MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

RELEVANTE FRÜHINDIKATOREN ZUR BESSEREN EINSCHÄTZUNG DER MARKTENTWICKLUNG

Prof. Dr. Steffen Metzner, Foto: Empira

Die Zyklen von Immobilienmärkten verlaufen hinsichtlich ihrer Länge und Amplitude eher unregelmäßig und sind mit entsprechend großer Unsicherheit behaftet. Für institutionelle Investoren stellt es somit stets eine Herausforderung dar, ihre Immobilieninvestments an neue Marktentwicklungen anzupassen. Da Immobilienmärkte jedoch nicht losgelöst vom allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld existieren, können vorlaufende Indikatoren an anderer Stelle der Wirtschaft möglicherweise nutzbar sein. Der vorliegende Beitrag widmet sich der Suche nach derartigen Größen, die mit dem Immobilienmarkt korrelieren und diesem möglichst vorauslaufen. Red.

Investitionen in Immobilien sind in der Regel langfristige Kapitalanlagen. Das gilt nicht nur für die Haltedauer: Auch der Ankaufsprozess von der Objektsuche über die Due Diligence bis zur tatsächlichen Transaktion kann sich über Monate ausdehnen. Institutionelle Immobilienportfolios lassen sich deshalb nur zeitverzögert umschichten. Die Investoren stehen vor einer analytischen Herausforderung, wenn sie ihre Immobilieninvestments effektiv und vor allem frühzeitig an die veränderten Marktbedingungen anpassen wollen. Hinzu kommt: Marktdaten, die heute erhältlich sind, basieren auf Entscheidungen vieler anderer Marktakteure, die oft schon Monate oder im Fall von Projektentwicklungen sogar Jahre zuvor getroffen wurden.

Auf das richtige Timing kommt es an

Auf dieser Informationsbasis werden neue Markttrends oftmals aber erst zu spät erkannt, um rechtzeitig reagieren und die Allokation anpassen zu können. Das gilt umso mehr in Zeiten volatiler Märkte, wie wir sie momentan ausgelöst durch die Corona-Pandemie erleben. Investoren, die frühzeitig Indikatoren für die zu erwartende Marktentwicklung identifizieren können, haben deshalb einen handfesten Wettbewerbsvorteil.

Ein passendes Timing von Portfolioumschichtungen kann signifikante Zusatzerträge erwirtschaften beziehungsweise unnötige Verluste vermeiden. Doch es stellt sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für Käufe und Verkäufe. Da Zyklen und Krisen recht unregelmäßig verlaufen, sind rein charttechnische Analysen nur bedingt aussagekräftig. Mangels eines klaren, wiederkehrenden Musters scheitert eine dem Zyklus folgende Taktik oft an fehlenden Timing-Signalen. Effizienzverluste sind die Folge.

Wendepunkte im Zyklus werden zu spät erkannt

Auch wenn die Digitalisierung und Transparenz der Immobilienbranche voranschreitet, lassen sich Verzögerungen in der Marktbeobachtung nicht vollständig umgehen. Wendepunkte werden damit zu spät erkannt. Die datenbezogene Analytik muss häufig durch subjektive Einschätzungen ersetzt werden. Das ist gerade bei größeren Portfolios und den wachsenden Anforderungen an Risikomanagement und Compliance zunehmend problematisch.

Da der Immobilienmarkt nicht losgelöst von anderen Teilmärkten und vom allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld existiert, können weitergehende Indikatoren hilfreich sein. Diese sollten mit dem Immobilienmarkt korrelieren und diesem möglichst vorauslaufen, um Marktentwicklungen besser einschätzbar zu machen. Gesucht werden relevante Frühindikatoren, die möglichst zuverlässige Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung am Immobilienmarkt erlauben. Mit zunehmender Entfernung vom Immobilienmarkt im engeren Sinne kann sich die Vorlaufzeit sogar verbessern, allerdings wird gleichzeitig die inhaltliche Interpretation schwieriger.

Um grundsätzliche Zusammenhänge über verschiedene Konstellationen hinweg abzuleiten, sind langfristige Datenreihen notwendig. Eine Bestätigung oder Widerlegung kann durch parallele Analyse verschiedener Länder erreicht werden. Untersucht werden in einer Studie die Hauspreisindizes (HPI) für 14 ausgewählte Länder Europas über die vergangenen 20 Jahre. Über Korrelationsanalysen können die im jeweiligen HPI enthaltenen Marktpreisentwicklungen mit anderen immobilienwirtschaftlichen Kennzahlen verglichen werden. Interessant dabei ist, ob bestimmte Märkte früher oder ausgeprägter reagieren und wie deutlich ein länderübergreifender Zusammenhang ist. Allerdings existieren sehr unterschiedliche Quellen, wie amtliche Statistiken der Staaten, Eurostat, OECD oder private Datenanbieter, deren Daten in der Verfügbarkeit und Aufbereitung abweichen.

Bei Märkten mit einer sehr ausgeprägten Zyklik lassen sich am besten phasenweise Zusammenhänge zu parallelen Märkten auswerten. Der HPI im Vereinigten Königreich (UK) zeigt zum Beispiel sehr ausgeprägte Änderungsraten. Stellt man diese der Änderungsrate im Baukostenindex (BKI) gegenüber, ergibt sich schon in der optischen Auswertung ein gewisser Zusammenhang. Eine statistische Verknüpfung ist anhand des Korrelationskoeffizienten feststellbar. Eine Kenntnis der Baukostenentwicklung lässt zwar Rückschlüsse auf den HPI zu, allerdings ist der zeitliche Vorlauf gering.

Ländervergleich: parallele Märkte versus Vorläufer

Die Analyse von klassischen immobilienwirtschaftlichen Indikatoren, wie Faktoren der Bauwirtschaft, der Vermietungssituation oder der Preisentwicklung, ergibt, dass man zwar zahlreiche statistische Zusammenhänge innerhalb eines Landes und auch zwischen verschiedenen Ländern erkennt, aber kaum vorlaufende Indikatoren findet. Inhaltlich überraschen solche Korrelationen wenig und stellen hinsichtlich der Analytik keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Marktteilnehmern dar.

Aufgrund von internationalen Verflechtungen von Wirtschaftsräumen können auch preisliche Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Investitionsstandorten gezeigt werden. Ein Zusammenhang ist zum Beispiel zwischen Frankreich und dem benachbarten Belgien zu erkennen, deren HPI sich fast gleichlaufend entwickeln. Dabei zeigt sich sogar ein gewisser Vorlauf von Frankreich, daher kann die dortige Marktentwicklung durchaus als Frühindikator für Belgien herangezogen werden.

Abbildung 1: Hauspreisindizes von Frankreich und Belgien zeigen nahezu gleichlaufende Entwicklungen (in Prozent) -10,0 Quelle: Empira
Abbildung 1: Hauspreisindizes von Frankreich und Belgien zeigen nahezu gleichlaufende Entwicklungen (in Prozent) -10,0 Quelle: Empira

Interessante Zusammenhänge mit parallelen Märkten zeigen sich zum Beispiel zwischen dem HPI und dem BKI in Großbritannien und Italien, dem Mietpreisindizes (MPI) Deutschland und Belgien sowie den Baugenehmigungen in Spanien und Italien. Dabei gibt es vereinzelt auch einen zeitlichen Vorlauf von immobilienmarktbezogenen Indikatoren. Das ist zum Beispiel in Deutschland und Italien beim jeweiligen MPI und dem HPI der Fall. Üblicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen der ökonomischen Stärke eines Standorts und dessen Immobilienmarkt. Zwar können Mieten und Kaufpreise nicht unmittelbar aus Einkommens- und Kaufkraftkennziffern abgeleitet werden, allerdings hat die regionale Wirtschaftskraft durchaus Auswirkungen auf das Angebot und die Nachfrage im Immobilienmarkt und kann somit die Immobilienpreise und Mieten beeinflussen.

Abbildung 2: Zusammenhang von parallelen Immobilienmärkten am Beispiel Hauspreisindex und Baugenehmigungen in Spanien und Italien (in Prozent) Quelle: Empira
Abbildung 2: Zusammenhang von parallelen Immobilienmärkten am Beispiel Hauspreisindex und Baugenehmigungen in Spanien und Italien (in Prozent) Quelle: Empira

Volkswirtschaftliche Indikatoren ergänzen Aussagekraft

Ein Vorteil, volkswirtschaftliche Daten in die immobilienwirtschaftliche Analyse einzubeziehen, besteht auch darin, dass diese meist früher und zahlreicher verfügbar sind als Daten für den Immobilienmarkt. Aus den langjährigen Erfahrungen und neuen innovativen Ansätzen der Konjunktur- und Wirtschaftsforschung lassen sich Indikatoren gewinnen, die auch für die immobilienwirtschaftlichen Märkte gute Aussagen liefern.

Eine deutliche Korrelation zeigt sich beim privaten Konsum und dem HPI. Das ist in verschiedenen Ländern zu beobachten. Auf der Suche nach Frühindikatoren besonders interessant ist, dass sich höhere Korrelationskoeffizienten auch mit einem zeitlichen Vorlauf des Konsums von einem oder zwei Jahren ergeben. Besonders hohe Zusammenhänge sind dabei in Spanien und den Niederlanden festzustellen.

Abbildung 3: Korrelation des privaten Konsums mit dem Hauspreisindex am Beispiel Spanien und Niederlande (in Prozent) Quelle: Empira
Abbildung 3: Korrelation des privaten Konsums mit dem Hauspreisindex am Beispiel Spanien und Niederlande (in Prozent) Quelle: Empira

Rohstoffpreise als Entscheidungshilfe

Dem privaten Konsum vorgelagert sind Lohnzahlungen von Unternehmen, welche wiederum auf Umsätzen und Produktionsleistungen basieren. Ein Zusammenhang mit dem Immobilienmarkt besteht sowohl in Krisenzeiten als auch in der Konjunkturerholung, auch mit einer gewissen Reaktionszeit am Immobilienmarkt. Dabei hat sich bei der Untersuchung von einigen Ländern wie Spanien und Griechenland gezeigt, dass zum Beispiel die Industrieproduktion insbesondere in der Erholungsphase den Immobilienpreisen vorausläuft.

Die Industrieproduktion ist abhängig von diversen Beschaffungsmärkten, insbesondere für Rohstoffe, sowie von Auftragseingängen und somit von anderen Branchen. Wechselwirkungen sind beispielsweise für die Preisentwicklung von Kohle, Rohöl, Eisenerz und Stahl festzustellen. Dort ist insbesondere ein Vorlauf für den BKI gegeben, Beispiele sind Deutschland und Frankreich.

In der Regel existiert darüber hinaus ein weiterer Vorlauf des BKI zum HPI. Wenn dies der Fall ist, können die genannten Rohstoffpreise als Frühindikator auch für immobilienwirtschaftliche Entscheidungen im Transaktionsbereich gut genutzt werden.

Uranpreis und BIP sind mit am geeignetsten

Als relevanter Frühindikator hat sich in vielen Märkten auch ein vermeintlicher Exot wie der Rohstoffpreis für Uran ergeben. Das war meist in den Ländern mit einem hohen Atomstromanteil der Fall, in statistischer Hinsicht aber auch für Deutschland. Das kann damit erklärt werden, dass Uran als preislich sehr volatil und besonders konjunktursensibel gilt. Damit ergeben sich auch Folgeeffekte auf den Immobilienmarkt. Besonders stark ausgeprägte Zusammenhänge sind bei den HPI in Frankreich und Belgien zu erkennen, wobei der Uranpreis hier auch jeweils mit einem Jahr Vorlauf Koeffizienten von deutlich über 0,4 aufzeigt (FR: 0,58 / BE: 0,75).

Zu den statistisch besonders relevanten und starken Frühindikatoren, die mit ein oder zwei Jahren Vorlauf Prognosen zur Immobilienkonjunktur zulassen, gehört insbesondere das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Im Unterschied zu anderen volkswirtschaftlichen Parametern spiegelt es die gesamte Breite der Wirtschaftsaktivität wider.

Es lassen sich dadurch verlässlichere Aussagen auch für den Wohnungsmarkt ableiten als durch einzelne Sektoren wie die Industrie oder einzelne Branchen. Arbeitsmarktzahlen und privater Konsum haben ebenfalls einen deutlichen Einfluss auf den Wohnimmobilienmarkt, sind aber mit dem BIP eng verknüpft und etwas nachlaufend.

Es lohnt sich somit für institutionelle Investoren, in ihren Markt- und Portfoliomodellen offen zu sein für alternative Frühindikatoren abseits der klassischen immobilienwirtschaftlichen Daten. Dazu gehören neben volkswirtschaftlichen Größen wie dem Bruttoinlandsprodukt auch für die Bauwirtschaft relevante Rohstoffpreise. Dies ist nur zum Teil über Lieferbeziehungen sowie den daraus resultierenden Baukosten beziehungsweise Sachwerten erklärbar.

Oft bieten diese Größen allgemeine, das heißt wirtschaftsübergreifende Konjunkturinformationen, die eben auch mit Immobilienwerten korrelieren. Es eignen sich insbesondere diejenigen Größen als Frühindikatoren, die zeitverzögert die Kaufkraft und das Einkommen beeinflussen. Häufig sind dies Kennzahlen aus dem Bereich Produktion, Handel und Logistik.

Grundlage besserer Investmententscheidungen

Darüber hinaus sind auch weitergehende Messgrößen wie Arbeitsstunden, Verkehrsaufkommen, Logistikcontainerumschlag oder der Energieverbrauch nützlich. Auch diese laufen den Immobilienmärkten voraus und können geeignete Indikatoren für die Bewertung der Entwicklung darstellen, um zukunftsfähige Investmententscheidungen treffen zu können.

Hingegen bieten typische Beobachtungsgrößen wie Mietpreise, Einkommen, Wirtschaftskraft und Baukosten in ihrer Höhe und Entwicklung nur geringe Vorlaufzeiten und eignen sich daher weniger für frühzeitige Analysen sowie rechtzeitige Reaktionen auf Marktveränderungen.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass Frühindikatoren den Handlungsspielraum für institutionelle Investoren deutlich erweitern und dabei unterstützen, relevante Marktveränderungen frühzeitig zu erkennen und die Investmententscheidungen adäquat darauf auszurichten. Somit können sie ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein.

DER AUTOR PROF. DR. STEFFEN METZNER Head of Research, Empira Asset Management GmbH, Leipzig
Prof. Dr. Steffen Metzner , Head of Research , Empira Asset Management GmbH, Leipzig

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X