Gewerbliche Immobilienfinanzierung 4.0

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

In der privaten Baufinanzierung spielen digitale Plattformen bekanntlich bereits seit geraumer Zeit eine wichtige Rolle. Dagegen fällt das Thema im Bereich der großvolumigen, gewerblichen Immobilienfinanzierung noch weitgehend unter die Kategorie "Zukunftsmusik". Als zu komplex und individuell strukturiert gilt dieses Geschäft, um es standardisierbar über Online-Marktplätze abwickeln zu können, so der bislang vorherrschende Tenor. Doch am Horizont zeichnen sich erste Veränderungen ab, die an der Unverrückbarkeit dieser These zweifeln lassen. Bestes Beispiel dafür ist die Plattform Brickvest, die sich dem Einsammeln von Eigen- und Fremdkapital für Immobilieninvestments verschrieben hat: Das Konzept scheint eine Daseinsberechtigung zu haben, ansonsten hätten sich mit der Berlin Hyp und der Aareal Bank unlängst wohl kaum zwei renommierte Immobilienbanken an dem Londoner Proptech beteiligt.

Mit Zinsland unternimmt nun erstmals auch ein deutsches Startup den Versuch, die gewerbliche Immobilienfinanzierung auf eine digitale Plattform zu heben. Das bislang auf das Einwerben von ergänzendem Mezzanine-Kapital von Privatanlegern für Projektentwickler ("Crowdfinancing") beschränkte Unternehmen will mit der B2B-Erweiterung "Caladio" künftig auch den digitalen Zugang zum Hauptteil einer Finanzierung, sprich dem klassischen Bankkredit, ermöglichen. Die Vision von Zinsland-Gründer Carl von Stechow ist es, alle Beteiligten der gewerblichen Immobilienfinanzierung - Projektentwickler, Bestandshalter, Investoren, Banken und alternative Finanzierer - auf der Plattform zusammenzubringen. "Als erster Anbieter überhaupt bieten wir der Immobilienwirtschaft so einen kompletten digitalen Service zur Finanzierung ihrer Projekte: Vom Kreditantrag bis zum Kreditreporting für alle Stakeholder." Die Reporting-Lösung wird dabei gemeinsam mit der Taunus-Sparkasse entwickelt, zur Etablierung eines effizienten Datenaustauschs konnten 21st Real Estate und Architrave gewonnen werden.

Wie sollten sich klassische Immobilienbanken auf diese Entwicklung einstellen? Grundsätzlich handelt sich dabei um keinen Angriff auf ihr Geschäftsmodell, wie nicht zuletzt von Stechow selbst beteuert. Ihm gehe es vielmehr darum, bestehende Ineffizienzen im Kreditprozess zu beseitigen. Doch einen Schritt weitergedacht, ergeben sich nichtsdestotrotz einige interessante Fragestellungen: Werden Projektentwickler und Investoren ihre Darlehenswünsche in einigen Jahren vielleicht nur noch auf derartige Plattformen einstellen? Und beschränkt sich die Rolle der Banken dann nur mehr auf das bloße Einreichen von Geboten? In einem solchen Szenario ginge der heute noch so wichtige direkte und persönliche Kundenkontakt wohl weitgehend verloren. Wie realistisch es ist, wird letztlich davon abhängen, ob das Konzept tatsächlich auf Anklang stößt. Die Augen verschließen sollte man aber lieber nicht. ph

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