Kommunen: Investitionsstau wächst und wächst

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

"Die Krise als Dauerzustand?" So überschreibt die KfW ihr aktuelles Kommunalpanel. Kaum schienen die Cornona-Pandemie und Naturkatastrophen wie die Flut im Ahrtal einigermaßen bewältigt, bringt der Ukraine-Krieg neue Herausforderungen vor allem in Form großer Unsicherheit, konjunktureller Risiken, steigender Energiepreise und zusätzliche finanzielle Belastungen bei bereits angespannter Haushaltslage. Jede zweite Kämmerei bewertet ihre Finanzlage als "ausreichend" oder "mangelhaft", lediglich 21 Prozent empfinden ihre Finanzlage als "gut" oder "sehr gut".

Und das trotz sprudelnder Steuereinnahmen. Die 162. Steuerschätzung geht für das laufende Jahr von Mehreinnahmen in Höhe von 44 Milliarden Euro aus. Bis 2026 könnten die Mehreinnahmen laut Bundesfinanzminister Christian Lindner sogar auf rund 220 Milliarden Euro steigen. Dann könnte die öffentliche Hand erstmals in einem Jahr mehr als eine Billion Euro Steuereinnahmen verbuchen. Während Bund und Länder von diesem Plus kräftig profitieren, fällt der "Zugewinn" der Gemeinden mit insgesamt rund 25 Milliarden Euro bis 2026 beschaulich aus. Während das Einnahmewachstum der öffentlichen Hand zu großen Teilen auf höhere Gewerbesteuern in strukturstarken Regionen zurückzuführen ist, fallen Mehrausgaben, beispielsweise durch höhere Sachkosten für die Pandemiebewältigung, in nahezu allen Kommunen an. Von einer Normalisierung der Haushalte auf Vorkrisenniveau geht eine Mehrheit der Kommunen laut dem KfW-Kommunalpanel sowohl bei den Einnahmen (55 Prozent) wie bei den Ausgaben (46 Prozent) deshalb erst binnen der nächsten zwei bis fünf Jahre aus. Entsprechend erwarten sieben von zehn Kämmereien eine weitere mittelfristige Verschlechterung ihrer Finanzsituation, nur eine von zehn eine Verbesserung.

Das hat gefährliche Folgen: Trotz eines leichten Anstiegs der Investitionen zeigen die Befragungsergebnisse für das zurückliegende Jahr, dass rund ein Drittel aller geplanten Investitionen nicht realisiert wurde. Der Investitionsstau in den Gemeinden beläuft sich mittlerweile auf 159,4 Milliarden Euro, noch einmal 10 Milliarden Euro mehr als vor Jahresfrist. Von der Gesamtsumme entfallen 29 Prozent auf Schulen, 25 Prozent auf Straßen und 12 Prozent auf Verwaltungsgebäude. Eine funktionierende kommunale Infrastruktur ist für Bürger und Wirtschaft jedoch unerlässlich. Entsprechend warnt der Deutsche Städte- und Gemeindebund: "Gerade in der Krise darf auch das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht aus den Augen verloren werden. Die Zukunftsaussichten unserer Kinder und Chancengerechtigkeit dürfen nicht davon abhängen, in welcher Region Deutschlands sie leben."

Für die Ampelregierung ist das eine weitere enorme Herausforderung. Denn für die von Olaf Scholz angekündigte Entlastung in Form der Übernahme der kommunalen Altschulden durch den Bund müsste das Grundgesetz geändert werden. Ob sich dafür in der aktuellen Gemengelage wirklich Mehrheiten finden lassen? P.O.

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