PFANDBRIEFE UND COVERED BONDS

"DEUTSCHLAND SETZT DEN MASSSTAB"

Dr. Georg Reuter, Foto: DZ Hyp

"Seine Pflicht erkennen und tun, das ist die Hauptsache." Dieses Zitat stammt von niemand geringerem als Friedrich dem Großen. Mit Blick auf den Pfandbrief, dessen rechtliche Grundlage er bekanntlich 1769 als Preußenkönig schuf, darf man diesbezüglich jedenfalls durchaus weiter optimistisch sein. Denn der neue vdp-Präsident Dr. Georg Reutter lässt im großen Antrittsinterview mit "Immobilien & Finanzierung" keinen Zweifel aufkommen, alles in seiner Macht stehende für das Wohlergehen des deutschen Vorzeige-Kapitalmarktinstruments zu tun. Dabei will der neue Präsident vor allem daran gemessen werden, ob es ihm gelingt, Regulierer von den negativen Folgen für die Kreditwirtschaft durch eine überbordende und nicht zielführende Regulierung zu überzeugen. Fest an seiner Seite weiß er dabei natürlich unter anderem vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt, der dazu mahnt, dass der Pfandbrief angesichts der Myriade von Regulierungsvorhaben betriebswirtschaftlich sinnvoll einsetzbar bleiben müsse. Sorgen bereiten ihm vor allem die zunehmenden Einschränkungen bei der Kreditvergabepraxis, unter anderem durch die antizyklischen Kapitalpuffer und eine nicht mehr zeitgemäße Beleihungswertverordnung. Folgen für Emittenten und Investoren bringen zudem die anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheiten und die neue Geldpolitik der EZB mit sich. Red.

Herr Dr. Reutter, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum neuen vdp-Präsidenten. Was können Sie über die Mitgliederversammlung berichten? Und wie kam die Idee auf, vdp-Präsident zu werden?

Dr. Georg Reutter: Vielen Dank. Ich freue mich über das Vertrauen der Mitglieder und des Vorstands des Verbands. Seit 2012 gehöre ich dem vdp-Vorstand an und schätze bei dieser Tätigkeit ganz besonders, wie ergebnisorientiert in diesem Verband gearbeitet wird. Als Vertreter der größten Pfandbriefemittentin Deutschlands, der DZ Hyp, bringe ich gerne meine langjährige Expertise ein. Diesem Verband nun als Präsident vorzustehen, bedeutet mir viel.

Was genau reizt Sie an dieser neuen Aufgabe?

Dr. Georg Reutter: Selten zuvor war ein starker, funktionierender Bankensektor wichtiger als heute. Der europäischen Wirtschaft steckt die Pandemie noch in den Knochen, zugleich steht sie vor beispiellosen Herausforderungen, auch finanzieller Natur. Die tiefgreifende digitale und ökologische Transformation, die zur Wahrung der nachhaltigen Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit notwendig ist, geht mit einem hohen Finanzierungsbedarf einher. Mich reizt die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Pfandbriefbanken hier ihren Beitrag leisten können.

Wann ist man ein guter vdp-Präsident?

Dr. Georg Reutter: Die Beurteilung sollten andere übernehmen. Mein Anspruch ist es auf jeden Fall, die Interessen der Pfandbriefbanken erfolgreich zu vertreten und bei Aufsicht, Politik und Öffentlichkeit Gehör zu finden. Es geht darum, dass die Pfandbriefbanken die an sie gestellten Anforderungen auch zukünftig erfüllen können. Dazu gehört unter anderem ein regulatorisches Umfeld, das genügend Entfaltungsspielraum für ertragreiches Bankgeschäft und damit Raum für die Stärkung der Kapitalbasis bietet.

Ihr Vorgänger Louis Hagen hat den Pfandbrief bekanntlich besonders stark geprägt und gelebt. Zu welchem Grad werden Sie den von ihm eingeschlagenen Weg fortführen und wo werden Sie gegebenenfalls abweichen und eigene Akzente setzen? Sprich, was sind die Kernelemente Ihrer Agenda?

Dr. Georg Reutter: Der Verband ist in den vergangenen Jahren stark geführt worden. Das wesentliche Ziel wird die Fortsetzung der erfolgreichen Arbeit sein. Ich freue mich auf die enge Zusammenarbeit mit den Vorständen und der Geschäftsführung des Verbands sowie auf den weiteren Austausch mit Dr. Hagen, der dem vdp-Vorstand weiterhin angehört.

Sicherlich werde ich auch neue inhaltliche Akzente setzen, vor allem bei der Positionierung des vdp zu einzelnen regulatorischen Vorhaben. Dabei werde ich immer wieder betonen, wie wichtig es ist, dass Kreditinstitute ihre ureigene Aufgabe als Finanzierer der Realwirtschaft erfüllen können. Manch aktuelle Regulierungsidee wirkt ja bisweilen ein Stück weit kontraproduktiv.

Herr Tolckmitt, wenn Sie die inzwischen über 40 Mitgliedsinstitute im vdp betrachten: Erkennen Sie da trotz aller Heterogenität das gemeinsame "Geschäftsmodell Pfandbriefbank"? Sprich, definieren sich wirklich all diese Banken tatsächlich über den Pfandbrief?

Jens Tolckmitt: Die Definition bei den einzelnen Mitgliedsinstituten mag unterschiedlich sein. Einige Institute fungieren als "klassische" Pfandbriefbanken mit einem Fokus auf der Immobilien- und - in kleinerem Umfang - der Staatsfinanzierung, andere Häuser operieren als Universalbanken, meist aber ebenfalls mit einem starken Immobiliengeschäft.

Und alle vereint natürlich, dass der Pfandbrief für sie ein wichtiges Instrument ist, das günstige und stabile Refinanzierung auch in Krisenzeiten bietet. Entsprechend haben alle ein gemeinsames Interesse daran, seine Qualität und Sicherheit zu bewahren, aber natürlich auch daran, dass er dabei betriebswirtschaftlich sinnvoll einsetzbar bleibt.

Unsicherheit und Volatilität waren an den Finanz- und Kapitalmärkten in den vergangenen Wochen und Monaten angesichts der geopolitischen Entwicklungen wenig überraschend groß. Inwieweit wurde der Pfandbrief in diesem schwierigen Fahrwasser seinem Ruf als Stabilitätsanker gerecht?

Dr. Georg Reutter: Der Pfandbrief hat sich über alle Krisen hinweg resilient gezeigt. Er erweist sich auch im aktuellen Umfeld wieder als sicherer Hafen in Zeiten der Unsicherheit. Die Pfandbrief-Spreads haben sich nur leicht ausgeweitet, ganz im Gegensatz zu anderen Assetklassen.

Erfreulich ist jüngst die Rückkehr der Real-Money-Investoren, die bei den gestiegenen Renditen wieder verstärkt in Pfandbriefe investieren. Das hat sich in den vergangenen Wochen bei der Nachfrage nach den neu begebenen großvolumigen Pfandbriefen gezeigt.

An den Renten-/Anleihemärkten ging es bei den Renditen zuletzt wieder bergauf, die zehnjährige Bundesanleihe etwa knackte Anfang Mai erstmals seit fast sieben Jahren wieder die Marke von 1,0 Prozent. Was impliziert diese Entwicklung für die Attraktivität von Pfandbriefen aus Investorensicht?

Jens Tolckmitt: Die traditionellen Investoren greifen im Primär- und Sekundärmarkt wieder verstärkt zu. Bei den Langläufern waren zuletzt sogar Renditen von knapp über 2 Prozent zu erzielen, das ist attraktiv für sie. Es ist gut, dass sich die durch die Zentralbanken verursachte unnatürliche Renditekompression zumindest etwas auflöst.

Täuscht der Eindruck, oder konnte zuletzt wieder eine vorsichtige Rückkehr von "Lost Investors", wie beispielsweise Versicherungsunternehmen und Pensionskassen, an den Pfandbriefmarkt beobachtet werden?

Dr. Georg Reutter: Ja, diese Investoren kehren zurück. "Lost" waren sie eigentlich nie, Negativ- oder Nullzinsen passten aber nicht zu den Renditeerwartungen der Kunden dieser Investoren. Versicherer müssen eine gewisse Rendite erzielen, um das ihren Kunden gege bene Leistungsversprechen einhalten zu können.

Die EZB war nun über viele Jahre der dominante Player am Markt. Was ist hier ein mögliches Basisszenario für die kurz, mittel- und langfristige Perspektive?

Jens Tolckmitt: Analysten gehen davon aus, dass die EZB im Herbst ihr Ankaufprogramm beenden wird. Sie wird jedoch über einen längeren Zeitraum ein wichtiger Nachfrager bleiben, da Erlöse aus fälligen Pfandbriefen und anderen Covered Bonds wieder angelegt werden. Die steigende Nachfrage traditioneller Investoren wird die geringere Nachfrage der EZB kompensieren können. Für den Pfandbrief machen wir uns da wenig Sorgen.

Wie wird sich die zaghaft am Horizont abzeichnende Zinswende grundsätzlich auf das Geschäft der Pfandbriefbanken auswirken? Rechnen Sie mit einer Abkühlung an den Immobilienmärkten?

Dr. Georg Reutter: Der Immobilienmarkt in Deutschland präsentiert sich weiterhin in guter und robuster Verfassung - und das, obwohl die Pandemie nach wie vor nicht ausgestanden und mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ein höchst beunruhigender exogener Schock eingetreten ist.

Insgesamt erscheinen die "goldenen Jahre" der letzten Dekade vorbei zu sein, der Markt befindet sich in einem neuen Zyklus. Anlass zu übermäßigem Pessimismus besteht aber nicht. Immobilien werden weiterhin benötigt, der Anlagedruck ist weiterhin hoch. Dennoch ist Vorsicht geboten, wobei insbesondere die weitere Zins- und Kostenentwicklung im Auge zu behalten ist.

Wie sieht es konkret mit den Folgen des Ukraine-Kriegs aus: Sind der Pfandbrief und seine Emittenten gewappnet? Wie hoch ist das Exposure in den betroffenen Ländern?

Dr. Georg Reutter: Russland und Ukraine sind keine Zielländer für Pfandbriefbanken im Immobilien- und Staatsfinanzierungsgeschäft. Mit Immobilien in diesen Ländern besicherte Finanzierungen sind nicht pfandbrieffähig. Insgesamt weisen die Pfandbriefbanken ein sehr geringes Exposure gegenüber beiden Ländern auf.

Wie bewerten Sie die Entwicklungen rund um ESG-Pfandbriefe? Sicher ist hier, auch auf Initiativen des vdp, in den vergangenen Jahren viel geschehen, aber das Segment ist noch immer eine Nische. Kann/muss da von Emittentenseite mehr kommen?

Jens Tolckmitt: Pfandbriefbanken gehören im Bereich nachhaltiger Bond-Emissionen schon heute zu den aktivsten Kreditinstituten in Europa. Die erste nachhaltig gedeckte Schuldverschreibung wurde bereits 2014 von einer deutschen Pfandbriefbank begeben. Mittlerweile gibt es von zehn Emittenten ESG-Pfandbriefe im Volumen von über 12 Milliarden Euro. Zuletzt war die Dynamik in diesem Marktsegment hoch.

Die Zahl der Emittenten und die Volumina werden weiter kontinuierlich steigen. Die vom vdp und den Mitgliedsinstituten entwickelten Mindeststandards für grüne und soziale Pfandbriefe haben sich am Markt etabliert und bieten Investoren und Emittenten damit wich tige Orientierung.

Welche Rolle spielt die Regulatorik beim Thema Nachhaltigkeit?

Dr. Georg Reutter: Regulierung ist wichtig, auch um Missbrauch zu verhindern. Und der Fokus auf Transparenz und Risikomanagement ist sicherlich richtig. Der gesamte Bereich Sustainable Finance ist aber heute bereits von einem Übermaß an Regulierung und Bürokratie geprägt - und von zu vielen politischen Akteuren, die nicht selten gleichzeitig, nur leider häufig unabgestimmt, an den gleichen Themen arbeiten.

In vielen Fällen sind die regulatorischen Anforderungen deshalb in sich widersprüchlich, so komplex, dass lange Übergangsfristen unabdingbar sind, oder auch schlicht derart detailversessen, dass eine sinnvolle Handhabung in der Praxis nicht möglich sein wird. Hier wünschen wir uns praxisnahe und zielführende Lösungen, um Kreditnehmern die passenden grünen Finanzierungen anbieten zu können. Eine EU-Taxonomie mit 1 500 Seiten ist auch bei viel gutem Willen nicht zielführend.

Der vdp hat vor Kurzem gemeinsam mit Drees& Sommer ein Benchmarking erarbeitet, dass Pfandbriefbanken Unterstützung beim Nachweis der Taxonomiekonformität bieten soll. Wie wird das Projekt bislang aufgenommen? Lässt sich bereits grob abschätzen, wie viel Prozent des immobilien- beziehungsweise pfandbriefrelevanten Aktivgeschäfts die EU-Kriterien erfüllt?

Jens Tolckmitt: Es ist noch zu früh, um eine Schätzung abzugeben. Das Konzept wurde erst vor wenigen Wochen den Mitgliedsinstituten vorgestellt und mein Eindruck ist, dass es gut angenommen wird.

Es handelt sich um ein Benchmarking, das Kreditinstitute unterstützt, bei Immobilienfinanzierungen den Nachweis der Konformität mit der EU-Taxonomie zu erbringen. Mit der Ausweisung der Benchmarks geben wir Instituten eine wichtige Arbeitserleichterung für ihr Immobilienfinanzierungsgeschäft an die Hand. Sie können nun prüfen, ob ein Gebäude zu den besten 15 Prozent der entsprechenden Objektklasse gehört.

In Kürze, genau genommen am 8. Juli, tritt die Covered-Bond-Harmonisierungs-Direktive in Kraft. Bleibt der Pfandbrief? Und wie sieht seine Zukunft in diesem großen europäischen Orchester aus?

Dr. Georg Reutter: Der Pfandbrief bleibt der qualitativ führende Covered Bond. Im Rahmen der nationalen Umsetzung der Europäischen Covered-Bond-Richtlinie werden beispielsweise die Transparenzvorschriften für Pfandbriefe substanziell erweitert. Damit tragen wir Investorenwünschen Rechnung. Dass der Pfandbrief das europäische Premiumprodukt ist, zeigt sich an den unverändert niedrigsten Renditeaufschlägen innerhalb des Covered-Bond-Spektrums.

Kann Deutschland in Ihren Augen eigentlich noch etwas von anderen Covered-Bond-Jurisdiktionen lernen? Wo ist im Pfandbriefgesetz Luft nach oben?

Jens Tolckmitt: Natürlich kann Deutschland von anderen Jurisdiktionen lernen. Das ist ja gerade die Stärke und der Sinn eines Wettbewerbs mehrerer Systeme - und übrigens der Grund, weshalb wir uns bei der Covered-Bond-Richtlinie so deutlich gegen eine Vollharmonisierung gewendet haben. Aber man kann wohl schon sagen, dass der deutsche Pfandbrief traditionell aufgrund seiner umfangreichen Detailregulierungen den größtmöglichen Investorenschutz innerhalb der Covered Bonds bietet.

Das bleibt auch nach Umsetzung der europäischen Harmonisierungs-Direktive so, Deutschland setzt hier den Maßstab. Es spiegelt sich in den niedrigen Renditeaufschlägen. Jenseits dessen müssen wir aber auch weiterhin sicherstellen, dass bei aller sinnvollen Regulierung, die Basis der Qualität unseres Produkts ist, die betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit erhalten bleibt.

Andersherum gefragt, was können andere vom deutschen Pfandbriefgesetz lernen? Der vdp hat in den vergangenen Jahren immer wieder "Aufbauarbeit" in anderen Ländern geleistet. Gibt es hier neue Entwicklungen, sprich neue Interessenten und was heißt das für die Covered-Bond-Familie?

Jens Tolckmitt: Die EU-Kommission hat für einen einheitlichen Rahmen gesorgt - und der enthält ja durchaus viele Elemente, die dem Pfandbriefgesetz entstammen und nun auch in der einen oder anderen Form ihren Eingang in andere nationale Gesetze in Europa finden. Hierzu gehören etablierte und qualitätssichernde Elemente, über die der Pfandbrief schon über viele Jahre verfügt: beispielsweise die Transparenzangaben zu Deckung und Emissionen, die 180-Tage-Liquiditätsregelungen, die klaren Rollen für Treuhänder und Sachwalter. Entsprechend bestand für den deutschen Pfandbrief auch ein vergleichsweise geringer unmittelbarer Handlungsbedarf. Viele europäische Covered-Bond-Regulierungen hatten hier deutlich mehr zu tun.

Welche Erwartungen beziehungsweise Hoffnungen haben Sie unterdessen mit Blick auf die finalen Basel-III-Verhandlungen?

Dr. Georg Reutter: Es hat zunehmend den Anschein, als habe sich auf der "Zielgeraden" allerorten eine gewisse Ermüdung eingestellt, sich mit dem Thema noch intensiv zu befassen. Das ist fatal. Denn es wird bis heute noch immer weithin unterschätzt, welche gravierenden Konsequenzen eine Übererfüllung der Baseler Regelungen hätte, wie sie im Gesetzgebungsentwurf aus Brüssel angelegt ist. Und zwar nicht nur für Banken, sondern auch für die Realwirtschaft. Denn wer interne Risikomodelle - die ja in den vergangenen Jahren intensiv von der Aufsicht überprüft wurden - nutzt, wird mit massiv steigenden Kapitalanforderungen konfrontiert.

Wenig zielführend ist dabei, dass sich diese Wirkung gerade auch in risikoarmen Geschäftsfeldern wie der Immobilienfinanzierung einstellt. Dabei hatte es immer unisono aus Basel, Brüssel und von den nationalen Regierungen geheißen, die Eigenkapitalanforderungen sollten sich durch die Reform auf keinen Fall signifikant erhöhen. Es ist aus Sicht der Pfandbriefbanken völlig unerklärlich, warum dieses Ziel entgegen den unzähligen Beteuerungen der vergangenen Jahre von der Kommission nach derzeitigem Stand völlig verfehlt wird. Es liegen ja Vorschläge auf dem Tisch, wie man es erreichen kann.

Und wie steht es um die Themen "antizyklischer Kapitalpuffer" und "BelWertV": Ist hier vonseiten der BaFin bereits das letzte Wort gesprochen?

Jens Tolckmitt: Bei der etwas aus der Zeit gefallenen Beleihungswertermittlungsverordnung ist es wichtig, die Chance zur notwendigen Modernisierung der Immobilienbewertung zu nutzen. Sicherzustellen ist, dass die Markt- und Beleihungswerte nicht noch weiter auseinandergehen, sondern sich im Gegenteil der Beleihungswert dem Marktwert annähert. Sonst würden die pfandbriefdeckungsfähigen Kreditanteile weiter schrumpfen und die Möglichkeit, den Pfandbrief für die fristenkongruente, in der Regel langfristige Refinanzierung zu nutzen, weiter eingeschränkt werden. Daher setzen wir uns dafür ein, dass zum Beispiel die Mindestkapitalisierungssätze abgesenkt, die computergestützte Immobilienbewertung im Mengengeschäft zugelassen und die Kleindarlehensgrenze angehoben wird. Wir sind optimistisch, dass die BaFin bald eine stärker an die Marktrealität angepasste Regulierung vorstellen wird.

Die Kombination von antizyklischem Kapitalpuffer und zusätzlichem sektorspezifischen Risikopuffer schränkt die Kreditvergabepraxis - zusätzlich zur Basel-III-Umsetzung - merklich ein und belastet besonders Wohnimmobilienfinanzierungen. Damit können wir nicht zufrieden sein. Die aktuelle Situation am deutschen Wohnimmobilienmarkt rechtfertigt die Maßnahmen in diesem Ausmaß nicht. Unverständlich ist zudem, warum hier nur die Kreditwirtschaft belastet wird, der Rest der Finanzindustrie nicht. So wird sich das Finanzierungsgeschäft in andere oder weniger regulierte Bereiche des Finanzsektors verlagern. Das dient sicherlich nicht der Stärkung der Finanzstabilität.

Herr Reutter, woran wollen Sie als Präsident des Verbands deutscher Pfandbriefbanken in einem Jahr und in fünf Jahren gemessen werden?

Dr. Georg Reutter: Ich bin jetzt erstmal für zwei Jahre gewählt worden. Die Aufgaben sind wie geschildert vielfältig. Messen sie mich, den Vorstand und den gesamten Verband daran, ob es uns gelungen ist, den Regulierern die möglichen negativen Folgen für die Kredit- und Finanzwirtschaft aufzuzeigen, die eine überbordende und nicht zielführende Regulierung mit sich bringt.

Es müssen praxistaugliche und allseits interessewahrende Lösungen gefunden werden, beispielsweise bei der Kapitalbelastung durch Basel III, den makroprudenziellen Maßnahmen sowie bei der überbordenden Bürokratie bei Sustainable Finance. Nur so können Banken insgesamt und damit auch die Pfandbriefbanken die nachhaltige Transformation der Realwirtschaft ausreichend unterstützen.

Dr. Georg Reuter , Präsident , Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V.
Jens Tolckmitt , Hauptgeschäftsführer , Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin

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