Baufinanzierung: Paradebeispiel für die Plattformökonomie

Swantje Benkelberg, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Seit Jahren ist das Ertragspotenzial im Privatkundengeschäft rückläufig - in diesem Jahr würde es ohne Gegenmaßnahmen der Banken erstmals ins Negative drehen, so die düstere Prognose der zeb-Privatkundenstudie. Allerdings gibt es auch Angebots- und Nachfragekategorien mit Wachstumstrend. Und dazu gehört die Baufinanzierung. Auf 8,7 Milliarden Euro beziffert zeb hier die branchenweiten Erträge 2019. Im laufenden Jahr lassen sich 9,5 Milliarden Euro an Ertrag generieren und innerhalb der nächsten fünf Jahre wird eine Steigerung auf 12,7 Milliarden Euro prognostiziert.

Was die Baufinanzierung aus Sicht von Ulrich Hoyer von zeb jedoch zur "Ertragsperle" macht, sind nicht allein die Erträge, die sich mit der Finanzierung erwirtschaften lassen. Sondern das eigentliche Asset liegt in den Möglichkeiten, die die Immobilienfinanzierung auch noch über die Kreditlaufzeit hinaus während der gesamten Nutzungszeit der Immobilie bietet. Anstatt nämlich den Vertrag wie früher einmal abzuschließen und dann bis zu einem Ablauf mehr oder weniger unbeachtet fortzuführen, kann in Zeiten der Plattformökonomie die lange Vertragsdauer beziehungsweise die Nutzungsdauer von Wohnung oder Haus dazu genutzt werden, ergänzende Produkte und Dienstleistungen mit Bankbezug, aber auch weit darüber hinaus anzubieten. Allein schon die Tatsache, dass der Erwerb einer eigenen Immobilie für einen Großteil der Verbraucher die größte Finanzentscheidung ihres Lebens darstellt, bietet hier eine ganze Reihe von Möglichkeiten.

Leistungen mit Finanzbezug können staatliche Förderungen für bestimmte Baumaßnahmen oder Renovierungen oder auch Versicherungen rund ums eigene Zuhause sein. Hier ist die Branche schon heute recht gut aufgestellt. Auf dem Weg zum Ökosystem gibt es aber noch viel Ausbaupotenzial. Dabei ist die Kooperation mit Immobilienmaklern und -portalen nur ein Ausgangspunkt. Weitere Möglichkeiten gibt es bei Rechtsberatung und Gutachten, Energieberatung, Utilities, Hausverwaltung oder der Vermittlung von Handwerkerleistungen. Diese Auflistung zeigt schon, dass sich die Möglichkeiten nicht in der Erwerbs- und Bezugsphase erschöpfen, sondern dass sich immer wieder neue Anknüpfungspunkte ergeben können. Damit wird die Baufinanzierung geradezu zum Paradebeispiel für den Einstieg der Kreditwirtschaft in die Plattformökonomie. Erste Schritte hat die Finanzbranche in diese Richtung bereits gemacht. So bieten die PSD-Banken bereits Architektenleistungen an und machen erste Schritte in Richtung Handwerkervermittlung.

Das alles ist natürlich nicht trivial. Schließlich genügt es nicht, Dienstleister auf die Plattform zu bringen und dafür Provision zu kassieren, sondern es muss auch ein Qualitätsmanagement dahinterstehen. Denn nur dann, wenn die Kunden mit den auf der Plattform angebotenen Leistungen auch zufrieden sind, kann das Modell funktionieren. Ansonsten drohen gewaltige Imageschäden. Denkbar sind zum Beispiel Service Level Agreements wie Schnelligkeit bei der Angebotserstellung, Termintreue und Kostenvoranschläge, von denen die tatsächlichen Kosten nur in Ausnahmefällen abweichen, aber auch deutschsprachige Mitarbeiter können ein Qualitätskriterium sein. Hier muss dann der Kreditgeber für die Einhaltung der vereinbarten Standards einstehen. Vor allem für regionale Institute, die für die Auswahl der richtigen Partner ihre Marktkenntnis vor Ort nutzen können, kann das eine echte Chance sein. sb

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