RISIKOMANAGEMENT

BAUMONITORING: IMMOBILIENWIRTSCHAFT UNTERSCHÄTZT DYNAMISCHE KOSTENRISIKEN DURCH ESG-KRITERIEN

Moritz Koppe, Foto: PROBIS

Vonseiten der Politik werden immer mehr Anreize geschaffen, die der Immobilienwirtschaft dabei helfen sollen, die ambitionierten ESG-Klimaziele zu erreichen. Der angekündigte Ausbau der regenerativen Energien im Osterpaket und die Neuregelung der EEG-Umlage sind dabei nur die jüngsten Beispiele. Mit Zunahme der ESG-Anforderungen steigen aber auch die Kosten. Grundsätzlich gilt die Kausalkette: ESG beeinflusst die Bauqualität zum Positiven - höhere Bauqualität führt zu höheren Kosten - die Kostenentwicklung muss dementsprechend genau von Baumonitoren überwacht werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die ESG-Kriterien dynamisch angelegt sind, die Qualitätsanforderungen also erst nach und nach steigen und es somit Kostenrisiken gibt, die erst in der Zukunft konkret werden. Im Sinne eines vorausschauenden Risikomanagements müssen diese jedoch bereits in der Planungsphase eines Immobilienprojekts berücksichtigt werden.

Die EU-Kommission hat ein ambitioniertes und umfassendes Maßnahmenpaket für ein nachhaltigeres Finanzwesen verabschiedet. Diese Maßnahmen dienen dazu, Investitionen zunehmend in nachhaltigere Technologien und Unternehmen zu lenken und betreffen auch Immobilien. Entsprechen diese den sektorspezifischen ESG-Anforderungen, werden sie als "grün" klassifiziert und steigen damit im Wert.

Da die Kriterien dynamisch angelegt sind, mit dem Ziel, ihre volle Wirkung bis zum Jahr 2050 zu entfalten, steigen die Anforderungen an die sogenannten "Green Buildings" jährlich. Kurz gesagt: Immobilien, die heute noch als grün definiert sind und den geforderten Standards entsprechen, laufen Gefahr, den ESG-Anforderungen schon in naher Zukunft nicht mehr gerecht zu werden.

Kontinuierliche Steigerung der CO2-Einsparungsraten

So ist beispielsweise für die CO2-Emissionen pro Quadratmeter eine kontinuierliche Steigerung der Einsparungsraten bis zum Jahr 2050 vorgesehen. Für die Bewertung von Immobilien heißt das konkret: Eine Immobilie, die im Jahr 2022 dem Emissionsrichtwert für CO2 gerecht wird und daher als "grün" gilt, erfüllt diese Kriterien mitunter bereits im Jahr 2028 nicht mehr.

Solche dynamischen Bewertungsrichtlinien müssen im Auge behalten werden. Nicht grüne Immobilien tragen das Risiko, zu "Stranded Assets" zu werden und weisen daher ein höheres Exitrisiko auf. Immobilieninvestoren, darunter vor allem institutionelle Investoren, berücksichtigen zunehmend ESG-Kriterien bei ihren Anlageentscheidungen und richten ihre langfristigen Investmentstrategien dementsprechend aus.

Immobilien, die in der nahen Zukunft zum Beispiel die geforderten CO2-Emissionen pro Quadratmeter nicht mehr erfüllen, werden schwerer am Markt vermittelbar sein. Zu groß ist bereits jetzt der Faktor ESG bei der Bewertung von Immobilien.

Die EU-Taxonomie wurde mit der Absicht aufgesetzt, die Finanzwirtschaft nachhaltiger zu gestalten, Investments in klimafreundlichere Assets zu lenken und so die EU-Klimaziele zu erreichen. Ein Vorhaben, welches schon im vergangenen Jahr erste Wirkung auf den Finanzmärkten gezeigt hat. Im Jahr 2021 wurden 12,4 Mil liarden Euro in als "Green Buildings" zertifizierte Gebäude investiert. Dabei allokierten Versicherungen sowie offene und geschlossene Fonds im vergangenen Jahr bereits über die Hälfte ihres Kapitalvolumens in diese Anlageklasse. Dieses Marktverhalten sendet ein deutliches Signal und lässt sich für Projektentwickler in eine Handlungsdirektive übersetzen: Wer die künftigen ESG-Richtwerte nicht bereits heute in seine Projektplanung einbezieht, riskiert eine Fehlkalkulation. Dem Risikomanagement wird also noch eine zusätzliche Dimension hinzugefügt.

Investoren senden eindeutiges Signal an Projektentwickler

Bauherren und Planer müssen die ESG-Kriterien sowie deren weitere Entwicklung genau beobachten. Dem Baumonitoring kommt dabei die Aufgabe zu, diese Entwicklungen zu verstehen und abbilden zu können. Die Auswirkungen der jeweiligen Kriterien auf den Objektwert in der Gegenwart im Blick zu behalten, ist dabei schwierig genug und stellt Monitore regelmäßig vor neue Herausforderungen.

Wie oben skizziert, führen ESG-Kriterien über eine höhere Bauqualität zu höheren Kosten, die entsprechend überwacht werden müssen. Zusätzlich werden mit der Zeit die ESG-Kriterien strenger. Um hier kein böses Erwachen zu erleben, braucht es eine Projektplanung mit Weitsicht. Durch diese gestiegene Kostenkomplexität steht Baumonitoring vor einer neuen Herausforderung und gewinnt als Monitoring-Tool zusätzlich an Bedeutung. Modernes Baumonitoring, das mithilfe geeigneter Benchmarks und Alert-Systeme die Kostenentwicklung während der Bauphase überwacht, ist die Voraussetzung für erfolgreiche Projektentwicklungen und wichtiger Baustein eines ganzheitlichen Risikomanagements.

Damit die Branche vor lauter Nachhaltigkeitseuphorie nicht den Überblick verliert, ist es unabdingbar, dass Plattformen wie zum Beispiel das Netzwerk baumonitoring.com für den interdisziplinären Austausch geschaffen werden und Baumonitore und Finanzierer sich über die neusten Entwicklungen und die aktuellen aber auch bereits die zukünftigen Anforderungen austauschen können.

 
Moritz Koppe , Geschäftsführer, PROBIS Software GmbH, und Gründungsmitglied, Netzwerk baumonitoring. com, München , PROBIS Software GmbH
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