ESG-Preisaufschläge - der neue Alltag bei Logistikvermietungen?

Kuno Neumeier, CEO, Logivest GmbH, München

Lange Zeit wurden sie als Pionierleistung gefeiert, inzwischen gelten sie als (hoher) Standard im Neubau: Die Rede ist von Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von Logistikimmobilien. Diese Entwicklung zeigt, dass der Klimawandel und das Themenfeld ESG gedanklich in der Logistik angekommen sind - sowohl bei den Immobiliennutzern selbst als auch bei den Investoren und Entwicklern. Doch was in den meisten Bundesländern aktuell auf Freiwilligkeit basiert, könnte künftig wie in Baden-Württemberg zur bundesweiten gesetzlichen Verpflichtung werden. Denn die Politik schärft ihre Regularien stetig nach und wird in den kommenden Jahren weitere Verpflichtungen für klimakonforme Logistikimmobilien schaffen.

Dieser Schritt ist längst fällig. Schließlich handelt es sich bei Logistikimmobilien um Objekte mit teilweise mehr als 100 000 Quadratmetern Nutzfläche. Entsprechend viel Potenzial wird verschenkt, wenn die Dächer ungenutzt bleiben. Nicht zuletzt angesichts der Unsicherheiten durch den Ukraine-Krieg gewinnen regenerative Energien nochmals gesamtgesellschaftlich an Relevanz. Eine gesetzliche Verpflichtung ist also sinnvoll. Doch eine Fotovoltaikanlage ist keineswegs die einzige Möglichkeit, um Logistikimmobilien energetisch nachhaltiger zu gestalten. Auch die eingesetzte Licht- und Heizungstechnik, die Dämmung der Gebäudehülle sowie der Einbau von modernen Toren gegen Kältebrücken können wichtige Einspareffekte generieren. Ohnehin geht der Trend dahin, auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Ob solche Elemente in den kommenden Jahren für Neubauten gesetzlich vorgeschrieben werden oder ob sogar eine Nachrüstungspflicht für Bestandsimmobilien verabschiedet wird, kann niemand mit Sicherheit vorhersehen.

Wenn teils kostenintensive und unvorhersehbare Nachrüstungen notwendig werden, zahlt jedoch nicht unbedingt nur der Eigentümer den Preis. Inzwischen haben einige Vermieter damit begonnen, ihre Mietverträge um eine neue ESG-bezogene Klausel zu ergänzen. Diese soll dann greifen, wenn vom Gesetzgeber zusätzliche Nachhaltigkeitsstandards gefordert werden. In diesem Fall sollen Mieterhöhungen teilweise im zweistelligen Prozentbereich anfallen.

Dass sich Vermieter absichern wollen, ist nur allzu verständlich. Doch dieser Schritt birgt auch potenzielle Gefahren. Aktuell liegt die Verhandlungsmacht klar beim Vermieter, was am gravierenden Nachfrageüberhang liegt. Mietern bleibt dabei nur wenig Spielraum, gegen möglicherweise willkürliche Mieterhöhungen vorzugehen. Ein schwer kalkulierbarer Risikofaktor, der auch die Gefahr birgt, dass Logistikdienstleister und Verlader nicht mehr nachhaltig wirtschaften können. Darüber hinaus kann das Mieter-Vermieter-Verhältnis eingetrübt werden, was sich bei einem Marktumschwung durchaus rächen könnte.

Ähnliches erleben wir gerade auf den Einzelhandelsimmobilienmärkten, wo Vermieter bis circa 2015 ebenfalls ihre starke Marktposition durchgesetzt hatten und nun, bei nachlassender Nachfrage, teilweise von den Mietern ihre "Quittung" erhalten. Letztendlich wird allerdings der Verbraucher die Rechnung bezahlen müssen, denn der Megatrend ESG betrifft nicht nur sämtliche Bereiche der Supply Chain von der Produktion über die Lagerung bis zur letzten Meile, sondern eben alle Beteiligten inklusive der Endkunden.

Kuno Neumeier , CEO , Logivest GmbH, München
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