Immobilienmarkt

Berlin - Magnet für Studenten und Start-ups

Matti Schenk

Berlin als ein Zentrum der europäischen Gründerszene zieht junge, kreative und gut ausgebildete Menschen an. Zum Zuzug tragen das umfangreiche Hochschulangebot und die geringen Studienkosten bei. Attraktiv ist Berlin auch als Hightech-Metropole und liegt bei der Bewertung wichtiger Faktoren wie verfügbarem Humankapital, Mietkosten und Lebensqualität vor Städten wie Hong Kong, Seoul und Mumbai. Die hohe Anziehungskraft Berlins hat jedoch ihren Preis. Sowohl für den Büro- als auch für den Wohnungsmarkt lassen sich mittlerweile deutliche Angebotsengpässe feststellen, was erhebliche Mietpreissteigerungen zur Folge hat. Aufgrund finanzieller Restriktionen bei den Studentenwerken und der gestiegenen Zahl der Studierenden ging die Versorgungsquote mit öffentlich geförderten Wohnheimplätzen auf unter sechs Prozent zurück. Dafür belebt sich zunehmend das private Angebot entsprechender Objekte und auch die kommunale Immobiliengesellschaft will mittelfristig 5 000 Studentenwohnungen anbieten. Aus Sicht des Autoren ist es auch dringend notwendig, um einer weiteren Anspannung des Wohnungsmarktes entgegenzuwirken. Red.

"Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin" - dieser Slogan steht längst nicht mehr nur für die Pokalträume der Fußballfans, sondern beschreibt mittlerweile auch die Wünsche von vielen Unternehmensgründern und Studierenden. So ist die Bundeshauptstadt seit Jahren ein Zentrum der europäischen Start-up-Szene und international bekannt für ihr umfangreiches Angebot an Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Dementsprechend zieht Berlin vor allem junge, kreative und gut ausgebildete Menschen an. In den vergangenen vier Jahren wuchs die Bevölkerung jährlich um durchschnittlich 43 600 Einwohner und die Prognosen des Bundesinstituts für Bau-, Stadtund Raumforschung gehen von einem weiteren Bevölkerungsanstieg bis zum Jahr 2026 aus.

Ein Grund für den anhaltenden Zuzug nach Berlin ist sicherlich die breitgefächerte Hochschullandschaft. So waren im Wintersemester 2014/15 über 171 000 Studierende an einer der 47 Berliner Hochschulen, darunter zwei Eliteuniversitäten, eingeschrieben. Damit ist Berlin die Stadt mit den mit Abstand meisten Studierenden in Deutschland.

Auch der mit mehr als 17 Prozent überdurchschnittlich hohe Anteil ausländischer Studierender spricht für die Attraktivität Berlins und ihrer Bildungs- und Wissenschaftslandschaft. Im internationalen Vergleich sprechen vor allem die relativ geringen Studienkosten für Berlin als Studienort, wie in der jüngst von Savills veröffentlichten Research-Studie "World Student Housing" festgestellt wurde.

Berlin für Studenten relativ günstig

Demnach kann ein internationaler Student in Berlin durchschnittlich etwas mehr als 1 000 US-Dollar (935 Euro) pro Monat für Lebenshaltung, Unterkunft und Studiengebühren einkalkulieren. Zum Vergleich: Ein Student in Boston muss mit etwa dem Fünffachen rechnen.

Damit ist Berlin die weltweit günstigste der 22 in der Research-Analyse untersuchten Metropolen im Ranking der Lebenshaltungskosten für internationale Studenten. Dies, gepaart mit dem außerordentlich hohen Freizeitwert sowie dem liberalen Charakter der Stadt führt zu einer hohen Anziehungskraft Berlins auch über die Landesgrenzen hinaus.

Die attraktive Hochschullandschaft ist zudem eine Triebfeder für eine wirtschaftliche Erfolgsstory Berlins: Der Entwicklung zu einem wichtigen Nukleus für Start-ups. Durch die große Zahl junger, kreativer und vor allem gut ausgebildeter Menschen, die hohe Lebensqualität sowie die im internationalen Vergleich immer noch geringen Wohn- und Arbeitskosten kann Berlin mittlerweile im Konzert der ganz großen Hightech-Metropolen wie San Francisco, Dublin oder Singapur mitspielen.

Im Savills Tech Cities Index, der das wirtschaftliche und technologische Umfeld, das verfügbare Humankapital, die Mietkosten sowie die Lebensqualität in zwölf Metropolen vergleicht, erlangt Berlin den neunten Rang und kann damit die Städte Hong Kong, Seoul und Mumbai hinter sich lassen.

Besonders gut schneidet Berlin dabei in puncto Lebensqualität und Immobilienkosten ab. Erstere wird durch den sogenannten "Flat White Index" gemessen, der die Verfügbarkeit, Qualität und Popularität von Cafés sowie die durchschnittlichen Kosten eines Flat White angibt. Dieser Cappuccino mit dem extra weichen Milchschaum gilt als "das" Getränk der jungen Hightech-Szene.

Die Logik dahinter: In keiner anderen Branche ist ein dynamisches und kreatives Umfeld sowie Raum für Kommunikation und Networking so entscheidend wie in der Higtech-Industrie. Darauf basiert die These, dass Cafés mit kostenlosem Wlan, einem Platz zum Arbeiten, für Meetings, für Networking und um Gleichgesinnte zu treffen, der Dreh- und Angelpunkt für die Hightech-Branche sind. Kreuzberg, eines der Zentren für Kaffeekultur in Berlin, hat sich zuletzt zum bedeutendsten Standort für Neugründungen der Hightech-Branche entwickelt.

Hohe Anziehungskraft hat ihren Preis

Die Branche wird dabei vor allem von Unternehmen aus den Bereichen E-Commerce und Softwareentwicklung dominiert. Zu den populären Erfolgsgeschichten der Berliner Start-up-Szene gehören der Online-Musikdienst Soundcloud sowie der Inkubator Rocket Internet, der bei seinem Börsengang mit 6,5 Milliarden Euro bewertet wurde.

Die hohe Anziehungskraft Berlins hat jedoch ihren Preis. Denn sowohl für den Büro- als auch für den Wohnungsmarkt lassen sich mittlerweile deutliche Angebotsengpässe feststellen, was erhebliche Mietpreissteigerungen zur Folge hat. So beträgt der Büroflächenleerstand derzeit berlinweit lediglich 3,6 Prozent und in besonders gefragten Teilmärkten sind kaum noch größere Flächen verfügbar.

In keinem anderen der Top-6-Büromärkte (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München) ist der Leerstand derart gering. Dementsprechend erhöhte sich die Spitzenmiete innerhalb eines Jahres um 9,6 Prozent auf 24 Euro pro Quadratmeter zum Ende des dritten Quartals des laufenden Jahres. Auch die Vermietungsleistung konnte ein Plus von knapp 20 Prozent verzeichnen.

Dieser Aufschwung am Berliner Bürovermietungsmarkt wird auch zu großen Teilen von der Hightech-Branche getragen. So entfielen in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres 17 Prozent des Flächenumsatzes auf die Informations- und Kommunikationsbranche, die damit nach Unternehmensberatungen für den zweitgrößten Umsatzanteil verantwortlich zeichnete. In einzelnen Bürolagen, wie etwa in Kreuzberg, ist die Bedeutung dieser Branche noch deutlich stärker ausgeprägt.

Niedriger Wohnungsleerstand und geringer Büroleerstand

Ähnlich dynamisch stellt sich die Situation am Wohnungsmarkt dar. Hier betrug der Wohnungsleerstand zuletzt nur 1,8 Prozent, was deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 3,1 Prozent liegt. In Verbindung mit der steigenden Bevölkerungszahl führte dies zu einem Mietpreisanstieg von etwas mehr als 28 Prozent zwischen 2010 und 2014 - der mit Abstand höchste Anstieg in den sogenannten A-Städten (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg. Köln, München, Stuttgart). Auch nach Verabschiedung der flächendeckenden Mietpreisbremse wird das Problem der zu geringen Zahl freier Wohnungen weiter bestehen bleiben.

Dies stellt vor allem eine Herausforderung für einkommensschwächere Nachfragegruppen dar, wozu im Allgemeinen auch die Studierenden zählen. Ihre monatlichen Einnahmen stiegen zwischen 2010 und 2014 im bundesdeutschen Mittel um nur 7 Prozent auf zirka 900 Euro an. In der Konsequenz können sich Studierende, die in einer eigenen Wohnung leben möchten, immer weniger Wohnfläche leisten. So ging zwischen 2006 und 2014 die mit einem durchschnittlichen studentischen Budget erschwingliche Wohnungsgröße in Berlin von 50 Quadratmeter auf nun nur noch 43 Quadratmeter zurück.

Geringes Angebot an kleinen Wohnungen

Zwar mag diese Wohnfläche auf den ersten Blick noch relativ groß erscheinen, jedoch gibt es nur wenige solcher kleinen Wohnungen. Denn laut Zensus sind es in Berlin lediglich knapp 270 000 Wohnungen mit einer für Studierende erschwinglichen Wohnfläche. Hinzu kommt der Umstand, dass Studierende mit anderen sozialen Gruppen wie etwa Berufseinsteigern und Pendlern um solche kleine Wohnungen konkurrieren. Insgesamt wird klar: Das Finden einer geeigneten Wohnung wird für Studierende, die nicht in einer Wohngemeinschaft leben möchten, zunehmend schwieriger. Sie werden regelrecht vom freien Wohnungsmarkt verdrängt.

Bis vor wenigen Jahren stellten hauptsächlich die Wohnheime des Studentenwerks eine Alternative zum freien Wohnungsmarkt dar. Vor allem aufgrund finanzieller Restriktionen konnte dieses seine Bestände allerdings nicht ausbauen. Infolge der steigenden Studierendenzahlen ging die Versorgungsquote mit öffentlich geförderten Wohnheimplätzen in Berlin in den vergangenen Jahren daher sukzessive auf unter 6 Prozent zurück.

Während Studierende also zunehmend vom freien Wohnungsmarkt verdrängt werden und ein immer größerer Anteil von ihnen keinen Platz in den Wohnheimen des Studentenwerks findet, gab es bis vor kurzem kaum privatwirtschaftliche Alternativen. So waren in Berlin im Jahr 2010 lediglich rund 500 Plätze in Studentenwohnanlagen privater Träger auf dem Markt. Seitdem hat sich der Bestand auf etwa 1 400 Plätze fast verdreifacht. Unter Berücksichtigung aller aktuell in Bau und Planung befindlichen Objekte dürfte sich der Privatbestand bis 2020 auf fast 5 000 Plätze erneut mehr als verdreifachen. Zudem plant die kommunale Immobiliengesellschaft Berlinovo mittelfristig den Bau von 5 000 Studentenwohnungen zu erschwinglichen Warmmieten von bis zu 400 Euro. In der Spreemetropole entwickelt sich somit in rasanter Geschwindigkeit ein neues Teilsegment des Wohnungsmarktes für Studierende. Aber nicht nur für Studierende gestaltet sich die Wohnungssuche in Berlin schwierig. Auch für Berufseinsteiger oder für Expatriates dürfte sich das Finden einer Wohnung, insbesondere in den begehrten Stadtteilen, schwierig gestalten. Dementsprechend drängen auch für diese Zielgruppen neue Unterbringungskonzepte auf den Markt, beispielsweise in Form von Serviced-Apartments-Anlagen.

Darüber hinaus hat aber auch am freien Wohnungsmarkt die Neubauaktivität deutlich zugenommen. So wurden in den Jahren 2013 und 2014 zusammen mehr als 11 500 Wohnungen errichtet - ein Anstieg um 50 Prozent gegenüber der Fertigstellung in den Jahren 2011 und 2012. Im gleichen Zeitraum ist auch die Zahl der genehmigten Wohnungen stark angestiegen: In den Jahren 2013 und 2014 waren es zusammen rund 26 000 Wohnungen und damit fast das Doppelte der vorherigen zwei Jahre.

Das steigende Neubauvolumen am Wohnungsmarkt, sei es in Form klassischer Mehrfamilienhäuser oder als Studentenwohn- beziehungsweise Serviced-Apartment-Anlage, ist eine Basis für das weitere Wachstum Berlins. Angesichts des geringen Wohnungsleerstandes und der stark steigenden Mieten ist dieses Angebotswachstum jedoch auch dringend notwendig, um einer weiteren Anspannung des Wohnungsmarktes entgegenzuwirken.

Klar ist: Berlin ist längst nicht mehr die günstige Stadt, die sie noch vor einigen Jahren war. Sie bietet aber das Lebensgefühl, nach dem junge Menschen und Unternehmensgründer suchen und dürfte daher auch zukünftig ein Magnet für ebendiese bleiben.

Der Autor

Matti Schenk Consultant Research, Savills Immobilien Beratungs-GmbH, Berlin

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