Wohnimmobilienmarkt: Trennung der Spreu vom Weizen

Adalbert Pokorski
Quelle: Greenwater Capital

Ein Schreckgespenst geht in der Wirtschaft um: Die Inflation, die im vergangenen Jahr an Fahrt aufgenommen hat, erklimmt immer neue Höchstmarken. So haben sich die Verbraucherpreise im Jahr 2021 durchschnittlich um 3,1 Prozent verteuert - so stark wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Und auch 2022 kennen die Preise anscheinend keinen Halt: Im Februar 2022 betrug die hiesige Inflation 5,1 Prozent. Längst befürchten einige Ökonomen, dass die Inflation nicht nur ein kurzfristiges Phänomen sein wird. Der massive Anstieg von Energiekosten infolge des Ukraine-Kriegs wird den Inflationsdruck zusätzlich verstärken.

Dieser Trend hat die Fed in den USA bereits zu einer ersten Leitzinsanhebung veranlasst. Die EZB hat wiederum bei ihrer ersten Sitzung im Jahr 2022 eine mögliche Zinserhöhung im Laufe des Jahres angedeutet und dies bei ihrer März-Sitzung bekräftigt. Nur diese bloße Andeutung hat die Baufinanzierungszinssätze kräftig steigen lassen: von Mitte Dezember 2021 bis zum 14. März 2022 sind die Zinsen für zehnjährige Baudarlehen um über 0,66 Prozentpunkte in die Höhe geschossen.

Wohnimmobilien setzten sich derweil 2021 als umsatzstärkste Immobilienart noch vor Büros durch. Laut Savills Research wurden sie hierzulande im vergangenen Jahr mit einem Rekord-Transaktionsvolumen von 51,8 Milliarden Euro gehandelt. Angesichts der gestiegenen Inflation und steigenden Zinsen stellt sich jedoch die Frage, welche Art der Wohnimmobilie auch künftig rentabel bleibt. Wird es der Bestand sein, der gegebenenfalls im Preis nachgibt vor dem Hintergrund satter Buchgewinne in den vergangenen zehn Jahren?

Oder doch eher der Neubau, da Projektentwickler die gestiegenen Baukosten an Käufer und Nutzer weitergeben können? Investoren müssen jedenfalls in allen Segmenten höhere Kosten einkalkulieren. Neben einer höheren Zinsbelastung bei Fremdfinanzierungen steigen durch die Material- und Personalknappheit auch die Bau- beziehungsweise Sanierungs- und Instandhaltungskosten. So haben die Baukosten im vergangenen Jahr um 6 Prozent zugelegt, wobei auch für dieses Jahr ein weiterer Anstieg erwartet wird.

Diese höheren Finanzierungs- und Baukosten dürften sich dämpfend auf Rendite und Nachfrage auswirken. Zudem kann auf der Angebotsseite mit einer substanziellen Ausweitung gerechnet werden. Die neue Bundesregierung hat angekündigt, dass pro Jahr 400 000 neue Wohnungen fertiggestellt werden sollen. Zusammengenommen dürfte dies dazu führen, dass am Wohnimmobilienmarkt eine Trennung der Spreu vom Weizen stattfindet. Wohnobjekte, die technisch und energetisch in einem guten Zustand sind, werden eine hohe Nachfrage erfahren. Die Grundlage für eine attraktive Wertentwicklung bildet dabei ein aktives und kontinuierliches Asset Management. Problemimmobilien, die einen hohen Sanierungsstau aufweisen, werden es wiederum immer schwerer haben, am Markt Käufer zu finden.

Auch unter ESG- und Inflationsgesichtspunkten zahlt sich Qualität bei Wohnimmobilien aus. Denn je höher die Energieeffizienz eines Bestandsgebäudes ist, desto weniger müssen Investitionen in energetische Sanierungen eingeplant werden. Zudem sind hier auch die Nebenkosten für die Mieter günstiger, was Spielraum für die Nettokaltmieten schafft. Bei Wohnimmobilien mit hoher Qualität fallen außerdem die Betriebs- und Instandhaltungskosten geringer aus, sodass hier die Inflation einen weniger großen Effekt ausübt.

Adalbert Pokorski , Gründer und Geschäftsführer , Greenwater Capital GmbH, Aachen
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