ENTWICKELN UND BAUEN

"FÜR UNS IST DERZEIT KEINE ENTSPANNUNG IN SICHT, GANZ IM GEGENTEIL"

Lothar Schubert, Foto: DC Developments

Allen Widrigkeiten zum Trotz hat sich die Bauindustrie in den vergangenen beiden Pandemiejahren als wichtiges Rückgrat für die deutsche Volkswirtschaft erwiesen. Mit Beginn des Ukraine-Kriegs haben sich die wirtschaftlichen Aussichten auf den hiesigen Baustellen nun aber doch erheblich verschlechtert. Nach Einschätzung von Branchenverbänden steht gerade der vielerorts so dringend benötigte Wohnungsbau vor dem Einbruch. Im Interview mit der I & F-Redaktion diskutiert Lothar Schubert, Geschäftsführer des Hamburger Projektentwicklers DC Developments die aktuellen Engpässe und deren Implikationen für das eigene Geschäft. Red.

Wie angespannt beziehungsweise turbulent ist derzeit die Lage auf Ihren Baustellen angesichts von Materialknappheit und Preisexplosion?

In der Baubranche allgemein und auch auf unseren Baustellen beobachten wir schon länger eine angespannte Lage. Die Situation nimmt stetig zu, sowohl in Bezug auf die Mitarbeitenden vor Ort und Dienstleister als auch auf Seite der Materialien, von Verfügbarkeiten über Liefersituationen bis hin zu den Kosten.

Mittlerweile sind einzelne Materialien in Teilen gar nicht mehr am Markt verfügbar. Nicht nur das fehlende Angebot führt dazu, dass die Preise deutlich anziehen. Für uns bedeutet das, dass wir viel früher Materialdispositionen tätigen müssen und auf angekündigte Preissprünge rechtzeitig reagieren - soweit das möglich ist.

Können Sie die Effekte noch konkret auf Corona, Ukraine-Krieg et cetera zurückführen?

In jedem Fall ist die aktuelle Situation ein globales Thema. Welchen Anteil die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg daran tragen, vermag ich nicht zu beurteilen. Derzeit erreichen uns Nachrichten, dass sich aufgrund des Lockdowns in Shanghai ein Massenstau vor dem größten Containerhafen der Welt bildet.

Welche Auswirkungen sich daraus ergeben ist aktuell noch gar nicht absehbar. In jedem Fall wird aber deutlich, solch starke und insbesondere plötzlich auftretende Veränderungen, wie ein Lockdown oder Sanktionen, spiegeln sich fast unmittelbar in der ganzen Branche wider.

Können Sie die hohen Preissteigerungen an Ihre Kunden weitergeben?

Abgeschlossene Verträge können nicht nachjustiert werden, weil üblicherweise mit Käufern oder Mietern keine Preisgleitklauseln vereinbart werden. Ob Mieten anziehen und/oder Verkaufspreise für Eigentumswohnungen am Markt eine Anhebung erfahren können, werden wir sehen.

Wird sich das Ganze wieder beruhigen oder wird es so schnell kein "back to normal" geben?

Selbstverständlich wünschen wir uns, dass sich die aktuelle Lage möglichst schnell stabilisiert. Allerdings ist für uns derzeit keine Entspannung in Sicht, ganz im Gegenteil. Mit der Entwicklung und Umsetzung von neuen Maßnahmen und der steten Optimierung beziehungsweise Anpassung unserer Prozesse wirken wir bestmöglich gegen die Materialknappheiten oder Lieferengpässe.

Wie entwickelt sich derweil die Zusammenarbeit mit den Kommunen? Können Sie die von der Ampel in Aussicht gestellten Fortschritte ("digitale, entbürokratisierte, serielle, modulare und standardisierte Bau- und Planungsprozesse") bereits erahnen?

Wir arbeiten stets eng mit Kommunen zusammen und haben planbare Prozesse.

Wird der Druck auf den hiesigen Wohnungsmarkt infolge des Ukraine-Kriegs steigen? Und wie lässt sich dem bestmöglich begegnen?

Wir sehen die Anzahl an Flüchtlingen, die mittelfristig eigenen Wohnraum benötigen. Das wird zu zusätzlichem Bedarf führen und den Druck auf die schnelle Verfügbarkeit erhöhen. Man kann dem begegnen, indem zum Beispiel zusätzliches Personal für die Bearbeitung von Bauanträgen bereitgestellt wird. So können wenigstens die bereits in Planung befindlichen und/oder zur Baugenehmigung eingereichten Bauvorhaben gestartet werden.

Führen die aktuellen Entwicklungen zu einem Umdenken bei DC Delevopments, insbesondere mit Blick auf das Risikomanagement?

Ja, in der Tat. Wir interessieren uns ohnehin vorrangig für nachhaltige und zentrale Lagen. Dieses Ziel hat sich nochmal verschärft. Die erwarteten Kostensteigerungen werden auf unserer Seite nicht kurzfristig durch Verkaufspreissteigerungen kompensiert werden können. Das kann die Marge drücken. Wir stellen uns insofern darauf ein, Projekte oder Teilprojekte nach Fertigstellung für einen Zeitraum vermietet im Bestand halten zu können. Diese Flexibilität erarbeiten wir uns gerade.

Beobachten Sie auf der Finanzierungsseite zunehmend Zurückhaltung vonseiten der Banken?

Wir haben zu Beginn der Corona-Pandemie eine spürbare Verunsicherung und Zurückhaltung von Banken gesehen, insbesondere bei Immobilienprojektentwicklungen mit hoher technischer oder rechtlicher Komplexität, sowie den Assetklassen Einzelhandel und Hotel. In der zweiten Jahreshälfte 2021 ist diese Zurückhaltung auf das Vor-Pandemieniveau gesunken.

Inwiefern sich die aktuelle konjunkturelle und politische Situation erneut auf die Finanzierungsbereitschaft auswirken wird, können wir nicht abschließend beurteilen. Unsere Erfahrung aus der Banken- und Finanzkrise in den Nullerjahren und der beiden Pandemiejahre untermauert aber die Einschätzung, dass qualitativ hochwertige Immobilien in sehr guten Lagen unverändert finanzierbar bleiben. Zeitgleich gehen wir von steigenden Margenerwartungen aus.

Welche Rolle spielen übergeordnete Trends wie Basel IV, BelWertV et cetera?

Wir sehen aktuell noch keine unmittelbaren Auswirkungen von Trends wie Basel IV oder BelWertV. Bereits sehr präsent und teilweise preisbestimmend in der Finanzierung sind jedoch die ESG-Anforderungen. Darüber hinaus müssen die übergeordneten Themen differenziert betrachtet werden. Die Einführungen von Basel IV oder Bel-WertV erfolgen nicht im luftleeren Raum. Vielmehr sind sie jeweils einer von mehreren Faktoren, die sich teils verstärken, teils gegenseitig abschwächen werden.

Beispielhaft ist hier "Basel IV" und die darin verankerten Risikogewichtungen zu nennen. Diese betreffen primär Wohn- und Gewerbeimmobilienkredite, bei denen die Rückzahlung aus dem Immobilien-Cashflow erfolgt. Wir entwickeln, bauen und verkaufen primär Eigentumswohnungen und nur sekundär Gewerbeimmobilien für institutionelle Investoren. Unsere Finanzierungen werden daher nicht unmittelbar betroffen sein, sehr wohl aber die Finanzierungen der Endinvestoren. Hier sehen wir jedoch den Trend zu sinkenden LTVs, was die Fremdkapitalkosten tendenziell entlastet.

Arbeiten Sie (verstärkt) mit alternativen Finanzierern wie Kreditfonds zusammen?

Wir finanzieren derzeit unsere Objekte auf breiter Basis. Bespielhaft sind klassische Bankkredite, die aktuell den Hauptanteil unserer Finanzierungen darstellen, sowie Mezzanine-Darlehen, Eigenkapitalbeteiligungen und so weiter zu nennen. Wir kooperieren oder sind im engen Austausch mit Versicherungen, Pensionskassen und Crowdinvestment-Plattformen. Wir gehen allerdings davon aus, dass der Anteil der reinen Bankfinanzierungen sinken wird, sofern sich bei den Banken der Trend zu steigenden Margen bei gleichzeitig verschärften Finanzierungsrahmenbedingungen verstärkt.

Und wie verhält es sich mit Blick auf die Investoren als Abnehmer Ihrer Produkte? Werden die vorsichtiger?

Wir sehen sowohl Zurückhaltung, wenn Projekte einen hohen Handelsanteil im Fashionbereich aufweisen, als auch bei Hotelentwicklungen. Gemischt genutzte Quartiere, hochwertige Büros und Wohnungen in zentralen Lagen sind begehrt. Ich gehe davon aus, dass der eine oder andere potenzielle Investor die Renditeanforderungen aufgrund der gestiegenen Refinanzierungskosten etwas adjustieren möchte.

Werden potenzielle Risiken grundsätzlich wieder kritischer hinterfragt?

Risiken werden ohnehin hinterfragt und das ist auch richtig so. Unsere Projekte sind zertifiziert und ESG-konform.

Was sind Ihre Erwartungen an die (Innen-)Städte der Zukunft?

Viele Innenstädte befinden sich aktuell in einem Transformationsprozess. Das geänderte Kaufverhalten und die gesteigerte Reisetätigkeiten der Menschen haben direkten Einfluss auf den Umfang und die Ausgestaltung der Handels-, Gastronomie- und Hotelflächen der Innenstädte.

Hier werden sich Anzahl und Größe der Handelsflächen reduzieren. Wir gehen davon aus, dass zukünftig wieder mehr in Innenstädten gewohnt wird und dass beim Einkaufen die Beratung und das Shopping-Erlebnis im Vordergrund stehen, um gegen die Online-Konkurrenz bestehen zu können.

Ist Mixed-Use beziehungsweise der Quartiersgedanke ("15-Minuten-Stadt") das Allheilmittel? Und wie verändert dieser Trend Ihre Arbeit als Projektentwickler?

Der logische Weg moderner Urbanisierung ist das Streben nach kurzen Wegen im Alltag und Vernetzung - auch digital. Als Entwickler müssen wir "Stadt" verstehen, um ein jeweils nachhaltiges und innovatives "Stück Stadt" zu realisieren, da wir nicht auf eine oder zwei Nutzungsklassen beschränkt sind, sondern Quartiere insgesamt schon entwickelt haben - übrigens haben Herr Björn Dahler und ich uns bei einer gemischt genutzten Quartiersentwicklung im Jahr 2005, damals noch als benachbarte Projektentwickler, kennengelernt.

Welchen Stellenwert genießt ESG inzwischen? Und wo sehen Sie diesbezüglich die wirkungsvollsten Hebel? Lassen sich Konzepte wie Recycling von Baustoffen wirklich im großen Stil realisieren?

Wir beobachten bei Investoren ein stark zunehmendes Interesse an Immobilien mit einer entsprechenden Zertifizierung. Für Core-Immobilien in 1A-Lagen sehen wir eine entsprechende Ausrichtung als Pflicht. Wir sind beim Recycling oder aber auch Upcycling von Baustoffen noch am Anfang. Die Verfügbarkeit und der Produktumfang sind noch ausbaufähig.

Lassen sich eigentlich Fortschritte bei der Digitalisierung am Bau beobachten?

Wir beschäftigen uns derzeit intensiv mit BIM und merken, dass die Akzeptanz, insbesondere bei den Planern, noch verhalten ist. Mangelmanagement erfolgt mittlerweile weitestgehend auf digitaler Basis. Die Baubranche hat sicherlich noch deutliches Digitalisierungspotenzial. Wir beobachten den Markt aktiv und adaptieren intelligente Lösungen für unsere Projekte.

Hat Corona Ihre Einstellung beziehungsweise Herangehensweise an Büro-Developments verändert?

Viele Unternehmen sind seit Ausbruch der Pandemie vorsichtiger geworden, hinterfragen gewohnte Arbeitsweisen und zögern bei Umzügen. Das Thema Homeoffice bietet Firmen die Möglichkeit, ihren eigenen Flächenbedarf zu optimieren, Desk-Sharing zu betreiben und damit Kosten zu senken. Wir beobachten, dass besonders die krisensicheren Branchen weiterhin Mietverträge über neue Büroeinheiten mit uns schließen.

Lothar Schubert , Geschäftsführer, DC DEVELOPMENTS GMBH & CO. KG, Hamburg
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