MIPIM Special

Die Immobilienbranche entdeckt das Crowdinvesting

Prof. Dr. Markus Petry, Lehrstuhl Finanzdienstleistungscontrolling, Hochschule RheinMain, Wiesbaden

Das Thema Schwarmfinanzierung ist in der Immobilienbranche noch sehr frisch. Die Autoren dieses Beitrags beleuchten die erfolgreichen Projekte der vergangenen Jahre. Diese rasante Entwicklung belegen sie mit beeindruckenden Zahlen. Das Investitionsvolumen habe sich mit etwa 38,9 Millionen Euro im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr um 72 Prozent gesteigert. Die Anzahl der erfolgreich finanzierten Projekte sei in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt worden. Auch für große Investoren gebe es demnach Vorteile: Sie könnten die strengen Eigenkapitalanforderungen bei gleichzeitig zu realisierenden Immobilienprojekten mit dieser Methode besser erfüllen. Denn: Die Mikroinvestoren stellten über die Immobilien-Crowdinvesting-Plattformen Kapital in Form eines Nachrangdarlehens zur Verfügung. Dieses werde von den Kreditinstituten als wirtschaftliches Eigenkapital bewertet und trage somit zur Erhöhung der Eigenkapitalquote der Unternehmen bei. Red.

Entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Finanzbereich haben sich in den letzten Jahren sogenannte Fintechs entwickelt und etabliert. Im Immobilienbereich existiert mit Immobilienscout24 bereits seit fast 20 Jahren ein solches Unternehmen, das die Schnittstelle zwischen Kunden und Finanzdienstleistungsunternehmen digitalisiert und damit eine Entwicklung vorweggenommen hat, die derzeit die gesamte Finanzdienstleistungsbranche verändert. Seit zirka drei Jahren hat die Digitalisierung auch im Bereich der klassischen Immobilienfinanzierung Einzug gehalten und seither ermöglichen Immobilien-Crowdinvesting-Plattformen auch Kleinanlegern, sich mit wenigen Hundert Euro auf einfachste Art und Weise an potenziell lukrativen Immobilienprojekten zu beteiligen. Diese werden derzeit noch ausschließlich von professionellen Entwicklern initiiert, Peer-to-Peer Lending hat sich in diesem Bereich bisher nicht etabliert. Noch ist der Markt relativ klein, ihm wird jedoch ein erhebliches Wachstumspotenzial attestiert. Das Investitionsvolumen hat sich mit etwa 38,9 Millionen Euro im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr um 72 Prozent gesteigert. Die Anzahl der erfolgreich finanzierten Projekte hat sich dabei mehr als verdoppelt.

Die meisten Finanzierungen wurden im Jahr 2016 von den Hamburger Plattformen Exporo und Zinsland angeboten. Neben diesen beiden sind momentan acht weitere Immobilien-Plattformen auf dem deutschen Markt aktiv - und es ist davon auszugehen, dass weitere Anbieter in naher Zukunft dazukommen, aber auch einige, wie Raumrendite und Brickgate, relativ schnell wieder von der Bildfläche verschwinden werden. Im Jahr 2016 haben insgesamt nur fünf Plattformen überhaupt Immobilienprojekte über das Internet finanziert, neben Exporo und Zinsland waren dies Zinsbaustein, Bergfürst und iFunded.

Finanzierungsform nachrangige Darlehen

Bei allen Plattformen werden die Finanzierungen in Form von nachrangigen Darlehen angeboten. Durch den damit verbundenen Rangrücktritt droht den Investoren bei einer Liquidation im schlechtesten Fall der Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Privatanleger dürfen aufgrund des Kleinanlegerschutzgesetzes maximal 10 000 Euro pro Projekt anlegen. Gebühren für die Investoren entstehen bei den Anbietern keine. Alle Plattformen beschränken sich auf ein maximales Finanzierungsvolumen von 2,5 Millionen Euro, da so nach dem Kleinanlegerschutzgesetz keine Prospektpflicht für die Emittenten entsteht.

Die Plattform Bergfürst, die sich ursprünglich auf die Finanzierung von Start-up-Unternehmen spezialisiert hatte und als einzige Plattform Aktien als Beteiligungsmodell anbot, hat seit dem Jahr 2015 ihr Geschäftsmodell auf die Immobilienfinanzierung durch Nachrangdarlehen ausgerichtet und bietet seitdem als einziger Anbieter einen internen Handelsplatz im Sinne eines Sekundärmarktes an, der den Handel der Vermögensanlagen gegen eine geringe Gebühr ermöglichen soll. Auch werden hier die Zinsauszahlungen an die Investoren anders als in der Branche üblich gehandhabt. In der Regel bekommen die Investoren am Ende der Laufzeit mit der Rückzahlung des Investitionsbetrages die anfallenden Zinsansprüche für die gesamte Laufzeit ausbezahlt. Bei Bergfürst hingegen existieren mit dem 30. Juni und dem 31. Dezember feste Auszahlungstermine.

Hohe Anforderungen bei Eigenkapital

Aufgrund der Boomphase, die auf dem Immobilienmarkt derzeit herrscht, sind Immobiliengesellschaften bestrebt, möglichst viele Immobilienprojekte zeitgleich zu verwirklichen, um an der großen Nachfrage nach Immobilien zu partizipieren. Für die schnelle Realisierung der Immobilienprojekte müssen die Projektinitiatoren allerdings hohe Eigenkapitalanforderungen erfüllen. Kreditinstitute, die als Hauptfinanzierungsquelle für die Realisierung der Bauprojekte der Immobiliengesellschaften dienen, sind aufgrund der Basel-Regularien nur unter hohen Eigenkapitalanforderungen bereit, Kredite an Projektinitiatoren zu vergeben. Diese müssen einen projektabhängigen Eigenkapitalanteil von meist 10 Prozent bis 30 Prozent aufbringen, um Fremdkapital von einer Bank aufnehmen zu können. Dies erschwert die parallele Realisierung von verschiedenen Immobilienprojekten maßgeblich. Zur Lösung dieser Problematik ist die Crowdfinanzierung ideal geeignet.

Die Mikroinvestoren stellen über die Immobilien Crowdinvesting-Plattformen Kapital in Form eines Nachrangdarlehens zur Verfügung. Dieses wird von den Kreditinstituten als wirtschaftliches Eigenkapital bewertet und trägt somit zur Erhöhung der Eigenkapitalquote bei. Diese Art der Eigenkapitalergänzung durch Nachrangdarlehen ermöglicht den Immobiliengesellschaften, ihr tatsächliches Eigenkapital pro Projekt zu reduzieren und durch als wirtschaftliches Eigenkapital bewertete Nachrangdarlehen zu ergänzen. Für die Projektinitiatoren erhöht die Aufnahme von Nachrangkapital bei erfolgreicher Abwicklung der Bauvorhaben auch die Eigenkapitalrendite durch den Leverageeffekt.

Das Hauptrisiko, welches bei einer Crowdinvesting-Kampagne für die Immobiliengesellschaft existiert, ist die Unsicherheit, dass die Mikroinvestoren nicht ausreichend Kapital zur Verfügung stellen und dementsprechend die Mindestfinanzierungsschwelle (Fundingschwelle) nicht erreicht wird, die für die Auszahlung der Investitionsbeträge notwendig ist. Die Zusage einer Immobilienplattform für den Start einer Crowdinvesting-Kampagne ist keine Garantie für die Teilfinanzierung der Immobilienprojekte durch die Mikroinvestoren. Dieses Risiko wird von einigen Anbietern, wie beispielsweise von Exporo, Zinsland oder Zinsbaustein eliminiert, indem eine Finanzierungsgarantie gegenüber den Immobiliengesellschaften abgegeben wird. Für den Fall, dass die Fundingschwelle innerhalb des Investitionszeitraums (Fundingphase) nicht erreicht wird, werden größere Partnerinvestoren beziehungsweise Kapitalpartner aktiviert, die den fehlenden Betrag zu denselben Angebotskonditionen wie sie für die Kleinanleger gelten zur Verfügung stellen. Die Plattformen finanzieren sich durch verschiedene Gebühren, die sie den Immobiliengesellschaften in Rechnung stellen und deren Höhe projektabhängig ermittelt wird.

Verzinsung bis zu acht Prozent und keine versteckten Kosten

Die Investoren erhalten für ihre Anlage eine plattform- und projektabhängige Verzinsung von bis zu acht Prozent pro Jahr und müssen keine versteckten Gebühren oder Kosten befürchten. Die Laufzeiten betragen meist zwischen 12 und 48 Monaten, selten auch länger. Die Plattformen versuchen, das Rückzahlungs- beziehungsweise Ausfallrisiko durch verschiedene Präventivmaßnahmen zu minimieren. Um für eine Crowdinvesting-Kampagne geeignet zu sein, haben die kapitalnachfragenden Immobiliengesellschaften einen detaillierten und streng ausgearbeiteten Auswahlprozess der Plattformen zu durchlaufen, der einer Due-Diligence ähnelt. Die Projektträger müssen sämtliche (Bau-) Genehmigungen vorlegen, einen Mindesteigenkapitalanteil mitbringen, das jeweilige Projekt muss in der Regel zusätzlich von einer Bank mitfinanziert werden und die Projektinitiatoren müssen einen umfangreichen positiven Track-Record vorweisen können, um für eine Crowdinvesting-Kampagne geeignet zu sein. Erst wenn diese formalen Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es zur Analyse der Finanzkennzahlen des Projektträgers und der kalkulierten Baukosten sowie der Objektlage und des Verwendungszwecks.

Zur Absicherung des Rückzahlungsrisikos gibt es am Markt momentan drei relevante Mechanismen, die projektabhängig einzeln oder auch in Kombination von den Plattformen eingesetzt werden. Als erstes ist die Eintragung einer Grundschuld zu erwähnen, die für die Mikroinvestoren nur dann sinnvoll ist, wenn sie im ersten Rang erfolgt. Der erstrangige Grundbucheintrag wird beispielsweise vom Branchenneuling Rea-Capital auf alle präsentierten Projekte angeboten. Das zweite Sicherungskonzept ist die Gewinnabtretungserklärung. Dabei wird das Bausonderkonto des jeweiligen Projektes, auf dem sämtliche (Verkaufs-) Erlöse eingezahlt werden, an einen Treuhänder verpfändet. Es können nur Auszahlungen vorgenommen werden, die zur Bedienung des Bankdarlehens verwendet werden, wie beispielsweise die regelmäßigen Tilgungen oder die anfallenden Darlehenszinsen. Die Projektträger haben bis zur vollständigen Darlehensrückzahlung inklusive der vereinbarten Zinsen an die Investoren keine Möglichkeit, sich die Verkaufserlöse beziehungsweise das Guthaben aus dem Bausonderkonto auszahlen zu lassen. Die dritte Form der Absicherung ist die selbstschuldnerische und notariell beglaubigte Bürgschaft der Projektträger. Hier treten die Geschäftsführer beziehungsweise Gesellschafter der Immobiliengesellschaften persönlich als Bürgen gegenüber den Investoren ein.

Neun Projekte erfolgreich abgewickelt

Trotz der kurzen Historie kann das Crowdinvesting für Immobilien bisher als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden, da bereits neun Projekte erfolgreich abgewickelt worden sind und den Mikroinvestoren eine durchschnittliche Rendite von 5,9 Prozent pro Jahr eingebracht haben. Bei drei Projekten konnten sich die Investoren über eine vorzeitige vollständige Rückzahlung freuen. Dies ist dann der Fall, wenn die fertiggestellten Immobilien schneller als kalkuliert verkauft werden konnten. Die Investoren erhalten trotz der vorzeitigen Rückzahlung die versprochenen Zinszahlungen für die gesamte vorab vereinbarte Laufzeit.

Die Immobilienplattformen sind auch hauptverantwortlich dafür, dass der Gesamtmarkt des Crowdinvesting in Deutschland in den letzten zwei Jahren zweistellige Wachstumsraten vorzuweisen hat. Die ursprünglichen Pioniere des Crowdinvesting, wie beispielweise Companisto und Seedmatch, die seit 2011 existieren und den Kleininvestoren eine Investition in (Start-up) Unternehmen ermöglichen, können nur noch Wachstumsraten im unteren einstelligen Prozentbereich vorweisen und dementsprechend keinen großen Beitrag mehr für die Gesamtmarktentwicklung leisten. Das Investitionsvolumen auf dem gesamten Crowdinvesting-Markt betrug im abgelaufenen Jahr 63,4 Millionen Euro, das sich zusammensetzt aus 4,9 Millionen Euro für Grüne Energie Projekte, 19,6 Millionen Euro für (Start-up) Unternehmen und 38,9 Millionen Euro für Immobilienprojekte. Diese Zahlen zeigen eindeutig, dass die Kleinanleger die Investition in Immobilien der Investition in (Start-up-) Unternehmen vorziehen. Dies kann wohl vor allem darauf zurückgeführt werden, dass die Unternehmensplattformen aufgrund der hohen Ausfallraten in den vergangenen Jahren zunehmend in die Kritik geraten und die Immobilienplattformen bis zum jetzigen Zeitpunkt keinen Ausfall melden mussten.

Zunächst Aufmerksamkeit schaffen

Im Gegensatz zu einer Investition in ein junges Unternehmen besteht bei der Immobilieninvestition eine komplett konträre Ausgangslage. Die Immobilienanleger investieren zwar in die Verwirklichung der jeweiligen Immobilienprojekte, hinter diesen Projekten stehen aber, durch die sehr strenge Selektion der Immobilienplattformen, Unternehmen, die eine lange Historie aufweisen und ihre Marktfähigkeit längst bewiesen haben. Ein Paradebeispiel dafür ist die seit dem Jahr 1878 existierende und familiengeführte Immobiliengesellschaft Tecklenburg, die sich für die Finanzierung eines Projektes über Zinsland in Höhe von 700 000 Euro teilfinanziert und die Investoren inzwischen erfolgreich vollständig ausbezahlt hat. Die (Start-up) Unternehmen müssen hingegen in ihren jeweiligen Zielmärkten zunächst eine gewisse Bekanntheit aufbauen sowie ein Bedürfnis beziehungsweise eine Nachfrage wecken, damit ihre Produkte oder Dienstleistungen von den potenziellen (End-) Kunden überhaupt wahrgenommen und erworben werden. Für den Privatanleger ist die Abschätzung des Erfolgspotenzials einer Immobilienentwicklung in aller Regel einfacher zu bewerkstelligen als die Analyse von Bilanzkennzahlen, Businessmodellen, innovativen Produkten oder Branchenstrukturen, die eine wohldurchdachte Investition in ein (Start-up) Unternehmen erfordert. Ein weiterer Vorteil der Immobilieninvestition ist, dass es sich bei einer Immobilie um einen Sachwert handelt, der im Falle einer Insolvenz des Projektträgers einen Restwert hat, sodass nicht gleich mit einem Totalausfall zu rechnen ist - im Gegensatz zu Start-up Unternehmen, deren Insolvenzmasse praktisch inexistent ist.

Um das Immobilien-Crowdinvesting weiter zu professionalisieren, bestehen in der Branche Überlegungen, in naher Zukunft intensiv mit Kreditinstituten zu kooperieren. Plattformen wie beispielsweise Zinsland sind zusätzlich bestrebt, in naher Zukunft neben dem Nachrangdarlehen auch andere Finanzprodukte anzubieten. Es scheint, dass besonders der Marktführer Exporo auf eine schnelle Expansion setzt. So wurden für die schnelle Realisierung der Expansion von den Venture-Kapitalgebern e.ventures, Holtzbrink Ventures, Sunstone und BPO Capital insgesamt 8,2 Millionen Euro angenommen und im Gegenzug Unternehmensanteile an die neuen Kapitalgeber abgegeben. Zudem wurde das Personal deutlich aufgestockt und es existieren Überlegungen zu einer internationalen Geschäftsaufnahme.

Sehr transparente Darstellung der Investitionsobjekte

Gelingt es den Immobilienplattformen weiterhin, die Ausfallrate (nahe) Null zu halten, so könnte das Immobilien-Crowdinvesting in Zukunft eine ernsthafte Alternative zu Immobilienfonds, REITs und zur Direktinvestition in eine Immobilie werden. Das Immobilien-Crowdinvesting reduziert durch die sehr transparente Darstellung der Investitionsobjekte Suchund Informationskosten, sodass es für jeden Investor möglich ist, sich mit wenigen Tausend Euro ein individuelles und diversifiziertes Immobilienportfolio aufzubauen, das mit einer relativ kurzen Kapitalbindungsdauer ausgestattet ist und auch in der momentanen Niedrigzinsphase noch eine akzeptable Verzinsung ermöglicht. Die momentane Marktentwicklung, die expansiven Zukunftspläne der wesentlichen Player sowie die Tatsache, dass Immobiliengesellschaften selbst Crowdinvesting-Plattformen gründen - die Plattform Zinsbaustein ist beispielsweise eine Kooperation der Immobiliengesellschaft Sontowski & Partner Group aus Erlangen und des Company Builders Finleap) - zeigt, dass die Crowdfinanzierung in der Immobilienbranche an Akzeptanz gewonnen hat und sich langfristig als alternative Finanzierungsform etablieren dürfte. Die Hauptgefahr für die Immobilienplattformen besteht in der Abhängigkeit vom zyklischen Immobilienmarkt. Es bleibt abzuwarten, ob die Anbieter auch in einem anderen Marktumfeld erfolgreich sein können.

Die Autoren Prof. Dr. Markus Petry Lehrstuhl Finanzdienstleistungscontrolling, Hochschule RheinMain, Wiesbaden und Soner Ulutas, Student Master "Insurance and Finance", Hochschule RheinMain, Wiesbaden

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