PERSONALMANAGEMENT

"DIE GENERATION Z WILL BEIDES: KARRIERE UND EINE INTAKTE UMWELT"

Prof. Dr. Marion Peyinghaus, Foto: CC PMRE

Die Corona-Pandemie hat sich bekanntlich in vielen Bereichen des Lebens als echter "Gamechanger" erwiesen. Auch im Bereich "Führung und Zusammenarbeit" ist es mit Sicherheit ein zutreffender Befund. So sollen sich Kollegen mitunter seit über zwei Jahren nicht mehr auf klassisch "analogem" Weg begegnet sein. Welche Herausforderungen das mit sich bringt, ist eines von vielen Themen des folgenden Interviews mit Marion Peyinghaus. Red.

Frau Peyinghaus, der neue PMRE Monitor dreht sich um zukunftsweisende Führungsmodelle in der Immobilienwirtschaft. Wie haben Sie sich methodisch dem Thema genähert?

Zusammen mit der HTW Berlin und der CCTM Real Estate & Infrastructure AG aus Basel haben wir von September bis Oktober 2021 eine breit angelegte Marktanalyse durchgeführt. Der Fragebogen wurde von rund 250 Führungskräften und Mitarbeitenden der Immobilienwirtschaft sowie 265 Vertretern der Generation Z beantwortet. Die Stichprobe ist mit insgesamt über 500 Teilnehmern die größte seit Beginn der Marktanalysen des CC PMRE und demonstriert damit die hohe Relevanz des Forschungsthemas. Zudem war uns die Einbindung der Studierenden besonders wichtig, denn sie sind die Mitarbeiter von Morgen und ihre Bedürfnisse prägen die künftige Zusammenarbeit.

Bei Ihrer Forschung werden sie von einem Steuerungsausschuss begleitet, der sich aus renommierten Fach- und Führungskräften der Branche zusammensetzt. Welchen Input beziehungsweise Mehrwert konnte dieser im vorliegenden Fall liefern?

Der Steuerungsausschuss setzt Impulse und leitet uns bei der Auswahl von Forschungsthemen und der Interpretation der Ergebnisse. Inintensiven Gesprächen tauschen wir uns zu Herausforderungen in den Unternehmen aus, aber natürlich auch zu zukunftsweisenden Lösungsansätzen. Das sind zum Teil ganz pragmatische Ansätze. In der Praxis zeigt sich, dass hybride Workshops nur bedingt funktionieren. Bei der rein digitalen Zusammenarbeit geht jedoch der Zusammenhalt verloren. Ein Immobilienmanager hat deshalb für Ausgleich gesorgt: Die Sitzungen finden online statt und zusätzlich wurde ein Meet & Greet-Termin vor Ort eingestellt, damit die Teammitglieder sich sehen und informell austauschen. Es braucht in der virtuellen Arbeit Zusatzformate, in denen die Kultur gefördert wird.

Sie haben betont, ein Hauptaugenmerkt der Untersuchung liegt auf der Generation Z. Inwieweit unterscheidet sich deren Erwartungshaltung von älteren Generationen?

Wir sehen deutliche Differenzen, insbesondere ein Thema sticht hervor: Gesundheit ist Trumpf! Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, Maßnahmen zum Stressabbau, vegane Ernährung sind primäre Wünsche der Generation Z. All das soll die Führungskraft unterstützen, für digitale Pausen sorgen und einer Verschmelzung von Arbeits- und Privatleben durch digitale Medien entgegenwirken. Aktuell ist dem noch nicht so. Der Gap liegt bei 21 Prozent. Stellen sich Unternehmen und Führungskräfte auf diesen Trend ein, erlangen sie damit einen klaren Wett bewerbsvorteil im "War for Talents". Aber auch Projektentwickler sollten dies bei der Planung von Bürogebäuden und deren Ausstattung entsprechend berücksichtigen.

Welchen Stellenwert genießt das Thema Personalführung Ihrer Beobachtung nach grundsätzlich in den Führungsebenen der Immobilienwirtschaft? Ist der vielzitierte War for Talents in den vergangenen Jahren aufgrund der vielen anderen Herausforderungen nicht doch etwas in den Hintergrund gerückt?

Der War for Talents hat nach wie vor eine sehr hohe Relevanz und das hängt direkt mit dem Führungskräftemangel zusammen. Oft werden wir mit den Sorgen und Nöten der Personalknappheit und des schwierigen Recruitings konfrontiert. Gerade bei Unternehmen aus den Bereichen Property und Facility Management, bei denen die Gehaltsstufen begrenzt sind. Hier braucht es andere Strategien zur Mitarbeitergewinnung und vor allem Bindung der Fachkräfte. Da ist das Thema Gesundheit ein Anreiz, aber auch Perspektiven zur persönlichen Weiterentwicklung oder das ESG-Engagement des Unternehmens erzeugen eine Magnetwirkung. Denn letztendlich will die Generation Z beides: Karriere und eine intakte Umwelt.

Die Corona-Pandemie hat bekanntlich vieles verändert, auch und gerade im Personalwesen. Eine aktuelle Umfrage von Gallup etwa besagt, dass sich hierzulande so wenig Arbeitnehmer an ihre Arbeitgeber gebunden fühlen wie nie zuvor. Entsprechend hoch ist die Wechselbereitschaft. Wie ausgeprägt ist dieser Trend mit Blick auf die Immobilienbranche?

Auch in der Immobilienwirtschaft zeigt sich ganz klar, die Nähe zur Führungskraft hat gelitten. In Zahlen liegt die negative Veränderung bei durchschnittlich 7 Prozent. Doch nicht nur zwischen Führungskraft und Belegschaft hat sich eine Distanz entwickelt, auch der Teamspirit und der Zusammenhalt unter den Mitarbeitern hat abgenommen.

Ein Interviewpartner bestätigt uns: "Wir hatten vor der Corona-Phase eine fantastische Teamkultur. Corona hat diesen Bonus aufgezehrt. Wir können nicht wie-der da ansetzen, wo wir einmal waren." Folglich sinkt auch die Identifikation mit dem Unternehmen. Quellen für Erfolgs- und Glücksmomente wurden außerhalb der Firma gesucht, mit dem Resultat, dass die emotionale Bindung geringer geworden ist und somit die Wechselbereitschaft steigt.

Auffallend ist in solchen Umfragen auch immer wieder, dass die Selbsteinschätzung der Führungskräfte teils doch erheblich von der Bewertung durch die Mitarbeiter abweicht. Konnten Sie das ebenfalls beobachten?

Fremd- und Selbstbild der Führungskräfte driften stark auseinander. Die Ergebnisse zeigen, dass die 154 befragten Führungskräfte grundsätzlich ihr eigenes Verhaltensmuster positiver bewerten als die 94 Mitarbeitenden. Insgesamt wurden 96 Verhaltensmuster analysiert, bei 92 Prozent davon liegt ein Entwicklungsbedarf aus Sicht der Mitarbeitenden vor. Es besteht also ein akuter Handlungsbedarf. Die stärkste Diskrepanz liegt bei der Führungsaufgabe "individuelle Berücksichtigung" vor. Dies beinhaltet beispielsweise, dass die Führungskraft die Individualität jedes Einzelnen berücksichtigt und dabei hilft, spezifische Stärken jedes Teammitglieds auszubauen. Diese Wünsche sind konform mit der aktuellen soziologischen Entwicklung: Die Gesellschaft strebt zunehmend nach Individualisierung und die Selbstverwirklichung des Einzelnen ist das oberste Ziel. Um die Mitarbeiter wirklich zu erreichen, sollten Führungskräfte daher individueller auf deren Bedürfnisse, Fähigkeiten und Ziele eingehen.

Bei der Frage nach den von Ihnen ermittelten Erfolgsfaktoren fällt zunächst auf, dass weder die Führungskräfte selbst, noch der Digitalisierungsgrad entscheidend für Mitarbeiterbindung und Unternehmenserfolg sind. Stattdessen deuten die Ergebnisse des PMRE Monitors darauf hin, dass Prozesse und Unternehmenskultur das A und O sind. Wie erklären Sie sich das?

Letztendlich kann eine Führungskraft noch so motivierend sein, sind die Prozesse nicht strukturiert, führt das zu Ineffizienzen und Frustration. Das gilt umso mehr für die dezentrale Arbeit im virtuellen Raum. Ein Mitarbeiter kann im Homeoffice nicht mal schnell etwas am Nachbartisch erfragen oder den Kollegen um ein Beispiel bitten. Jede Unklarheit führt zu Reibungsverlusten. Klare Definitionen sind wichtig, die jedem zeigen, wer ist für was verantwortlich. Und neben all diesen Formalien braucht es eine gute Unternehmenskultur. Die sorgt für den nötigen Klebstoff unter den Mitarbeitenden, sie ist der Kitt, der alles zusammenhält.

Wie ist es also um die Prozessqualität und Unternehmenskultur in den Unternehmen bestellt?

Insbesondere die Prozessqualität ist desaströs. Trotz der erwiesenermaßen hohen Wirksamkeit bleiben hier große Potenziale ungenutzt. Der Umsetzungsgrad, insbesondere im Prozessmanagement, wird von den Mitarbeitenden als unterdurchschnittlich bewertet. Schlimmer noch: In den vergangenen zehn Jahren hat die Prozessqualität in der Branche sogar um 21 Prozent abgenommen. Während im Jahr 2010 die Prozesseffizienz noch mit einem Zielerreichungsgrad von 22 Prozent angegeben wurde, liegt sie in der aktuellen Marktumfrage bei lediglich 1 Prozent. Dieser durchschnittliche Zielerreichungsgrad zeigt, auf dem Feld der Prozesse wurde im vergangenen Jahrzehnt nichts erreicht.

Welche Maßnahmen können zur Verbesserung ergriffen werden?

Zum einen müssen Arbeitsabläufe definiert und dokumentiert werden. Dabei muss es sich nicht nur um altbackene Flow-Chart-Diagramme handeln. Ideen spenden hier moderne Softwarelösungen. So können Teams ein eigenes digitales Wiki führen, indem sie Vorgehensmodelle zu wiederkehrenden Abläufen notieren oder Antworten zu häufig auftretenden Rückfragen aufführen. Zum anderen muss in die Kultur investiert werden. Wie gesagt, wir haben nach der langen Distanzarbeit in der Pandemie etwas aufzuholen. Diese Kulturarbeit braucht zusätzliche Formate neben den fachlichen Meetings. Es zeigt sich, dass die gemein same Einnahme von Mahlzeiten besonders förderlich ist. Daher sollten Einsparungen in den Büroflächen durch Homeoffice direkt in Grillabende oder Kochevents reinvestiert werden.

Der Monitor enthält eine Art "Idealbild einer Führungskraft". Was sind dessen Kernelemente?

Die individuelle Berücksichtigung jedes Einzelnen und Unterstützung individueller Karrierepfade steht dabei deutlich im Vordergrund. Dazu braucht es nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern auch Empathie und die Fähigkeit zuhören zu können. Darüber hinaus ist die Förderung der Innovationskultur essenziell und die Etablierung einer Fehlerkultur. Auch ein Scheitern muss erlaubt sein. Für die Generation Z spielt wie gesagt die Gesundheit eine große Rolle. Dazu zählt auch der Umgang mit digitalen Medien. Es wird erwartet, dass Führungskräfte die Chancen und auch Gefahren der Digitalisierung kennen und eine zu starke Verschmelzung von Privat- und Arbeitsleben durch digitale Medien vorbeugen. Und zuletzt kann als Ratschlag gegeben werden: Überschätzen Sie sich nicht! Führungskräfte sollten aktiv bei ihren Mitarbeitenden nachfragen, wie ihr Führungsverhalten tatsächlich wahrgenommen wird.

Inwieweit ist ESG eine Führungsaufgabe?

ESG ist eine zentrale Führungsaufgabe, nur so wird das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen und in den Köpfen der Mitarbeitenden verankert. Dazu ist es erforderlich, dass die Führungskraft selbst über ein umfangreiches Wissen zu ESG-Themen verfügt und aktiv zur Nachhaltigkeit in den Immobilien, aber auch in den internen Prozessen beiträgt. Dazu zählt beispielsweise eine Anpassung der Dienstreiseregelung zugunsten von CO2-neutralen Verkehrsmitteln. Diese Regeln müssen natürlich durch die Führungskräfte selbst eingehalten werden. Echte Vorbilder sind hier gefragt!

Im Monitor ist von transformationaler und transaktionaler Führung die Rede. Wo liegt der Unterschied?

Transformational führen bedeutet Führung mit Inspiration und Motivation. Transaktionale Führung bezieht sich hingegen primär auf den Austausch von Leistungen: Gehalt gegen Arbeit. In der Wirksamkeit schlägt die transformationale Führung klar den transaktionalen Ansatz. Die Erfolgsbilanz liegt bei 19 versus 1 Prozent. Obwohl die transaktionale Führung seine Grenzen hat, ist es ein beliebtes Führungsinstrument in der Immobilienwirtschaft. Hier wird Energie verschwendet. Dem gegenüber steht ein deutlicher Potenzialverlust bei der transformalen Führung. Trotz der hohen Wirksamkeit, kommt dieser Führungsansatz in der Immobilienwirtschaft zu selten zur Anwendung. Führungskräfte können hier mehr Inspiration und Motivation zeigen und ihren Einfluss durch Vorbildfunktion stärker nutzen. Das heißt vor allem, eigene Interessen hinter dem Wohl des Teams zurückzustellen und für gerechte Arbeitsmodalitäten zu sorgen.

Wie stark ist der Wunsch nach Homeoffice unter den von Ihnen Befragten?

Im Schnitt wünschen sich die Mitarbeitenden zwei, drei Tage Homeoffice pro Woche. Aus Sicht der Führungskräfte reichen hingegen zwei Tage aus. Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile hat die Studie insbesondere den Aufwand und die Zufriedenheit gemessen. Im Vergleich zur konventionellen Büroarbeit geben Führungskräfte für die digitale Zusammenarbeit einen Mehraufwand von 9 Prozent an, Mitarbeiter beziffern ihn mit 8 Prozent. Allerdings wächst auch die Zufriedenheit. Trotz einer erhöhten Belastung ist der Zufriedenheitsgrad bei Führungskräften um 14 Prozent höher, bei Mitarbeitern immerhin um 12 Prozent. Diese Zufriedenheit ist Garant dafür, dass Homeoffice auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeitswelt bleiben wird.

Welche Immobiliensegmente hatten am meisten Stress während der Pandemie?

Die Vermietung! Dort wurde mit plus 11 Prozent der größte Mehraufwand beziffern. Die Vermietung lebt von Kontakten und Netzwerkpflege, was in Zeiten des Lockdowns nicht möglich war. Zudem stieg in der Corona-Phase das Vermietungsrisiko, insbesondere im Handel, was einen zusätzlichen Stressfaktor darstellte. Ge ringe Belastungsanstiege mit einem durchschnittlichen Mehraufwand von 6 bis 7 Prozent verzeichnen hingegen die Bewertung sowie die Bereiche Betrieb/Instandhaltung, kaufmännisches Gebäudemanagement und Fonds-/Portfoliomanagement. Auch zeigen sich zwischen den Immobiliensegmenten Unterschiede bei der idealen Teamgröße oder der Frage, wie viel persönlicher Kontakt zwischen Kollegen oder zur Führungskraft nötig ist. Daraus lässt sich ableiten: Es gibt keine Faustregel! Ins besondere für die Gestaltung der digitalen Zusammenarbeit. Es braucht pro Segment individuelle Lösungen, die von der Führungskraft gemeinsam mit den Mit arbeitenden entworfen werden müssen.

Was leidet unter der digitalen Zusammenarbeit am meisten? Und wie können Führungskräfte dem entgegenwirken?

Die größten Verluste zeigen sich beim Onboarding neuer Mitarbeiter. In den vergangenen Monaten haben neue Mitarbeitende ihre Arbeit meist im Homeoffice aufgenommen, den Laptop per Post erhalten und erst Monate später ihre Kollegen persönlich kennengelernt. Das kostet Kraft, bei den Mitarbeitenden wie bei den Führungskräften. Letztendlich geht es auch hier um die Erfolgsfaktoren Prozesse und Kultur. Gerade neue Mitarbeitende, welche die informellen Regeln nicht kennenlernen konnten, sind auf eindeutige Arbeitsvorgaben und kollegiale Unterstützung angewiesen. Führungskräfte sind daher umso mehr gefragt, strukturierte Prozesse zu etablieren und die Unternehmenskultur zu festigen. Dabei helfen kleine Tipps und Tricks wie ein Patenmodell für Neuankömmlinge.

Abschließende Frage: "Mitarbeiter verlassen keine Unternehmen, sondern ihre Chefs", heißt es bekanntlich. Würden Sie dem zustimmen?

Auf jeden Fall. Unsere Ergebnisse zeigen zwar, dass klare Prozesse und eine gute Kultur jeden Erfolg einer Führungskraft überflügeln. Aber neben den positiven Effekten, darf der negative Einfluss nicht vernachlässigt werden. Es gibt auch destruktive Führung. Dazu zählt etwa ein defensives Entscheidungsverhalten. Die Führungskraft greift nur ein, wenn Probleme bereits schwerwiegend sind. Das führt zu Demotivation und letztendlich zur Kündigung.

Prof. Dr. Marion Peyinghaus , Geschäftsführerin , Competence Center Process Management Real Estate GmbH, Berlin
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