Yellen beugt sich

Realkredite: Konditionen Ende September 2015 Quelle: Dr. Klein & Co. AG

Groß war im Vorfeld der verbale Widerstand gegen eine mögliche Zinsanhebung durch die US-Notenbank. Warnungen vor negativen Auswirkungen eines, wenn auch nur 25 Basispunkte betragenden Zinsschrittes gab es von prominenten Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ebenso wie von vielen Volkswirten. Alle warnten unisono vor Gefahren für die Entwicklung in den Schwellenländern und den negativen Folgen daraus für die Weltwirtschaft. Sie verwiesen in ihren Stellungnahmen vor allem auf die potenziellen Risiken der jüngsten Turbulenzen an den chinesischen Märkten für die immer enger verbundenen Volkswirtschaften.

Ob die Fed vor den Warnern eingeknickt ist oder die Zinserhöhung aus eigener Überzeugung verschoben ist, ist nicht beweisbar. Fakt ist aber, Janet Yellen hat in der Begründungsrede genau die Argumente angeführt, die auch die Gegner der Zinserhöhung verwendeten.

Bei den deutschen Marktteilnehmern kam die Entscheidung der Fed dagegen überhaupt nicht gut an. Laut einer DVFA-Umfrage sind 70,2 Prozent der Befragten der Meinung, die Fed hätte die Zinsen erhöhen müssen, nur 29,7 Prozent halten die Entscheidung der US-Notenbank für richtig. Asoka Wöhrmann, CIO, Deutsche Asset & Wealth Management, bedauert, dass sich die Fed den Erwartungen gebeugt und erneut nur mit Worten agiert habe, während die Märkte weiter auf Taten warten müssten. Der ausgebliebene Zinsschritt beschneide den Spielraum der Fed, die Zinspolitik pro-aktiv zu gestalten, da sich das Zeitfenster weiter verenge, so Wöhrmann.

Gründe für eine Zinserhöhung hätte es gegeben. Vor allem die von Janet Yellen immer wieder in den Fokus gestellte Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in den USA hätte eine pro-aktive Zinserhöhung ermöglicht. Denn der amerikanische Arbeitsmarkt ist praktisch von Vollbeschäftigung geprägt. Und seit ihrem Amtsantritt hat die Notenbankchefin immer wieder den Arbeitsmarkt als den wichtigsten Indikator für eine Zinsmaßnahme genannt. Offensichtlich trauen Yellen & Co. der Nachhaltigkeit des Aufschwungs in den USA aber doch nicht so richtig. Hinzu kommt, dass die Fed traditionell nicht nur auf den amerikanischen Heimatmarkt fokussiert ist, sondern auch - im Kontrast zu vielen US-Politikern -auf die Entwicklungen im Rest der Welt blickt. Und gerade hier sind Risiken zu entdecken, die es möglicherweise ratsam machen, die Zinsschraube noch nicht anzuziehen. Dazu zählen vor allem die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Entwicklungsländer wie beispielsweise Brasilien. Die Entwicklung in den sogenannten Emerging Markets ist für die gesamte Welt von immer größerer Bedeutung. Standen sie 1990 noch für 35,9 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, so dürften es nach Schätzungen von Société Générale dieses Jahr 57,3 Prozent werden. Die Situation in China dürfte zwar mehr Auswirkungen auf den Rest der Welt als auf die USA direkt haben, ist aber ebenfalls zu beachten. Die teilweise drastisch gesunkenen Preise im Energiesektor betreffen viele Industriezweige in den USA, positiv wie negativ. Und nicht zu vergessen ist die Politik der japanischen und der Europäische Zentralbank, die weiterhin auf Expansionskurs sind.

Wie auch immer, die Märkte müssen mit der Entscheidung der amerikanischen Notenbank leben. Die Aktienmärkte gingen, nach einer kurzen Aufwärtsbewegung, anschließend deutlich Richtung Süden. Hier dürften aber vor allem die vielen Verweise auf zahlreiche latente Risiken, die Janet Yellen als Gründe für die Nichtanhebung genannt hat, schlecht angekommen sein. Für die Aktien-Optimisten wäre eine Zinserhöhung ein positives Signal gewesen, dass die US-Wirtschaft weiter solide wächst. An den Rentenmärkten in den USA und Europa kam es zu weiteren Zinssenkungen. Die Phase der niedrigen Zinsen in den USA kann sogar noch eine Weile anhalten, da dieses Jahr kaum noch mit einer Erhöhung zu rechnen ist. Kritiker der ausgebliebenen Zinswende, wie die Deutsche Bank, verweisen darauf, dass die extrem niedrigen Zinsen zu weiteren ungesunden Preissteigerungen bei diversen Assetklassen führen und damit auch die Risiken für die Finanzstabilität erhöhen könnten. Hoffentlich behalten sie nicht Recht. ber

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