Immobilien-Konjunktur 2016

Volks- und immobilienwirtschaftliches Szenario für Deutschland bis 2020

Gertrud R. Traud

Das dauerhaft niedrige Zinsniveau bedeutet für die Assetklasse Immobilie, dass die relative Attraktivität zu anderen Anlageformen erhalten bleibt. Vieles spricht aus Sicht der Autorin dafür, dass die Immobilieninvestmentmärkte noch eine Weile den Vermietungsmärkten vorauslaufen. Gleichzeitig dürfte es vermehrt zu Preissteigerungen über die fundamental gerechtfertigten Niveaus kommen und damit die Gefahr von Blasenbildungen zunehmen. Die günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bilden gute Voraussetzungen auch für den deutschen Büromarkt. In Frankfurt am Main ist nicht auszuschließen, dass die Konversion von leerstehenden älteren Bürogebäuden, von denen es vor allem in den Randlagen noch einige gibt, weiter zunimmt und damit den Büroleerstand drückt. Unter der Annahme eines in den kommenden Jahren mehr oder weniger ausgeglichenen Verhältnisses von Angebot und Nachfrage wird eine eher verhaltende Mietentwicklung am Frankfurter Büromarkt erwartet - der Mietanstieg dürfte sich etwa im Rahmen des allgemeinen Verbraucherpreisanstiegs bewegen. Red.

Alle Jahre wieder richtet sich zum Jahresende der Blick auf das kommende Jahr. Prognostiker haben Hochkonjunktur. Was wird 2016 für Konjunktur und Kapitalmärkte bringen? Setzen sich die bekannten Trends aus den Vorjahren fort oder gibt es neue Entwicklungen, die in den Prognosen zu berücksichtigen sind? Dieser Aufgabe haben auch wir uns in diesem Jahr wieder gestellt. Für viele ist der einjährige Zeithorizont aber nicht genug. So ist die Nachfrage nach Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung über einen längeren Zeitraum sehr hoch. Nicht zuletzt jeder Sachverständige in der Immobilienwirtschaft muss sich dieser Herausforderung stellen, wenn er bei der Berechnung des Ertragswertes einer Immobilie spezielle Annahmen zugrunde legt.

Diesem Thema widmete sich eine Veranstaltung der gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftlichen Forschung am 7. Dezember 2015 in Frankfurt am Main in den Räumen der Helaba. Auf Basis eines volks- und immobilienwirtschaftlichen Szenarios bis zum Jahr 2020 - ausgearbeitet von der Helaba - bewerteten zahlreiche Sachverständige eine fiktive Büroimmobilie am Standort Frankfurt am Main. Das Spektrum der Ergebnisse war bemerkenswert, obwohl alle den gleichen volkswirtschaftlichen Rahmen erhielten.

Langfristiger Ausblick mit vielen Unwägbarkeiten

Eine Prognose über einen Zeitraum von fünf Jahren ist naturgemäß mit großer Unsicherheit behaftet. So lässt sich der Konjunkturzyklus einer Volkswirtschaft belastbar nur für einige Quartale modellieren.

Für darüber hinausgehende Prognosen gilt das Bonmot "Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie in die Zukunft gerichtet sind", das wahlweise dem deutschen Kabarettisten Karl Valentin oder dem Schriftsteller Mark Twain zugeschrieben wird, in besonderer Weise. Bei einer Vorausschätzung über zwei Jahre hinaus wird daher üblicherweise unterstellt, dass sich Konjunktur und Finanzmärkte in Richtung der langfristigen Durchschnittswerte bewegen.

Die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft sind zumindest für das kommende Jahr nicht schlecht. Wichtigster Treiber der deutschen Konjunktur bleibt der Konsum, der dank kräftig steigender Einkommen und weiter zunehmender Beschäftigung um preisbereinigt rund 2 Prozent steigen wird. Der anhaltend niedrige Ölpreis entlastet die Verbraucher, auch wenn der Effekt 2016 etwas schwächer ausfallen dürfte als 2015. Auch vom sehr hohen Zuzug durch den Flüchtlingsstrom gehen Impulse für den privaten Konsum aus. Unbefriedigend dürften sich dagegen die Ausrüstungsinvestitionen entwickeln. Die Kapazitätsauslastung ist nur durchschnittlich und die wirtschaftlich schwierige Situation in vielen Schwellenländern lässt vorerst keinen Nachfrageschub für die deutsche Industrie erwarten.

Wachstumstreiber Bautätigkeit

Ein Wachstumstreiber ist die Bautätigkeit. Während der Wohnungsbau vor dem Hintergrund des zunehmend knappen Wohnraums vor allem in den großen Ballungsräumen expandiert, halten sich aber die Unternehmen bei Wirtschaftsbauten zurück. Auch der Außenhandel wird im neuen Jahr seiner traditionellen Rolle als Konjunkturstimulator der deutschen Wirtschaft nicht gerecht.

Zwar profitiert der Export vom schwachen Euro-Außenwert, allerdings dämpft die Schwäche in wichtigen Schwellenländern, die sich nur allmählich erholen. Ähnlich dynamische Importe erlauben insgesamt keinen positiven Wachstumsbeitrag des Außenhandels. Alles in allem kann die deutsche Volkswirtschaft damit 2016 mit einer Rate von real 1,7 Prozent etwas stärker zulegen als im Jahr zuvor.

Auch die mittelfristigen Perspektiven Deutschlands sind nicht schlecht. Der Konsum dürfte auch im Folgejahr seine Wirkung als wichtiger Impulsgeber nicht verlieren. Die steigende Bevölkerungszahl stützt aber nicht nur den privaten Konsum. Sie sorgt auch für eine anhaltende Knappheit am Wohnungsmarkt, die angesichts der nur moderat anziehenden Bautätigkeit kurzfristig nicht zu überwinden ist. Der angespannte Wohnungsmarkt dürfte 2016 stärker in den Fokus der Politik geraten und im Ergebnis zu unterschiedlichen Maßnahmen wie zusätzlicher steuerlicher Förderung, Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus, Senkung von Baustandards oder der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen führen.

Einen positiven Effekt auf die Wohnungsbautätigkeit werden solche Maßnahmen meist erst mit zeitlicher Verzögerung entfalten. Wenn zugleich die deutschen Exporte vom dann wieder etwas dynamischeren Welthandel profitieren und auch die Ausrüstungen etwas zulegen, stehen die Chancen gut, dass 2017 erneut ein Anstieg des Bruttoinlandsproduktes über dem Trendwachstum erzielt werden kann.

Der konjunkturelle Aufschwung in Deutschland würde sich dann allerdings in einer sehr reifen Phase befinden. Wann und was letztlich zum konjunkturellen Wendepunkt führt, lässt sich jedoch analytisch nicht bestimmen, wird dies doch erfahrungsgemäß durch ein exogenes Ereignis wie eine plötzliche Verteuerung des Ölpreises ausgelöst.

Auch vor dem Hintergrund einer zuletzt weniger günstigen Entwicklung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit - die Lohnsteigerungen übertreffen schon seit Längerem das Produktivitätswachstum - stellen wir für die Jahre nach 2017 nur ein Wirtschaftswachstum in Deutschland in Höhe des Potenzials von je 1,25 Prozent ein.

EZB und Fed entscheidend

Immobilien profitieren weiterhin als Kapitalanlage von den extrem niedrigen Zinsen und dem damit wachsenden Anlagenotstand. Daran wird sich 2016 grundsätzlich nichts ändern. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) wird im Gegensatz zur US-Notenbank Fed den Expansionsgrad ihrer Geldpolitik nicht verringern. Während die Federal Reserve vorsichtig den Zinserhöhungszyklus einleitet, weitet die EZB ihr Anleiheankaufprogramm sogar noch aus. Zuletzt hat sie den Einlagenzins nochmals gesenkt. Diese gegenläufigen Zinsentscheidungen beider großer Notenbanken werden wohl für längere Zeit die Renditen bestimmen.

Die Renditen deutscher Staatsanleihen mit kürzerer Laufzeit schaffen es 2016 vermutlich kaum, sich aus dem negativen Terrain zu befreien. Dagegen ist der Einfluss der EZB auf längere Laufzeiten trotz ihres Anleiheankaufprogramms begrenzt. Im Zusammenhang mit der spürbar höheren Verzinsung auf der anderen Seite des Atlantiks nimmt die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen im Verlauf leicht zu, sie bleibt aber mit rund einem Prozent zum Jahresende auf sehr niedrigem Niveau. Der langsame Zinsanstieg setzt sich in den folgenden Jahren fort, sodass die Verzinsung zehnjähriger Bundesanleihen auch zum Ende des Betrachtungszeitraums bis 2020 noch unter drei Prozent liegen könnte.

Relative Attraktivität von Immobilien bleibt

Das dauerhaft niedrige Zinsniveau bedeutet für die Assetklasse Immobilie, dass die relative Attraktivität zu anderen Anlageformen erhalten bleibt. Vieles spricht daher dafür, dass die Immobilieninvestmentmärkte noch eine Weile den Vermietungsmärkten vorauslaufen. Gleichzeitig dürfte es vermehrt zu Preissteigerungen über die fundamental gerechtfertigten Niveaus kommen und damit die Gefahr von Blasenbildungen zunehmen.

Das Wirtschaftswachstum in Deutschland bleibt in den kommenden Jahren deutlich über der Beschäftigungsschwelle. Dabei dürften die großen Ballungsräume wie Rhein-Main weiterhin überdurchschnittlich profitieren. Jede Arbeitsmarktprognose ist allerdings derzeit durch die Flüchtlingswelle, deren Dauer und Ausmaß kaum abschätzbar sind, mit besonders großer Unsicherheit behaftet.

Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil der mehr als eine Million Flüchtlinge aus dem Jahr 2015 im Verlauf des neuen Jahres Eingang in die Arbeitslosenstatistik findet, sodass die Arbeitslosenquoten zunehmen werden. Die starke Zuwanderung wird sich zunächst weniger stark in der Beschäftigungsstatistik niederschlagen. Denn viele der Flüchtlinge sind aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse und geringer beruflicher Qualifikation vermutlich erst nach Jahren in den Arbeitsmarkt integrierbar.

Die günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bilden gute Voraussetzungen auch für den deutschen Büromarkt. So führen das solide Wirtschaftswachstum und eine steigende Beschäftigtenzahl tendenziell zu einer zunehmenden Flächennachfrage insbesondere in den großen Ballungszentren. Die Ableitung der Flächennachfrage aus der Beschäftigtenentwicklung ist allerdings keinesfalls trivial. Denn zum einen sind hierfür die mittelfristigen Beschäftigungsperspektiven jeweils auf Branchenebene abzuschätzen, die sich erheblich voneinander unterscheiden.

Zum anderen wirken sich Veränderungen der Beschäftigtenzahl aufgrund der abweichenden Bürobeschäftigtenquoten unterschiedlich stark auf die Flächennachfrage aus. Schließlich sind noch Annahmen über die Entwicklung der Pro-Kopf-Flächen zu treffen, um auf den gesamten künftigen Büroflächenbedarf zu schließen.

Auf das Beispiel Frankfurt bezogen kommt unsere Analyse zu folgendem Ergebnis: Die Finanzdienstleistungen werden bei leicht rückläufiger Beschäftigtenzahl auch in den kommenden Jahren kein Impulsgeber für den lokalen Büromarkt sein. Dies kann aber durch das weiterhin überdurchschnittliche Stellenwachstum in anderen bürorelevanten Segmenten wie unternehmensnahen Dienstleistungen sowie Information und Kommunikation überkompensiert werden.

Frankfurter Büromarkt bleibt spannend

Nicht zuletzt infolge der rasant steigenden Einwohnerzahl in Frankfurt am Main gewinnt auch der öffentliche Sektor wieder mehr an Bedeutung. Sektoren wie Erziehung und Unterricht sowie Gesundheit und Soziales dürften in den kommenden Jahren ebenfalls einen überdurchschnittlichen Beschäftigungsanstieg aufweisen - aufgrund eines niedrigen Anteils an Bürobeschäftigten ist der Effekt auf den Büromarkt hieraus jedoch nur gering.

Alles in allem kommt man für die Stadt Frankfurt bei sektoral stark ausdifferenzierter Beschäftigungsentwicklung für den Zeitraum bis zum Jahr 2020 auf einen Anstieg von rund 14 000 sozialversicherungspflichtig Bürobeschäftigten.

Der zunehmenden Flächennachfrage steht ein wachsendes Büroflächenangebot gegenüber. Aktuell befindet sich in Frankfurt eine Reihe größerer Büroprojekte im Bau oder in der Planungsphase. Generell ist das erfahrungsgemäß volatile Fertigstellungsvolumen trotz mehrjähriger Planungs- und Umsetzungszeiten über die Frist von zwei Jahren hinaus schwer abschätzbar. Ein Fertigstellungsvolumen oberhalb des langjährigen Durchschnitts, das zu einem markanten Angebotsüberschuss auf dem Frankfurter Büromarkt führt wie in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende, zeichnet sich zumindest derzeit nicht ab.

Nicht auszuschließen ist jedoch, dass die in den letzten Jahren spürbar von fast 18 Prozent auf etwa 11 Prozent gesunkene Leerstandsrate in Verbindung mit den sehr günstigen Finanzierungsmöglichkeiten zu einem zyklischen Anstieg der Bautätigkeit führt.

Steigende Risikobereitschaft

Erste spekulative Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Risikobereitschaft am Frankfurter Büromarkt inzwischen gestiegen ist. Wir gehen aber davon aus, dass die Erfahrungen der jüngsten Finanzkrise für die Marktbeteiligten noch hinreichend präsent sind, um einer zu starken Ausweitung der Bautätigkeit entgegen zu wirken. Wir rechnen daher für die kommenden Jahre mit einer recht stabilen Leerstandsrate am Frankfurter Büromarkt über der Zehn-Prozent-Marke.

Dabei besteht ein Prognoserisiko in der zuwanderungsbedingt weiteren Verknappung von Wohnraum, die größere Auswirkungen auch auf den Markt für Büroflächen haben könnte. So ist nicht auszuschließen, dass die Konversion von leerstehenden älteren Bürogebäuden, von denen es vor allem in Frankfurter Randlagen noch einige gibt, weiter zunimmt und damit den Büroleerstand drückt.

Auch könnten bei dauerhaft angespanntem Wohnungsmarkt künftig vermehrt innerstädtische Flächen für Wohnbebauung vorgesehen werden und damit nicht mehr für Büroobjekte zur Verfügung stehen.

Unter der Annahme eines in den kommenden Jahren mehr oder weniger ausgeglichenen Verhältnisses von Angebot und Nachfrage erwarten wir eine eher verhaltende Mietentwicklung am Frankfurter Büromarkt - der Mietanstieg dürfte sich etwa im Rahmen des allgemeinen Verbraucherpreisanstiegs bewegen.

Die Autorin

Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirtin/Bereichsleiterin Volkswirtschaft/Research, Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale, Frankfurt am Main

Dr. Gertrud R. Traud , Chefvolkswirtin / Head of Research & Advisory , Helaba Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale, Frankfurt am Main
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