PRIVATE WOHNUNGSBAUFINANZIERUNG

"SCHWARZ-WEISS-MALEREI HILFT UNS NICHT WEITER"

Anne Katrin Bohle, Foto: BMI

Auf ein sehr positives Echo stieß die Berufung von Anne Katrin Bohle zur Bau-Staatssekretärin Ende März 2019, nicht zuletzt in der Immobilienwirtschaft: Durch die Bank weg wurde die Entscheidung Horst Seehofers begrüßt und als wichtiges Signal gewertet, dass mit Bohle als langjährige Vorsitzende des Ausschusses für Bauen, Stadtentwicklung und Wohnen der Bauministerkonferenz erneut eine Person mit großer Expertise für das Amt ausgewählt wurde. Im Interview mit der I & F-Redaktion erörtert die Nachfolgerin Gunther Adlers, wie sie den Vorschusslorbeeren gerecht werden will. Im Fokus steht das weitere Abarbeiten der im September 2018 auf dem Wohngipfel gefassten Beschlüsse, bei denen es gerade in den vergangenen Wochen und Monaten einige Erfolge zu vermelden gab. Red.

Normenflut, Baulandmangel, langwierige Planungs- und Baugenehmigungsverfahren und, und, und: Die To-Do-Liste rund um den Themenkomplex bezahlbares Wohnen und Bauen ist gewaltig. Wie gehen Sie grundsätzlich an Ihre neue Aufgabe als Baustaatssekretärin heran? Welche Themen priorisieren Sie?

Nur eine ganzheitliche Herangehensweise ist zielführend. Mit der Wohnraumoffensive haben wir auf dem Wohngipfel entscheidende Weichen gestellt und ein einmaliges Maßnahmenpaket geschnürt. Dieses umfasst neben investiven Impulsen für den Wohnungsneubau, die Sicherung der Bezahlbarkeit auch den Bereich der Baukostensenkung und der Fachkräftesicherung. Mit diesem Dreiklang setzen wir auf verschiedenen Ebenen an, um den Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt zu begegnen.

Eines ist klar: Nur wenn alle Akteure auf den Wohnungsmärkten zusammenarbeiten, kann es gelingen. Viele dieser Maßnahmen sind bereits umgesetzt, andere sind in Vorbereitung. Die Erhöhung des Wohngelds und die bereits in Kraft getretene Grundgesetzänderung, die es dem Bund dauerhaft ermöglicht, den Ländern Finanzhilfen für die soziale Wohnraumförderung zu gewähren, sind nur zwei Beispiele dafür.

Ihr Vorgänger Gunther Adler war für seinen guten Draht in die Immobilienwirtschaft bekannt. Wie wichtig ist Ihnen der intensive Dialog mit der Branche?

Aus meinen langjährigen Erfahrungen als Abteilungsleiterin im Bauministerium in Nordrhein-Westfalen und als Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bau- und Wohnungswesen (ASBW) weiß ich, dass ein enger und vertrauensvoller Dialog zwischen allen Beteiligten sehr wichtig ist. Das schließt die Politik, die Wirtschaft und die Gesellschaft selbstverständlich mit ein. Den intensiven Gesprächsfaden werde ich auch weiterhin aufrechterhalten und den Dialog fördern.

Die Immobilienwirtschaft steht derzeit im Kreuzfeuer der Kritik und die Debatte um den richtigen Umgang mit großen Wohnungsunternehmen reißt nicht ab. Was ist Ihre Meinung dazu?

Ich denke Schwarz-Weiß-Malerei hilft uns nicht weiter. Ich habe die Branche stets als konstruktiven und kritischen Partner wahrgenommen. Die zahlreichen Bündnisse auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene haben das in den letzten Jahren gezeigt und zu mehr Verständnis zwischen Politik und "der Branche" geführt.

Ohne Investitionen aus der Privatwirtschaft wird den Engpässen am Wohnungsmarkt nicht beizukommen sein. Gleichzeitig verschlechtern sich die Rahmenbedingungen für diese Akteure aufgrund der immer stärkeren dirigistischen Eingriffe der Politik zunehmend. Sind eine verschärfte Mietpreisbremse, Milieuschutzgebiete, die Absenkung der Modernisierungsumlage oder ein Mietendeckel wirklich die geeigneten Maßnahmen für die aktuellen Probleme?

Ohne eine Bewertung der genannten Maßnahmen im Detail vorzunehmen, gilt: Wohnen muss für alle Bevölkerungsschichten bezahlbar sein. Dabei ist der Schutz vor einer Überforderung durch steigende Mieten in ein faires Verhältnis zu den Interessen investitionswilliger Akteure aus der Privatwirtschaft zu setzen. Die Verfügbarkeit ausreichenden und bezahlbaren Wohnraums ist der Hebel, an dem wir ansetzen müssen.

Welche Fortschritte macht die öffentliche Hand aktuell bei anderen relevanten Themen, etwa bei verbilligten Grundstückverkäufen, einer Musterbauordnung, der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen, Nachverdichtungen oder dem verstärkten Einsatz von Konzeptverfahren?

Bei der Mobilisierung von Bauland geht der Bund mit gutem Beispiel voran. Dazu wurde die BImA-Verbilligungsrichtlinie neu gefasst und die verbilligte Abgabe von Liegenschaften für den sozialen Wohnungsbau erleichtert. Es sind bereits sichtbare Erfolge anhand steigender Verkaufszahlen zu verzeichnen. Die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen wie für die BImA wollen wir für Grundstücke des Bundeseisenbahnvermögens schaffen. Geplant ist, entsprechende Regelungen in den Bundeshaushalt 2020 einzubringen.

Für die Bauleitplanung sind die Kommunen zuständig. Bei der notwendigen Ermittlung betroffener Belange sind Vorgaben des Fachrechts zu beachten; auch lässt sich die Öffentlichkeitsbeteiligung in der Regel bis auf eine europarechtlich vorgegebene 30-Tagesfrist je nach den Bedürfnissen des Einzelfalls flexibel gestalten. Eine Beschleunigung dürfte hier am ehesten durch ein effizienteres Zusammenspiel von Vorhabenträgern, betroffenen Trägern öffentlicher Belange und der planenden Kommune zu erreichen sein.

Sie wurden vor Kurzem mit dem Satz zitiert "Bauen, bauen, bauen in den Ballungsräumen kann nicht der einzige Lösungsweg gegen die Mietwohnungskrise in Deutschland sein." Was konkret muss getan werden, um die Flächen abseits der Metropolen zu stärken?

Es kann nicht sein, dass wirtschaftsstarken Ballungsgebieten mit überhitztem Wohnungsmarkt ländliche Räume gegenüberstehen mit Bevölkerungsabwanderung und Leerstand. Daher hat sich die "Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse" in insgesamt sechs Arbeitsgruppen Gedanken gemacht, wie gleichwertige Lebensverhältnisse in unserem Land realisiert werden können. Daraus zogen Bundesminister Seehofer als Kommissionsvorsitzender und die Co-Vorsitzenden, die Bundesministerinnen Klöckner und Giffey, Schlussfolgerungen, auf deren Grundlage das Bundeskabinett einen Strauß von Maßnahmen beschlossen hat.

Die Stärkung peripherer Räume erfordert ein vielschichtiges Herangehen: Es müssen Arbeitsplätze - auch hochwertige - in die Fläche gebracht werden und die infrastrukturelle Ausstattung der Räume muss attraktiv für qualifizierte Arbeitnehmer und Familien sein. Dazu gehören in erster Linie ein flächendeckend leistungsstarkes Internet und Mobilfunknetz und gute verkehrliche Anbindungen. Die Maßnahmen sollen kurzfristig wirken, aber auch Weichenstellung für eine dauerhafte und nachhaltige Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse sein.

Wäre es an dieser Stelle nicht auch wünschenswert, den Menschen reinen Wein einzuschenken, sprich, dass sich auf absehbare Zeit eben nicht mehr jeder in den attraktiven Innenstadtlagen eine Wohnung leisten kann?

Auch in der Vergangenheit konnte sich nicht jeder in den attraktiven Innenstadtlagen Wohnraum leisten. Wir sehen aber die Entwicklungstendenzen der Segregation in unseren Städten und Gemeinden. Wenn sich nur noch Wohlhabende die Stadt leisten können und andere verdrängt werden, schadet dies unserer Gesellschaft, unseren Kommunen insgesamt. Dieser Polarisierung wollen wir entgegentreten. Unsere Städte und Quartiere müssen allen Bevölkerungsgruppen zugänglich sein. Unser Ziel ist die Schaffung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen, für starke, gut funktionierende und lebendige Städte und Gemeinden mit hoher Lebensqualität für alle. Dazu stellen wir in diesem Jahr erneut 790 Millionen Euro Städtebaufördermittel bereit, um lebendige Ortschaften, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und so auch das Funktionieren der Städte insgesamt sicherzustellen.

Zentraler Ansatzpunkt zur Schaffung von mehr Wohnraum ist und bleibt die Mobilisierung von zusätzlichem Bauland. Hier hat die Baulandkommission vor wenigen Wochen eine Vielzahl von Empfehlungen vorgestellt. Wie beurteilen Sie diese und welche erachten Sie als besonders dringlich?

Die Handlungsempfehlungen der Baulandkommission stehen für einen verantwortungsbewussten Umgang mit der begrenzten Ressource Boden und sind ein wichtiger Baustein innerhalb der Wohnraumoffensive. Die Empfehlungen zielen auf eine aktive Boden- und Liegenschaftspolitik in Bund, Ländern und Kommunen und auf eine Verbesserung der Anwendung und Wirksamkeit der Instrumente. Es geht auch um die Verbesserung des Prozessmanagements bei der Baulandbereitstellung sowie des Datenbestands für Analyse und Markttransparenz. Die Umsetzung vieler einzelner Maßnahmen muss nun rasch erfolgen. Von Bundesseite wollen wir beispielsweise noch in diesem Jahr den Entwurf für eine Baugesetzbuchnovelle erarbeiten.

Befürworten Sie eine Grundsteuer C?

Die Grundsteuer C - wie sie der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht - wird es den Kommunen ermöglichen, in Gebieten mit Wohnungsmangel einen erhöhten Hebesatz für unbebaute, aber baureife Grundstücke einzuführen. Damit soll der Anreiz, Grundstücke in Erwartung weiterer Wertsteigerungen zurückzuhalten, gemindert werden. Allerdings kann die Grundsteuer C erst zusammen mit der Grundsteuerreform eingeführt werden, also erst ab dem Jahr 2025.

Lassen Sie uns auch noch auf die Wohneigentumspolitik zu sprechen kommen: Hier hat die GroKo mit dem Baukindergeld bekanntlich nach vielen Jahren ein Signal zugunsten des selbstgenutzten Wohneigentums gesendet. Gleichzeitig monieren Kritiker, dass die Förderung nicht nur kostspielig sei, sondern darüber hinaus auch in Mitnahmeeffekten verpuffen werde. Was entgegnen Sie dem?

Das Baukindergeld wird rege in Anspruch genommen und kommt auch bei denjenigen an, für die es vorgesehen ist: Bis Ende Juni 2019 sind bereits über 110 000 Anträge mit einem Zuschussvolumen von rund 2,3 Milliarden Euro bei der mit der Durchführung des Programms beauftragten KfW eingegangen. Dabei haben 60 Prozent der Antragsteller mit Auszahlungsbestätigung ein durchschnittliches zu versteuerndes Haushaltseinkommen von bis zu 40 000 Euro pro Jahr.

Um Mitnahmeeffekten entgegenzuwirken, haben wir zahlreiche Regelungen in die Fördervoraussetzungen aufgenommen, die Mitnahmeeffekte vermeiden. Zu nennen ist neben dem Ausschluss der Förderung bei vorhandenem Voreigentum und den bestehenden Einkommensgrenzen insbesondere der Ausschluss der Förderung im Falle von Schenkungen oder vorweggenommenen Erbfolgen. Bei diesen Erwerbsgeschäften ist davon auszugehen, dass die Antragsteller über ausreichende finanzielle Mittel zum Eigentumserwerb verfügen. Sie sind somit nicht auf das Baukindergeld angewiesen. Dadurch erhalten diejenigen Familien das Baukindergeld, die die Förderung für den erstmaligen Erwerb von Wohneigentum tatsächlich benötigen. Nicht zuletzt können - anders als bei der früheren Eigenheimzulage - nur Familien mit Kindern das Baukindergeld in Anspruch nehmen.

Welche weiteren Maßnahmen im Bereich der Wohneigentumsbildung stehen in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode an? Wird eine Verbesserung der Ansparförderung im Rahmen der seit 1996 nicht mehr angepassten Wohnungsbauprämie kommen?

Vorgesehen sind Maßnahmen zur Senkung der Erwerbsnebenkosten, wie etwa Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer für den Ersterwerb einer Immobilie zur Selbstnutzung durch Familien. Da die Steuer allein den Ländern zusteht, bedarf es hierfür aber des Einvernehmens mit den Ländern. Bezüglich der Wohnungsbauprämie gehe ich davon aus, dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Verbesserungen umsetzen werden. Das BMF möchte hier die Ergebnisse der Evaluierung abwarten, die Ende des Jahres vorliegen sollen. Wir drängen jedoch darauf, entsprechende Maßnahmen zeitnah umzusetzen.

Die Deutsche Bundesbank hat kürzlich in einer Studie die große finanzielle Diskrepanz zwischen Wohneigentümern und Mietern festgestellt. Wie besorgniserregend ist dieser Befund mit Blick auf die zuletzt sogar leicht rückläufige Wohneigentumsquote in Deutschland?

Dass Wohneigentümer im Durchschnitt ein höheres Vermögen haben als Mieter, ist an sich nicht überraschend. Offensichtliche Gründe dafür sind die unterschiedlichen Haushaltsstrukturen sowie die mit dem Einkommen und Vermögen steigende Wahrscheinlichkeit, überhaupt Wohneigentum erwerben zu können beziehungsweise zu wollen. Sinkende Zinsen und steigende Haushaltseinkommen bieten hierfür trotz steigender Immobilienpreise noch gute Chancen, die wir durch das Baukindergeld weiter verbessern. Um die bei steigenden Immobilienpreisen erhöhten Eigenkapitalanforderungen erfüllen zu können, brauchen wir zudem eine bessere Vorsparförderung.

Unabhängig von der Frage Miete oder Eigentum kommt es wohnungspolitisch aber vor allem darauf an, dass alle Menschen in Deutschland quantitativ und qualitativ gut mit Wohnraum versorgt sind und ihre Wohnkostenbelastungen tragen können. Das ist letztlich das Kernziel der gemeinsamen Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden.

Ein Hemmschuh für viele Menschen beim Sprung in die eigenen vier Wände sind nicht zuletzt die stark gestiegenen Erwerbsnebenkosten. Insbesondere die in den meisten Bundesländern gestiegenen Grunderwerbsteuersätze schlagen ins Kontor. Werden Sie an dieser Stelle an die Länder appellieren?

Wie schon gesagt, plant die Koalition Maßnahmen zur Senkung der Erwerbsnebenkosten. Wie Sie richtig sagen, fallen gerade die Kosten der Grunderwerbsteuer sehr stark ins Gewicht. Und natürlich appelliere ich an die Länder, die Eigentumsbildung - gerade für junge Familien - nicht durch zu hohe Grunderwerbsteuersätze zu erschweren.

Rechnen Sie damit, dass die von der ehemaligen Bundesjustizministerin Katarina Barley geplante Einführung des Bestellerprinzips bei Kaufverträgen von Wohnimmobilien kommt?

Teile der Immobilienbranche haben unlängst bereits gewarnt, dass dadurch die Kaufpreise nur noch weiter steigen würden. Ich begrüße grundsätzlich alle Ansätze, die dazu beitragen können, die Nebenkosten beim Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum zu senken. Hierzu gehört auch die Überlegung, dass Druck auf die Provisionshöhe entstehen würde, wenn der Verkäufer die Maklerkosten zu tragen hat. Vermieden werden sollte jedoch, dass die Maklerprovision künftig auf den Kaufpreis aufgeschlagen wird. Da sich die weiteren Kaufnebenkosten wie Grunderwerbsteuer, Notarkosten und die Kosten für die Eintragung ins Grundbuch am Kaufpreis orientieren, sehe ich auch die Gefahr, dass die Gesamtkosten für den Käufer steigen. Auch hier müssen wir Lösungen finden, die diese "Nebenwirkungen" berücksichtigen.

Abschließend die Gretchenfrage: Ist die zu Beginn der Legislaturperiode ausgerufene Zielmarke von 1,5 Millionen neuen Wohnungen noch zu schaffen?

Mir ist bewusst, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Zielmarke sehr ambitioniert ist. Als Bundesregierung arbeiten wir engagiert an der Erreichung dieses Ziels. Dafür brauchen wir natürlich auch die Unterstützung von Ländern und Kommunen. Das gilt für die breitenwirksame Mobilisierung von Wohnbauland genauso wie für Erfolge beim sozialen Wohnungsbau oder bei der Abarbeitung des großen Bauüberhangs von fast 700 000 Wohnungen.

Eine erfolgreiche Wohnungspolitik kann nur als Gemeinschaftsprojekt von Bund, Ländern und Kommunen unter Berücksichtigung berechtigter Interessen der Bau- und Immobilienbranche gelingen. Als Bund schaffen wir mit zahlreichen investiven Impulsen und guten Rahmenbedingungen auf jeden Fall beste Voraussetzungen für die Überwindung der Knappheitssituationen auf angespannten Wohnungsmärkten.

ZUR PERSON ANNE KATRIN BOHLE Staatssekretärin, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Berlin
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