PERSONALMANAGEMENT

FACHKRÄFTEMANGEL IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT - ALTES PROBLEM IN VERSCHÄRFTER KONSTELLATION

Klaus Leuchtmann, Foto: EBZ

Zum mittlerweile achten Mal hat das EBZ - Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft kürzlich seinen Human Resources Monitor vorgelegt. Die darin skizzierten Herausforderungen, sei es der Bedarf an technischen Fach- und Führungskräften, die Schwierigkeit von Mitarbeiterrekrutierung oder die Ausdünnung der Belegschaft aufgrund des demografischen Wandels sind beunruhigende Tendenzen, die sich von Studie zu Studie zuspitzen. EBZ-Vorstandsvorsitzender Klaus Leuchtmann warnt deshalb im folgenden Beitrag vor einem "Weiter so" bei der Personalentwicklung. Stattdessen müsse das Thema von Immobilienunternehmen endlich in den Fokus gerückt werden, ansonsten drohe nicht zuletzt bei der Herkulesaufgabe "Klimaneutralität" ein böses Erwachen. Red.

Der Fachkräftemangel dürfte sich als äußerst problematisch für die Klimawende erweisen. Diesen Schluss legt der "Human Resources Monitor Wohnungs- und Immobilienwirtschaft 2022" (kurz HR-Monitor) des EBZ nahe. Eine seiner alarmierenden Aussagen lautet: 55 Prozent der Unternehmen aus der Immobilienbranche sehen schon heute im Fachkräftemangel ein Investitionshemmnis auf dem Weg zum Klimaschutz.

Ein Pfad voller Hindernisse

Dabei liegt die steinigere Hälfte des Weges zur Klimaneutralität im Gebäudesektor noch vor uns. Geht es ungebremst weiter wie bisher, werden Fachkräftemangel und Klimawende eine kaum zu steuernde Gegenläufigkeit entwickeln. Der HR-Monitor deutet jedoch auch Lösungswege an.

Der Klimapfad 2030/2045 ist für die Immobilienbranche alles andere als frei von Hindernissen. Die bedrohte Energieversorgungssicherheit, die rasant steigenden Energiekosten, die großen Unsicherheiten nach dem KfW-Förderstopp und die Baumaterialienverteuerung sind nur einige der Probleme, die gelöst werden müssen. Darüber hinaus ist unklar, welche klimawenderelevanten Parameter sich durch den Krieg in der Ukraine kurzfristig oder bleibend ändern werden.

Abgesehen davon werden seit Längerem die enormen Kapazitätsengpässe im Handwerk - hier vor allem im Bauhandwerk - öffentlich diskutiert. Das globale Thema Fachkräftemangel greift auch der HR-Monitor auf, bespiegelt jedoch eine andere Parzelle im weiten Feld seiner Auswirkungen.

Laut HR-Monitor ist der Klimapfad 2030/ 2045 für die Immobilienwirtschaft ein zentrales Thema. Einer entsprechenden Frage stimmen mehr als 80 Prozent der Unternehmen zu. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zwischen Fern- und Nahsicht.

Ein zentrales Thema - mit Abstufungen

Denn wird der Blick darauf gelenkt, ob die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen eine "große Rolle" fürs eigene Unternehmen spielen wird, glauben dies nur 30 Prozent der Makler-, 41 Prozent der Haus- und Wohnungsverwaltungs- und 48 Prozent der Wohnungsunternehmen bis 20 Mitarbeiter. Insgesamt sehen das 60 Prozent der Befragten so - bei großen bestandshaltenden Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften sind dies 80 Prozent.

Wie eingangs erwähnt, wird von der Mehrheit der Unternehmen der Fachkräftemangel als Investitionshemmnis auf dem Weg zum Klimaschutz gesehen. Dabei dürften mehrere Erkenntnisse eingeflossen sein: nämlich die, wie kurz die Klimapfade tatsächlich sind, wie technikbasiert ihre Umsetzung ist und wie schlecht und sich verschlechternd die Situation am Arbeitsmarkt ist.

So gaben 84 Prozent der befragten Immobilienunternehmen an, bei der Rekrutierung von technischen Fachkräften Schwierigkeiten zu haben - sogar 88 Prozent sind es in Bezug auf die Rekrutierung von technischen Führungskräften! Diese Werte stellen eine deutliche Steigerung gegenüber den Befragungsresultaten von 2019 dar.

Veränderte Kompetenzprofile halten Einzug

Aus diesen Daten lässt sich ablesen, dass die Verfolgung der ambitionierten Klimaziele viele Unternehmen der insgesamt kleinteiligen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft vor große und neue Herausforderungen stellt: Für die Entwicklung von Energiekonzepten und Klimapfaden werden mehr Mitarbeiter benötigt als in der Vergangenheit.

Die neuen Technologien müssen bewertet, neue Geschäftsmodelle entwickelt, neue Partnerschaften eingegangen werden. Selbst die Suche nach geeigneten Fachfirmen wird deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als früher. Neben den technologischen müssen auch die ökonomischen Anforderungen und eine komplexe, sich permanent ändernde Förderkulisse beherrschbar bleiben.

Abbildung 1: "Welche Themen sind für Ihr Unternehmen in den nächsten drei Jahren besonders wichtig?" (in Prozent) * Quelle: EBZ
Abbildung 1: "Welche Themen sind für Ihr Unternehmen in den nächsten drei Jahren besonders wichtig?" (in Prozent) * Quelle: EBZ

Die benötigten gut ausgebildeten und hochqualifizierten Mitarbeiter werden auf dem Arbeitsmarkt jedoch kaum zu finden sein - er ist leergefegt. Entlastung ist nicht in Sicht. Eher das Gegenteil. Die demografische Entwicklung sorgt weiterhin bis ungefähr 2040 dafür, dass zu viele Menschen die Unternehmen in Richtung Ruhestand verlassen. Die Altersstruktur in den Unternehmen führt dazu, dass der Anteil der Fachleute bis 2030 altersbedingt kontinuierlich sinken wird.

Das wiederum erhöht den Rekrutierungsbedarf erneut. Optimismus, der in Zuwanderung kurzfristige Entlastungspotenziale sieht, ist kaum angebracht. Die Anforderungen in rechtlicher, technischer, kaufmännischer und nicht zuletzt kommunikativer Hinsicht sind hoch, vor allem für Menschen, die erst die Sprachbarriere überwinden müssen.

Weiterbildung: steigende Bedarfe und Budgets

Fakt ist: Die Immobilienbranche benötigt immer besser und umfänglicher qualifizierte Fach- und Führungskräfte. Sie findet sie vornehmlich in den eigenen Belegschaften. Die dort vorhandenen Potenziale müssen gehoben werden. Der HR-Monitor liefert Befragungsresultate, die hierfür ein deutlich gestiegenes Problembewusstsein spiegeln. So geben 94 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie spezielle Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für ihre Fach- und Führungskräfte zu den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit benötigen.

Abbildung 2: "Welche Investitionshemmnisse erkennen Sie für Ihr Unternehmen?" (in Prozent) * Quelle: EBZ
Abbildung 2: "Welche Investitionshemmnisse erkennen Sie für Ihr Unternehmen?" (in Prozent) * Quelle: EBZ

Der steigende Weiterbildungsbedarf und die wachsende Bereitschaft, in die Qualifikation der Mitarbeiter zu investieren, spiegeln sich auch im (weiter) gewachsenen Weiterbildungsbudget. Allerdings liegt die Immobilienbranche damit immer noch mehr als 10 Prozent hinter den Pro-Kopf-Budgets im Durchschnitt vergleichbarer Branchen.

Daraus ergibt sich: Für den Problemlösungsansatz der internen Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung sind die Budgets noch zu niedrig. 43 Prozent der Unternehmen haben ein Weiterbildungsbudget von unter 500 Euro pro Jahr und Mitarbeiter. Auch der Durchschnittswert von knapp 850 Euro bei Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften ist sehr knapp bemessen. Makler geben fast das Doppelte aus.

Hier stimmen die Lösungsinstrumente schlicht weg noch nicht. Das ist zu wenig in einer Situation, in der sich Wissen und Kompetenzen dynamisch entwickeln. Denn genau das ist die Ausgangslage: Die Branche steckt in einem tiefgreifenden Transformationsprozess mit hoher Veränderungsgeschwindigkeit und stetiger Zunahme von Komplexität.

Tiefgreifender Transformationsprozess

Es ist daher unumgänglich, nahezu alle Rollen im Unternehmen mit einem Upscaling ihrer Kompetenzprofile in den Feldern regenerative Energien, Digitalisierung, Energiemonitoring, Regulatorik und vieles andere mehr zu versehen. Vor allem die kleinen, aber auch mittelgroßen Unternehmen in der insgesamt kleinteiligen Wohnungswirtschaft sind gefragt, da sie sich den gleichen Herausforderungen stellen müssen wie die großen Unternehmen.

Sicher ist: Die Klimaschutzziele werden in Gefahr geraten, wenn die Mittel für Ausbildung und Personalentwicklung zu knapp bemessen sind. Wir müssen mit im Zweifel weniger Menschen deutlich mehr erreichen.

Abbildung 3: "Wie wird sich die Immobilienbranche Ihrer Einschätzung nach in Zukunft verändern?" (in Prozent)* Quelle: EBZ
Abbildung 3: "Wie wird sich die Immobilienbranche Ihrer Einschätzung nach in Zukunft verändern?" (in Prozent)* Quelle: EBZ

Personalentwicklung - neue Ansätze wählen

Angesichts der klimapolitischen Ziele braucht es nicht nur in der Entwicklung von Technologien und in der Förderkulisse erhebliche Anstrengungen. Auch die Personalentwicklung in der Immobilienwirtschaft muss in den Fokus rücken. Um den Fachkräftebedarf in absehbarer Zeit zu decken, braucht es ein Handlungskonzept auf der Unternehmensebene, vermutlich jedoch auch ein übergeordnetes für das gesamte Segment.

Zudem müssten neue strategische Ansätze der Personalgewinnung entwickelt werden: Andere Branchen vom Handwerk über den Maschinenbau bis zum Handel kümmern sich um die Nachwuchsgewinnung an Schulen. Auch die Immobilienwirtschaft muss diesen Weg beschreiten. Sie ist ein zentraler Akteur der Klimawende und ein hochinteressanter Arbeitgeber. Das sollte auch sichtbar werden.

Das EBZ als Bildungsanbieter ist selbst Teil des Transformationsprozesses, in dem sich die Branche befindet. Das heißt für das EBZ Berufskolleg, die EBZ Akademie und die EBZ Business School, Bildungsangebote mit höherem Tempo als in der Vergangenheit mit neuen Inhalten anzureichern und der Digitalisierung gemäße Lernformen zu entwickeln. Wir haben zudem zwei Testballons steigen lassen, um Erfahrungen zu sammeln, ob und wie das Interesse von jungen Menschen im Schulalter für die Immobilienwirtschaft zu wecken ist.

Die EBZ Business School hat ein Schülerstudium entwickelt, bei dem Schüler der 11. bis 13. Klasse an Lehrveranstaltungen unserer Immobilienhochschule teilnehmen können. So können sie in die Branche, ihre Themen und Berufsfelder hineinschnuppern. Ein weiterer Schritt ist das erste "Klimacamp der Wohnungswirtschaft" Ende Juli 2022 auf dem Gelände des EBZ in Bochum.

Hierzu werden 100 junge Menschen eingeladen, um das Spannungsverhältnis von Klimaschutz und bezahlbarem Wohnen mit uns zu diskutieren. Gleichzeitig möchten wir junge, engagierte Menschen für die großen Aufgaben unserer Branche sensibilisieren und begeistern.

Wir sind gespannt auf die Erfahrungen, die wir machen. Wir hoffen, unsere Lösungsansätze greifen und sind ausbaufähig. Schließlich darf die Klimawende nicht am Fachkräftemangel scheitern.

Der HR-Monitor wird vom Forschungsinstitut InWIS im Auftrag des EBZ - Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft zweijährlich seit 2007 durchgeführt. Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft werden befragt, um die Tendenzen und Einflussfaktoren in Sachen berufliche Bildung und Personalentwicklung herauszuarbeiten. An der aktuellen Studie nahmen 318 Unternehmen teil. Interviewpartner waren Geschäftsführer und Vorstände der Immobilienunternehmen beziehungsweise Verantwortliche in der Personalabteilung.
Klaus Leuchtmann , Vorsitzender des Vorstands , EBZ - Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Bochum

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