Immobilien als Asset

Variante A oder B? Moderne Software hilft bei der Entscheidung

Thomas Krings

Während Manager von Immobilienportfolios früher komplexe Entscheidungen auf Basis weniger Kennzahlen getroffen haben, kommen heute bei vielen Gesellschaften professionelle Software-Lösungen zum Einsatz. Diese können Entscheidungsalternativen umfassend simulieren und geben einen 360-Grad-Blick auf das verwaltete Vermögen. Dabei bildet die Szenariotechnologie die Grundlage spezialisierter Sensitivitätsanalysen und Stresstests. Der Autor stellt anhand von Beispielen die Möglichkeiten der Simulation aber auch die Komplexität der Fragen und Folgen dar. Von besonderer Bedeutung sind dabei Erkenntnisse und Folgen, die die Simulation sichtbar macht, die nicht ohne Weiteres erkennbar sind und sonst vielleicht übersehen worden wären. Red.

Fremdkapital ist derzeit günstig wie selten. Doch wie genau wirkt sich eine Erhöhung des Leverage um zwei Prozentpunkte auf den FFO und den NAV aus? Wie entwickeln sich FFO und LTV im kommenden Jahr, wenn statt einem Prozent 1,5 Prozent jedes Jahr getilgt wird? Soll eine größere Summe in den Bestand investiert werden oder nicht? Manager von Immobilienunternehmen und -portfolios stehen vor vielen komplexen Entscheidungen. Die Auswirkungen sind vielfältig und zum Zeitpunkt der Entscheidung nie mit allen Folgewirkungen absehbar. Hinzukommt, dass es oft Interdependenzen mit anderen Entscheidungen gibt. Vor allem beim Management von großen Immobilienportfolios stellen sich diese oder ähnliche Fragen laufend.

Bei den Antworten sind Szenario-Simulationen extrem hilfreich. Moderne Simulationssoftware wird kontinuierlich optimiert und kann die Realität immer genauer und detaillierter abbilden. Die Software-Lösungen sind in der Lage, ein Immobilienunternehmen deutlich umfassender und tiefer abzubilden als bislang. Dabei werden alle Wertschöpfungsebenen bis hin zum einzelnen Miet- oder Darlehensvertrag - unter Berücksichtigung der Ursache- und Wirkungsbezüge - erfasst und dann in einem Gesamtbild zusammen geführt. Des Weiteren können auch unterschiedliche regulatorische Anforderungen integriert und simuliert werden wie beispielsweise die parallele Berücksichtigung unterschiedlicher Rechnungslegungsstandards. HGB und IFRS könnten etwa in Klammer benannt werden. Dies erlaubt erstmals einen sehr umfassenden 360-Grad-Blick auf das Vermögen. Diese neue, umfassende Perspektive bezieht sich nicht nur auf die Ist-Situation, sondern wird auch in die simulierten Szenarien mit aufgenommen.

Vergleich wichtiger Kennzahlen in alternativen Szenarien

Neue Software-Lösungen ermöglichen zudem einen Vergleich zentraler Kennzahlen (FFO, LTV und NAV) zwischen den einzelnen Szenarien bis hin zur Prognose von Verkehrswerten. Auf diese Weise werden auch (Teil-) Ergebnisse sichtbar, die so zunächst vielleicht nicht antizipiert worden wären. Die Entscheidung kann auf einer quantitativen Basis mit größerer Sicherheit getroffen werden.

Einige Beispiele sollen die Möglichkeiten der Simulation aber auch die Komplexität der Fragen und Folgen illustrieren: Ein Bestandshalter von Wohnimmobilien trägt sich mit dem Gedanken, einen Wohnkomplex aus den achtziger Jahren, der 90 Mieteinheiten umfasst, im Jahr 2016 zu Sanieren. Die Sanierung umfasst eine Erneuerung der Fassade, der Balkone, eine Überholung der Lüftungsanlage und der Kellerdecke. Die geplanten Investitionskosten summieren sich auf 1,02 Millionen Euro. Die Umlage der Kosten auf die Mieter (sogenannte Modernisierungsumlage) soll zwei Monate nach Abschluss der Arbeiten, also ab 1. März 2017, beginnen. Die Finanzierung erfolgt zu 100 Prozent aus neu aufgenommenen Fremdmitteln.

Auf Immobilien- und auf Portfolioebene stellen sich unter anderem folgende Fragen:

- Wann hat sich die Investition durch die höheren Mieteinnahmen aufgrund der Modernisierungsumlage amortisiert?

- In welchem Umfang erhöht die notwendige Fremdkapitalaufnahme den Loan-to-Value sowie Zins- und Tilgungsbelastungen in den kommenden Jahren?

Moderne Software kann alle wohnungswirtschaftlichen Aspekte der beschriebenen Modernisierungsmaßnahme berücksichtigen: Die Budget und Liquiditätsplanung, die Fremdfinanzierung, die buchhalterische Aktivierung der Modernisierungskosten und die steuerliche Abschreibung sowie die Planung der Rückstellungen.

Die Auswirkungen der Investition von rund einer Million Euro in den Bestand lassen sich auf allen Wertschöpfungsebenen ablesen. Diese werden über einen Datenwürfel, den sogenannten OLAP-Würfel oder OLAP-Cube, hierarchisch abgebildet. Folgendes Beispiel aus der Praxis soll die Systematik verdeutlichen: Die 1,02 Millionen Euro spiegeln sich in der Position "Kosten technische Maßnahmen" zur geplanten Maßnahme sowie in der Erfolgsrechnung zur Immobilie wider. Unter Berücksichtigung aller weiteren parallelen Aktivitäten fließt diese Investition in die GuV, die Bilanz und die Liquidität des Unternehmens ein.

Im Immobilienerfolg des gesamten Unternehmens kann jede Maßnahme identifiziert und automatisiert im Gesamtbudget berücksichtigt werden. Die Software erlaubt es so, die vertikalen Auswirkungen der simulierten Modernisierung über alle Ebenen zu identifizieren. Dies ist nicht nur zu einem Zeitpunkt möglich, sondern auch im Zeitablauf. So zeigen sich die Auswirkungen der Investition in den Bestand beispielweise in der Position Finanzierung (aufgrund von Zins und Tilgung) der Folgejahre 2016 und 2017 sowie in einem geringeren Immobilienerfolg nach Finanzierung im Jahr 2018. Mit Hilfe der wichtigen Funktion des Szenariovergleichs kann dann Variante A mit Variante B verglichen werden, woraus denn der Plan verabschiedet werden kann.

Vielfältige Wirkzusammenhänge werden sichtbar

Neben den vertikalen Zusammenhängen gibt es weitere Wirkzusammenhänge, die in der Simulation sichtbar werden. Softwarelösungen erlauben beispielsweise auch die Mieten der kommenden Jahre und die Auswirkungen der Modernisierungsumlage zu prognostizieren. Um alle Auswirkungen in einer Simulation sichtbar zu machen, sind auch die Filterfunktionen hilfreich. So lassen sich in den simulierten Szenarien die Auswirkungen einer Entscheidung verfolgen.

Neben dem Filtern ist auch innerhalb von Simulations-Szenarien die Erstellung von Reportings möglich. Einen Überblick über künftige Berichte erhält der Nutzer durch zahlreiche Teil-Reportings. Ein Überblick über die gesamten Kosten für alle Modernisierungsmaßnahmen im Portfolio - also inklusive der geplanten Maßnahme - ist abrufbar. Dazu lassen sich unterschiedliche Diagramme erstellen, die sich auf die Ebene aller Portfolioimmobilien beziehen. Das Diagramm zeigt dann, die simulierte geografische Verteilung der Kosten beispielsweise auf einzelne Städte.

GuV kann auf Jahre hinaus simuliert werden

Sehr wichtig für die Entscheidungsfindung ist auch die Simulation von GuV und Bilanz nach verschiedenen Rechnungslegungsstandards - unter anderem nach HGB. So ist es beispielsweise möglich, sich die GuV nach HGB in allen Szenario-Varianten - also mit und ohne Modernisierung - über die kommenden Jahre anzeigen zu lassen. Dazu lassen sich Vergleichsdiagramme erstellen, die beide Szenarien über Jahre hinaus nebeneinander legen und die Auswirkungen auf Kennzahlen der GuV genau zeigen.

Generell sind Kennzahlenvergleiche heutzutage sehr differenziert möglich: Beispielsweise lassen sich allein vier unterschiedliche Kennzahlen zur Fremdkapitalquote simulieren. Dies sind der Loan-to-Value nach IFRS, der Netto-Loan-to-Value nach IFRS, der Loan-to-Value nach HGB und der Netto-Loanto-Value nach HGB. Wieder gilt, dass beides auch vorrausschauend über mehrere Jahre möglich ist. Diese hohe Detailtiefe erlaubt es, eventuelle bilanzielle oder steuerliche Folgen schon frühzeitig zu erkennen und beispielsweise steuerliche Risiken rechtzeitig auszuschließen. Analog gilt dies auch für andere Renditekennzahlen wie beispielsweise EBIT und EBITDA.

Folgen, die erst durch die Simulation sichtbar werden

Nach Abschluss der beschriebenen Simulation liegt umfassendes Zahlenmaterial zu den Varianten a) Modernisierung und b) keine Modernisierung vor. Von besonderer Bedeutung sind allerdings Erkenntnisse und Folgen, die die Simulation sichtbar macht, die nicht ohne Weiteres erkennbar sind und sonst vielleicht übersehen worden wären. Dies kann im vorliegenden Beispiel etwa das Risiko eines unbemerkten Instandhaltungsstaus sein. Vor dem Treffen einer wichtigen Entscheidung steht also umfassendes Zahlenmaterial zu den einzelnen Alternativen zur Verfügung. Die Darstellung der Alternativen untermauert Argumente für oder gegen eine Entscheidung und versachlicht die Diskussion in Entscheidungsgremien ganz erheblich.

Ist die Entscheidung für eine Variante gefallen, wird diese als Soll-Szenario fixiert. Im Zeitablauf dient dieses dann regelmäßig als Maßstab für den Soll-Ist-Abgleich. Auf diese Weise können Immobilien-Manager Plan-Ist-Abweichungen bei Mietverträgen, Instandhaltungskosten oder ähnlichem identifizieren. Dies erhöht die Transparenz im Gesamtportfolio ganz erheblich. Neben der Simulation von ganz konkreten Handlungsalternativen - also Modernisierung oder keine Modernisierung - ist auch die Simulation makroökonomischer Parameter von großer Bedeutung - vor allem aus Risikomanagementgesichtspunkten. Die wichtigsten Makro-Variablen sind die Inflationsrate und die Entwicklung der Leitzinsen. Letztere ist vor allem für alle Fremdfinanzierungsfragen von Bedeutung. Dies trägt zur Identifikation langfristiger Risiken bei - etwa wenn viele Kreditverträge oder alle Zinsfestschreibungen zum selben Zeitpunkt auslaufen. Bei einem hohen Zinsniveau wäre dies ein signifikantes Klumpenrisiko.

Simulationen sind in der Immobilienbranche nichts Neues. Die Szenariotechnologie bildet die Grundlage spezialisierter Sensitivitätsanalysen und Stresstests. Die Simulations-Software ist in den vergangenen Jahren allerdings immer ausgereifter geworden und kann die Realität in ihrer Komplexität und in ihren Ursache- und Wirkzusammenhängen immer besser abbilden. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Künftig wird das Treffen von Entscheidungen beim Management von Immobilienportfolios ohne Szenariotechnik und -analyse kaum noch denkbar sein.

Der Autor

Thomas Krings Geschäftsführer, IRM Management Network GmbH, Berlin

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