NACHHALTIGKEIT

REGIONALE WERTSCHÖPFUNG FÜHRT ZU NACHHALTIGEREN IMMOBILIEN

Florian Lanz, Foto: Laborgh

Wein aus Chile? Lammfleisch aus Neuseeland? In Zukunft werden das immer mehr Menschen mit Nein beantworten. Nachhaltigkeit wird zum Thema der Zeit, und das auf allen Ebenen. Ob bei Labels wie "Fair Fashion", der Elektromobilität oder der Kritik an industrieller Nahrungsmittelproduktion: In vielen Branchen und über Produktklassen hinweg lassen sich Wachstum und der Erhalt von Arbeitsplätzen nicht länger als einziger Maßstab betrachten.

Politik und Kunden fordern konkrete Maßnahmen

Auch von der Immobilienwirtschaft verlangen Politik und Kunden inzwischen immer häufiger konkrete Maßnahmen für eine möglichst hohe Sozialverträglichkeit, eine langfristige wirtschaftliche Ausrichtung, den klimaverträglichen Bau und eine ganzheitliche Bewirtschaftung von Immobilien. Das alles ist nachvollziehbar und richtig. Denn wenn unser Planet dauerhaft lebenswert bleiben soll, gibt es nicht den einen sprichwörtlichen "großen Wurf", mit dem sich alle Probleme auf einmal lösen ließen.

Ganz im Gegenteil kommt es auf viele kleine Schritte an, von der sukzessiven Senkung des Energieverbrauchs bis zu neuartigen Prozessen und Strukturen - und sei es die Videokonferenz, die eine Dienstreise überflüssig machen kann. Doch technologischer Fortschritt, so wichtig er auch ist, wird das Dilemma nicht allein lösen. Denn dauerhaft ist die Verringerung des Aufwands nicht selten effektiver und effizienter, als neue Technologien zu entwickeln. Oft gilt noch immer: je simpler, desto besser.

Je simpler, desto besser

Was damit gemeint ist, lässt sich gut an der Kühlung von Gebäuden verdeutlichen: Klar ist es möglich, bestehende Klimaanlagentechnik weiter zu optimieren und damit den Strombedarf zu verringern. Doch damit sind Entwicklungskosten, die Herstellung beziehungsweise Anschaffung neuer Geräte und ein dementsprechend hoher Energie- und Ressourceneinsatz verbunden. Darüber hinaus verbraucht auch eine sparsamere Anlage noch immer Strom - da kann es besser sein, durch Verschattung von vornherein eine übermäßige Aufhitzung des Baukörpers zu verhindern.

Beispiele wie dieses gibt es noch viele - und einige Immobilienunternehmen wie Edge Technologies beweisen aktuell etwa in Berlin, dass sich ausdrucksstarke Architektur und Nachhaltigkeit sogar bei Hochhausbauten vereinbaren lassen. Erfreulich ist, dass der Markt mitzieht: Inzwischen ist es für viele Projektentwickler und Bauherren fast selbstverständlich, ihre Projekte nach den Kriterien von LEED, BREEAM oder der DGNB zu entwerfen und zertifizieren zu lassen. Bisher ist das vor allem im gewerblichen Bereich zu beobachten, doch ich bin mir sicher: Es handelt sich nur um eine Frage der Zeit, bis dieser Schritt auch im Wohnungsbau vollzogen wird.

Wir sollten dabei aber nicht auf halbem Weg stehenbleiben, sondern den richtigen Grundgedanken konsequent zu Ende führen. Nicht nur technologisch und konzeptionell, auch organisatorisch ist es wichtig, dass wir als Immobilienwirtschaft die Nachhaltigkeit unseres Handelns hinterfragen. Ein bisher vernachlässigter Aspekt dabei: regionale Wertschöpfung. Mit ihr ließe sich schon beim Bau ein signifikanter Gewinn in Sachen Nachhaltigkeit erzielen. Kurz gesagt: Mit regionalen Partnern zu arbeiten, mag als Einzelposten teurer sein. Berücksichtigt man jedoch die gesellschaftlichen Folgekosten, schwingt das Pendel deutlich in Richtung heimische Herstellung. Dasselbe gilt im Prinzip bei den beiden anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit. Aus sozialer Sicht ist es für eine gesunde Wirtschaft und eine funktionierende Gesellschaft unerlässlich, dass auskömmliche Preise und faire Löhne gezahlt werden. Genau wie in der Fleischproduktion schadet es dem Standort Deutschland langfristig, wenn scheinselbständige südeuropäische Arbeitskräfte auf den Baustellen dominieren.

Denn bei Mieten und Kaufpreisen gilt schließlich, dass diese von den Menschen bezahlt werden müssen. Wirklich stabiles, also nachhaltiges Wachstum ist in der sozialen Marktwirtschaft somit nur zu erzielen, wenn auch die inländische Beschäftigungsquote hoch ist und die Löhne und Gehälter eine entsprechend hohe Kaufkraft in der Bevölkerung schaffen.

Deutlich höhere Krisenresilienz - auch auf den Baustellen

Eine der zentralen Herausforderungen bei Projekt- und Quartiersentwicklungen lautet deshalb nicht nur, technische Lösungen für eine effiziente Wärme- und Energieversorgung zu finden oder durch kurze Wege beispielsweise autofreie Kieze zu schaffen. Ein genauso wichtiger Beitrag zu einer nachhaltigen Immobilienwirtschaft muss sich aus den Wertschöpfungsketten selbst ergeben.

Ökonomisch hat uns das Jahr 2020 ohnehin bereits vor Augen geführt, dass eine regionale Produktion deutlich resilienter gegenüber Krisen sein kann: Während gewisse Warenströme durch die Grenzschließungen und Lockdowns zum Erliegen kamen und Deutschlands Landwirte beispielsweise mangels Saisonarbeitern um die Spargelernte bangten, herrschte auf unseren vornehmlich von Berliner und Brandenburger Unternehmen ausgeführten Baustellen ein reges Treiben. Wir sollten diese Erfahrung im Kopf behalten, wenn wir die Pandemie hinter uns gelassen haben.

DER AUTOR FLORIAN LANZ Geschäftsführer, Laborgh Investment GmbH, Berlin
Florian Lanz , Geschäftsführer, Laborgh Investment GmbH, Berlin
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