Markt- und Objektbewertung

Wo lohnt es, in mehr Nachhaltigkeit zu investieren?

Abbildung 1: Ergebnis von Grobanalysen beim Pilotprojekt Quelle: TÜV Süd Industrie Service GmbH/Sigma-42 GmbH

Nachhaltiges Bauen ist ein anhaltender Trend auch im Wohnbau. Doch wie verhält es sich bei Modernisierungen? Bei welchen Bestandsimmobilien bringen sie tatsächlich mehr Nachhaltigkeit? Zur wertorientierten Immobiliensteuerung beschreibt der Autor eine webbasierte Bewertungssystematik, die über die Beurteilung von finanziellen Kennzahlen hinausgeht und auch ökologische und soziale Komponenten berücksichtigt. Dadurch, so meint er, bekommen Immobilienunternehmen und Investoren ein effektives Entscheidungswerkzeug an die Hand. Red.

Um die zu erwartende Rendite einer Immobilie realistisch einschätzen zu können, brauchen Eigentümer und Investoren genaue Kenntnis über deren Zustand. Das reicht von der Beschaffenheit der Fassaden bis zum Alter der Heiztechnik und elektrischen Leitungen. Damit mögliche Haftungs- und Investitionsrisiken gering bleiben, sind zudem gesetzliche Änderungen, beispielsweise zu Wartungs- und Prüfpflichten, mit zu bedenken, wie sie unter anderem von der in der Novellierung befindlichen Betriebssicherheitsverordnung ausgehen können.

Gängige Verfahren reichen nicht aus

Damit alle relevanten Informationen gebündelt und strukturiert zugänglich werden, braucht es systemtechnische Erfassungs- und Bewertungsverfahren. Gängige Verfahren beziehen sich vielfach ausschließlich auf finanzielle Zielkennzahlen. Ökologische und soziale werden nicht immer ausreichend berücksichtigt. Diese spielen jedoch eine entscheidende Rolle bei Investitionsvorhaben in mehr Nachhaltigkeit und wenn Energieeinsparungen sowie die Verbesserung der Wohnqualität als wertsteigernde Faktoren einkalkuliert werden sollen.

CAFM-Systeme zur Datenerfassung

Zur einheitlichen Erfassung der Gebäudedaten reichen die zur Verfügung stehenden Methoden nicht immer aus. Standardisierungen und Eigentümer übergreifende Ansätze sind gefragt. Doch der Markt an unterstützenden IT-Systemen ist bisweilen unübersichtlich. Zwar werden die sogenannten CAFM-(Computer-Aided Facility Management) Systeme schon seit vielen Jahren erfolgreich im technischen, infrastrukturellen und kaufmännischen Bereich eingesetzt.

Doch ist durch die Vielzahl an unterschiedlichen Herstellerfirmen auch die Software heterogen - auch in der Schwerpunktsetzung. Bei einem Immobilienunternehmen können Daten zur Gebäudehülle somit in einem anderen System abgelegt sein als solche über deren baulichen Zustand, während Angaben über die technische Grundausstattung und nötige Wartungsmaßnamen mitunter komplett fehlen.

Durch unvollständige oder nicht abgestimmte Datensätze entstehen nicht selten unvorhergesehene Mehrkosten, beispielsweise durch unbedachte Wartungsarbeiten oder versäumte Prüffristen. Außerdem sind nachträgliche Ergänzungen und Abgleiche von Daten zeitintensiv und erfordern einen zusätzlichen Personalaufwand. Eine wirtschaftlich rentable Immobiliensteuerung ist so nur schwer umzusetzen. Das betrifft auch Investitionsentscheidungen.

In einem Pilotprojekt hat TÜV Süd gemeinsam mit Partnern aus dem IT-Bereich und dem Nachhaltigkeitssektor eine neue webbasierte Bewertungssystematik entwickelt.

Angewandt wurde diese bei einem süddeutschen Wohnungswirtschaftsunternehmen, das wissen wollte, bei welchen Objekten aus seinem Portfolio Investitionen in mehr Nachhaltigkeit lohnen. Ziel des Projekts war eine wertorientierte Immobiliensteuerung durch strategische Investitionsentscheidungen. Da das Unternehmen großen Wert auf Nachhaltigkeit legt, sollten gleichermaßen ökologische, soziale und wirtschaftliche Kriterien berücksichtigt werden.

Acht Liegenschaften wurden aus dem Immobilienportfolio ausgewählt. Von diesen waren folgende Informationen zu ermitteln: der Zustand der Gebäudehülle, Daten über den Energieverbrauch, Kostenbenchmarks und eine Analyse der Wechselwirkungen zwischen Gebäudehülle und Wärmeversorgung. Auf der Datengrundlage sollte eruiert werden, in welche Liegenschaften das Wohnungswirtschaftsunternehmen unter dem Gesichtspunkt Nachhaltigkeit investieren soll.

3-Phasen-Modell für Investitionsentscheidungen

In dem ersten Schritt, der Grobanalyse, gilt es, eine erste Übersicht über den Gebäudebestand der aus gewählten Liegenschaften zu gewinnen. Sie zeigt den aktuellen Stand der Nachhaltigkeit des Teilportfolios auf. Alle verfügbaren Informationen werden in eine web basierte Datenbank eingespeist und als Grundlage für die Bewertungssystematik ökologische, ökonomische und soziale Zielkennzahlen definiert.

Anhand einer Skala wird der Zustand jeder Immobilie, beispielsweise in puncto Gebäudehülle, Gebäudetechnik (unter anderem Heiztechnik, Energieverbrauch) und Gebäudegeometrie (Funktionalität, Nutzbarkeit des Gebäudes), bewertet.

Über die ermittelten Ergebnisse entscheiden die Experten, welche Liegenschaften für die folgende Feinanalyse infrage kommen und den damit verbundenen zusätzlichen Aufwand an personellen und finanziellen Ressourcen. In dem Pilotprojekt wurden dazu Gebäude beispielsweise mit veralteten Fenstern, Gasheizungen und geringen Dämmwerten gezielt herausgefiltert und verglichen.

Überprüfung auf Schwachstellen

Eine Liegenschaft mit schlechten Gesamtwerten wurde in der Feinanalyse auf einzelne Schwachstellen hin überprüft. Für das betreffende Objekt werden dann mögliche Modernisierungsmaßnahmen definiert, die beispielsweise Energieverluste eindämmen. Diese sind jedoch nicht alle gleichermaßen sozial verträglich und wirtschaftlich rentabel, was beispielsweise die spätere Bruttowarmmiete betrifft.

Die Sachverständigen spielen daher mittels verschiedener Szenarien Investitionsvarianten durch, die für das Objekt infrage kommen. Dabei werden auch dynamische Entwicklungen von markt- und objektspezifischen Risiken mitbedacht sowie die Entwicklung von Energiepreisen.

In dem Fallbeispiel wurden für jede Option zum einen die nötigen Investitionen und Wartungskosten über die gesamte Lebensdauer des Objekts kalkuliert. Des Weiteren ließen sich mögliche Energieeinsparungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Modernisierungstechnik aufzeigen. So konnte unter anderem ein direkter Vergleich zwischen dem betreffenden Objekt und aktuellen Neubau- und Passivhausstandards gezogen werden.

Ökonomische, ökologische und soziale Kennzahlen

In der anschließenden Potenzialanalyse werden die in der Feinanalyse aufgezeigten Handlungsalternativen anhand der definierten Zielkennzahlen auf ihren Nachhaltigkeitswert hin überprüft und grafisch dargestellt. Die ökonomische Kennzahl (Sharpe Ratio) bildet das Investitionsrisiko in Bezug auf die zu erwartende Rendite ab.

Hierbei werden sowohl die Investitionskosten, die Lebensdauer des Objekts und eine mögliche Modernisierungsumlage einkalkuliert. Die ökologische Zielkennzahl erfasst den Primärenergiebedarf pro Quadratmeter. Die soziale Kennzahl umfasst die Bruttowarmmiete pro Quadratmeter (Miete inklusive Nebenkosten). In beiden Fällen ist ein niedriger Wert positiv zu beurteilen.

Durch die so gewonnenen Daten lässt sich realistisch abschätzen, welche Kosteneinsparungen durch Sanierung der Gebäudehülle, Modernisierung der Gebäudetechnik oder Betriebsoptimierungen erreicht werden können und ob beziehungsweise wie der Marktwert der Immobilie dadurch gesteigert werden kann. Auch der Wert des Einzelobjekts im Verhältnis zum Gesamtportfolio wird daraus ersichtlich. Die in der Potenzialanalyse gewonnenen Ergebnisse schaffen eine verlässliche Grundlage für künftige Investitionsentscheidungen.

Effektives Entscheidungswerkzeug

Diese detaillierte Kenntnis von Gebäudesubstanz und technischer Grundausstattung einer Immobilie ist zusammen mit den Kennzahlen zentral für eine wertorientierte und transparente Immobiliensteuerung. Mit der webbasierten Datenerfassung und -strukturierung, wie sie von TÜV Süd und Partnern in dem Pilotprojekt erfolgreich umgesetzt wurde, bekommen Immobilienunternehmen und Investoren ein effektives Entscheidungswerkzeug an die Hand. Die Daten der einzelnen Objekte werden zuverlässig erfasst und können über den gesamten Lebenszyklus fortgeschrieben werden. Auf diese Weise gewinnt der Eigentümer oder Investor mehr Klarheit über den Zustand seiner Gebäude und sieht bei Handlungsbedarf, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.

Nicht zuletzt gewinnt er dadurch Rechtssicherheit, da neben den Anlagendaten, zum Beispiel zur Heiztechnik, auch die Betreiberpflichten strukturiert und vollständig dokumentiert werden. Der webbasierte Ansatz ermöglicht, auch soziale, ökologische und ökonomische Aspekte von Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.

Der Autor Dr. Uwe Forgber Berater und Kooperationspartner, Division Real Estate & Infrastructure, TÜV SÜD Industrie Service GmbH, München

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