre, bis ein Immobiliendarlehen zurückgezahlt ist. Jeder kann sich ausrechnen oder im Tilgungsplan nachlesen, wie hoch seine Restschuld nach Ablauf einer 10-, 15- oder 20-jährigen Zinsbindungsfrist ist. Will er auf Nummer sicher gehen, tut er gut daran, für ein heute nicht mehr unwahrscheinliches Szenario Vorsorge zu treffen. Zinsabsicherung ist das Gebot der Stunde.

Wie läuft es dieser Tage denn für die Bausparkassen im Neugeschäft?

Im Fokus steht bei uns die Baufinanzierung. Mit Baugeldauszahlungen von etwas über 31 Milliarden Euro haben wir 2021 fast das Rekordergebnis von 2020 wiederholen können. Was die Neuabschlüsse angeht, spüren wir natürlich die fast sechsmonatige Lockdown-Phase in der ersten Jahreshälfte, die deutlich länger dauerte als 2020. Volumenmäßig fehlen bei einer Abschlusssumme von fast 47 Milliarden Euro gut 6 Prozent zum Vorjahr.

Weniger kleinvolumigere Sparverträge - dafür höhervolumige Finanzierungsverträge: Dieser Trend hält an. Die durchschnittliche Bausparsumme pro neu abgeschlossenen Vertrag lag bei unseren Instituten zuletzt bei knapp 53 000 Euro. Zehn Jahre zuvor waren es rund 31 000 Euro. Vor dem Hintergrund der erwähnten Eigenkapitalproblematik ist das ein gutes Signal.

Nicht neu ist bekanntlich die Sorge der deutschen Aufsicht vor Übertreibungen am Wohnimmobilienmarkt. Auch deshalb wurde der antizyklische Kapitalpuffer wieder eingeführt. Hinzu kommt ein "sektoraler Systemrisikopuffer" für Wohnimmobilienkredite. Wie stark wird das die Kreditvergabe der Branchenvertreter beeinflussen, sprich verteuern beziehungsweise im schlimmsten Fall sogar einschränken?

Das entscheidet letztlich der Wettbewerb. Der ist bei uns sehr hart. Zum einen durch die Vielzahl der Kreditinstitute, zum anderen durch Kreditgeber, die weniger streng reguliert sind. Wir hätten uns gerade mit Blick auf den Immobilienpuffer eine differenzierte Lösung gewünscht, die dem Risikoprofil der Bausparkassen stärker Rechnung trägt.

Ein Großteil unseres Geschäfts fließt, wie erwähnt, in die Sanierung des Gebäudebestands. Die Gefahr einer Blasenbildung kann ich hier überhaupt nicht erkennen.

Wir bauen darauf, dass die Aufsicht die Notwendigkeit dieser Entscheidung gerade auch vor dem Hintergrund des europäischen Wettbewerbs in regelmäßigen Abständen überprüft.

Lässt sich eigentlich schon abschätzen, wie einschneidend die unlängst finalisierten Basel-III-Vorschriften für die Bausparkassen sein werden?

Exakt beziffern lässt sich das noch nicht. Erst müssen sich das Europäische Parlament und der Rat eine Meinung bilden. Dann beginnt der Trilog-Prozess. Der dürfte sich mindestens ein Jahr hinziehen.

Die Einführung der neuen Vorschriften soll bekanntlich 2025 erfolgen, die volle Umsetzung 2030. Unbefriedigend an der Vorlage ist, dass sie dem differenzierten und heterogenen Bankenmarkt in Europa nicht ausreichend Rechnung trägt. Wir brauchen risikoadjustierte Eigenkapitalanforderungen.

Nicht hinnehmbar ist außerdem der bislang in der Vorlage angelegte Wettbewerbsnachteil gegenüber in der Immobilienfinanzierung tätigen Nichtbanken, für die keine höheren Eigenkapitalanforderungen vorgesehen sind. Über das Berechnungsmodell wird im Trilog noch zu sprechen sein. Hier bringen wir uns auch über die Europäische Bausparkassenvereinigung ein.

Bernd Hertweck , Vorstandsvorsitzender, Wüstenrot Bausparkasse, Kornwestheim, und Vorstandsvorsitzender, Verband der Privaten Bausparkassen e.V., Berlin
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