ASSET MANAGEMENT

EINZELHANDELSIMMOBILIEN: INVESTMENTSICHERHEIT DURCH PROFILSCHÄRFUNG

Lars Jähnichen Quelle: IPH

Die wachsende Bedeutung des Onlinehandels setzt den stationären Einzelhandel unter Druck und so mancher Investor lässt deshalb aktuell eher die Finger von dieser Assetklasse. Ein genereller Abgesang auf das Segment ist nach Ansicht des Autors jedoch absolut unangemessen. Er empfiehlt Eigentümern grundsätzlich eine Profilschärfung beziehungsweise Neupositionierung ihrer Einzelhandelsobjekte, um sich deutlich von der Konkurrenz abheben zu können. Erheblichen Nachholbedarf identifiziert er insbesondere mit Blick auf die Entwicklung einer zielgruppengerechten Marketingstrategie, hier würde in zahlreichen Objekten Potenzial verschenkt - insbesondere bei jungen, online-affinen Kunden müsse eine Ansprache auf allen relevanten Kanälen erreicht werden. Red.

Beim Thema Einzelhandelsimmobilien ist die Verunsicherung unter Investoren in letzter Zeit spürbar gestiegen. Im Hinblick darauf, dass das Wachstum im deutschen Einzelhandel überwiegend online stattfindet, zögern zahlreiche Marktakteure. Insbesondere größere Objekte werden nicht mehr so häufig gehandelt wie früher. Den aktuellen Marktdaten zufolge sank das Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr 2018 um 28 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das gilt auch für die Zahl neu entwickelter Shoppingcenter: Von 2010 bis 2017 wurden nach Angaben des EHI Retail Instituts lediglich 50 Objekte fertiggestellt.

Status quo oder Einheitslösungen reichen nicht aus

Dennoch ist ein genereller Abgesang auf die Einzelhandelsimmobilie absolut unangemessen. Investitionen können nach wie vor überdurchschnittlich gut performen. Solange sie planvoll erfolgen und das Objekt eindringlich geprüft wird, kann auch ein langfristiger Werterhalt ermöglicht - und sogar zugesichert werden.

Im Jahr 2018 wird der Umsatz im Bereich E-Commerce voraussichtlich erstmals die 50-Milliarden-Euro-Marke knacken - während das Wachstum im stationären Handel in einigen Branchen bereits stagniert. Hinzu kommt, dass der Kampf um die innerstädtischen Besucherfrequenzen verbissener denn je geführt wird und die Mieter eine immer größere Verhandlungsmacht erlangen. Vor diesem Hintergrund zeigt sich schnell, dass bei den meisten Einzelhandelsimmobilien nicht einfach alles so weitergehen kann wie bisher.

Zahlreiche Eigentümer haben bereits erkannt, dass zusätzliche Investitionen nötig sind, damit ihre Immobilie konkurrenzfähiger wird. Manchmal beschränken sich diese jedoch auf einzelne Maßnahmen, wodurch sich Insellösungen herausbilden. Zwar wird dadurch ein einzelner Aspekt verbessert, das Gesamtbild jedoch ändert sich nicht. Daher wird es in Zukunft immer wichtiger, komplette Neuentwicklungen beziehungsweise -positionierungen im Bestand durchzuführen. Diese müssen dazu führen, dass ein klares Profil für das jeweilige Objekt aufgebaut wird - sei es ein Shoppingcenter oder eine Fachmarktagglomeration. Das Schlagwort lautet Differenzierung: Nur wenn sich eine Immobilie klar von ihren Konkurrenzobjekten abhebt, kann sie auch auf lange Sicht erfolgreich sein.

"Adlertaktik" gefragt

Damit es soweit kommen kann, ist zunächst eine eingehende Analyse des Objekts und seiner Umgebung nötig. Es gilt, die wichtigen ungenutzten Potenziale der Immobilie offenzulegen - genauso wie die wunden Punkte, die das Objekt für die Konkurrenz angreifbar machen. Dabei kommt eine doppelte Optik zum Tragen, die sich gewissermaßen als Adlertaktik beschreiben lässt: Der Vermietungsmanager als interdisziplinär agierender Dienstleister muss sowohl die Vogelperspektive auf das Große und Ganze leisten als auch den scharfen Blick für das Detail wahren.

Im Einzelnen heißt das: Daten und Fakten zu dem Objekt, seinen Mietern, seinen Wettbewerbern sowie zu den demografischen Entwicklungstendenzen des Einzugsgebiets zusammentragen. Gleichzeitig müssen unter anderem die baulichen und technischen Gegebenheiten des Objekts, seine Erreichbarkeit sowie Außenwahrnehmung in diese Analyse einfließen.

Zusatznutzen steht im Mittelpunkt

Erst auf Basis dieser Analyse kann sich zeigen, welcher Weg bei der Neupositionierung des Objekts eingeschlagen werden sollte. Dabei geht es darum, einen klaren Zusatznutzen für die Zielkundschaft zu generieren. Wer kommt in meine Immobilie, was darf er sich von ihr erwarten und welche Mechanismen sorgen dafür, dass diese Erwartungen erfüllt werden?

Wenn die Antworten auf diese Fragen gefunden sind, müssen diese in Form verschiedener Konzepte umgesetzt werden. Sprich - sobald die Stoßrichtung bekannt ist, muss erstens ein Vermietungskonzept erstellt werden. Schließlich nützt keine noch so gute Idee der Profilschärfung, wenn sie sich nicht in einem konkreten Angebot niederschlägt. Zweitens muss auch das Design der neuen Objektstrategie entsprechen. Am wichtigsten ist das natürlich für Shoppingcenter, bei denen Erlebnis- und Aufenthaltsqualität klar im Vordergrund stehen. Doch auch ein Fachmarktzentrum darf heutzutage nichts mehr mit den schlecht beleuchteten und eintönigen Schuhkartons früherer Zeiten gemeinsam haben.

Marketingstrategie als fester Bestandteil der DNA

Besonders deutlich ist der Nachholbedarf allerdings bei Punkt drei: der Entwicklung einer zielgruppengerechten Marketingstrategie. Hier wird in zahlreichen Objekten Potenzial verschenkt. Selbst wenn die Objektstrategie, der Mieterbesatz und die Optik stimmen und eindeutig ein Zusatznutzen generiert wird, ist noch nicht alles getan. Schließlich muss dieser Nutzen adäquat an die Zielgruppe kommuniziert werden. Besonders die jungen, online-affinen Kunden müssen auf sämtlichen relevanten Kanälen erreicht werden. Ein entsprechendes Bespielen der geeigneten Social-Media-Plattformen muss beispielsweise die Lust auf eine Einkaufstour in stationären Geschäften wecken und sich direkt auf dem Smartphone gegen die Angebote der reinen Online-Händler durchsetzen.

Das Thema Marketing ist daher inzwischen ein fester Bestandteil der DNA von Shoppingcentern - und auch für jeden anderen Immobilientyp im Bereich Einzelhandel äußerst relevant. Einen weiteren wichtigen Aspekt, der eng damit verknüpft ist, bildet das Serviceangebot, das ebenfalls gezielt auf die bevorzugten Kundenprofile abgestimmt sein muss und daher Hand in Hand mit der Marketingstrategie geht.

Für positive Überraschungen sorgen

Für die Erlebnisqualität ist neben dem Serviceangebot natürlich auch das Thema Gastronomie wichtig. Besonders bei Shoppingcentern gehören moderne Foododer Restaurant-Courts fest in die Konzepterstellung. Aber auch Fachmarktzentren können mit einem ungewöhnlichen Imbissangebot positive Überraschungseffekte erzielen, die die Kundentreue stärken können: Die Entscheidung für oder gegen einen Einkauf im jeweiligen Objekt kann durchaus davon abhängen, was es nach dem Gang durch die Regale zu Beißen gibt.

In Shoppingcentern ist das Thema noch weitaus differenzierter: Hier kann - und sollte - das Kundenerlebnis in vielfältiger Weise aufgewertet werden. Dazu gehören unter anderem der gezielte Einsatz von Pop-up-Stores, Concept Stores oder Läden mit Omni-Channel-Konzepten. Selbst für jemanden, der nichts einkauft, kann der Rundgang durch ein virtuelles Wohnzimmer oder die Zusammenstellung des eigenen Traumautos per Virtual-Reality-Brille das prägende Erlebnis des Center-Besuchs sein.

Ein weiteres wichtiges Zukunftsthema bilden Freizeitkonzepte, die natürlich ebenfalls zum Schwerpunkt des Objektes passen sollten. Das übergeordnete Ziel dieser Maßnahmen ist es, das Shoppingcenter stärker zur Bühne gesellschaftlichen Zusammenlebens und zum gemeinsamen Treffpunkt - also zum sogenannten dritten Ort - zu machen.

Transparenz für die Mieter

An dieser Stelle könnte sich für Investoren folgende berechtigte Frage ergeben: Wenn alle diese Konzepte erarbeitet und umgesetzt werden, erhöht sich zwar die aktuelle Attraktivität des Centers. Welche Aspekte sind dabei allerdings für die Zukunftssicherheit relevant? Wichtig ist vor allem, dass eine solche Profilschärfung des Centers auch den Mietern zugutekommt. Heutzutage existieren deutlich längere Entscheidungswege, bevor es zu einem Vertragsschluss kommt - und viele Händler bevorzugen inzwischen kürzere Laufzeiten. Schließlich machen auch sie sich Gedanken um die eigene Zukunftsfähigkeit am jeweiligen Standort.

Eine klare Profilschärfung ist hierbei ein wichtiges Vermietungsargument - schließlich wird der Mieterbesatz so ausgewählt, dass er ein bestimmtes Kundenprofil ins Objekt zieht. Für den Mieter wiederum gewährleistet eine solche Schwerpunktsetzung, dass besonders viele potenzielle Käufer in seinen Laden gelangen, die exakt seiner Zielgruppe entsprechen. Auf dieser Basis werden langfristige Kooperationen und eine höhere Mietertreue ermöglicht - oder für Investoren: Der WAULT (Weighted Average Unexpired Lease Term) kann deutlich länger ausfallen als bei Einzelhandelsimmobilien ohne die entsprechende Positionierung.

DER AUTOR LARS JÄHNICHEN Mitglied der Geschäftsführung, IPH Handelsimmobilien GmbH, München
Lars Jähnichen , Geschäftsführer , IPH Handelsimmobilien GmbH, München
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