Private Baufinanzierung

Wohnungsmarkt in Deutschland - Stabilität als Vorteil

Ist eine hohe Wohneigentumsquote ein Ausdruck besonders hoher Effizienz eines Wohnungsmarktes? Ist eine steil aufwärts gerichtete Entwicklung der Immobilienpreise ein sinnvolles wirtschaftspolitisches Ziel? Vor wenigen Jahren wurden diese beiden Fragen vor dem Hintergrund einer als sehr verhalten wahrgenommenen Wohnimmobilienmarktentwicklung in Deutschland von den meisten Akteuren mit Blick auf die damalige Situation in Großbritannien, in den USA oder auch in anderen Industrienationen mit ja beantwortet. Jüngste Entwicklung des deutschen Wohnungsmarktes Nachdem im Zuge der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise in den meisten ehemaligen "Boom-Ländern" die Investitionen in und die Preise für selbst genutztes Wohneigentum deutlich zurückgingen, hat sich im Gegensatz dazu die Marktentwicklung in Deutschland kaum verändert, sodass heute die Stabilität des deutschen Immobilienmarktes als besonders positiv wahrgenommen wird. Dabei stellt sich die Frage, welche Faktoren für die Krisenfestigkeit des Wohnimmobilienmarktes in Deutschland maßgeblich sind. Zunächst ist festzustellen, dass der letzte Boom auf dem Immobilienmarkt vor etwa zwei Jahrzehnten begonnen hat und vor einem Jahrzehnt endete. In den späten achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts lag die Bautätigkeit in der Bundesrepublik auf einem im langfristigen Vergleich sehr geringen Niveau. Die Entwicklung des Wohnungsangebotes stagnierte. Ab 1989/1990 wurde die Wohnungsnachfrage jedoch zeitgleich von fünf verschiedenen Impulsen angeheizt: - Nach der Wiedervereinigung gab es in den neuen Bundesländern einen kräftigen Aufholprozess im Wohnungsbau. Der daraus resultierende Investitionsboom wurde durch großzügige Abschreibungsmöglichkeiten massiv unterstützt. - Nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze kam zu einer massiven Binnenwanderung von Ost nach West, was insbesondere in den größeren Städten die Wohnungsnachfrage erhöhte. - Gleichzeitig kam es durch die Liberalisierung in Russland, Polen und Rumänien zu einer beträchtlichen Auswanderung von Spätaussiedlern nach Deutschland (überwiegend in die alten Bundesländer). - Insbesondere größere Städte in den alten Bundesländern wurden auch verstärkt zum Ziel von Zuwanderern aus dem Ausland. - Schließlich gab es nicht nur exogene, sondern zumindest einen ganz entscheidenden endogenen Effekt, der zu einer wesentlichen Steigerung der Wohnungsnachfrage geführt hat. Seit den späten achtziger Jahren kamen die zahlenmäßig stärksten der geburtenstarken Jahrgänge in die Phase der Haushaltsgründung und traten somit als neue Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt auf. In dieser Zeit zogen auch die Wohnimmobilienpreise stark an. Zwischen 1990 und 1994 stiegen die Preise für Einfamilienhäuser um etwa 20 Prozent. Ab Mitte der neunziger Jahre entspannten sich die Wohnungsmärkte allmählich wieder. Die Preisentwicklung zeigte, kurz nachdem die Boomphase vorüber war, eine leicht negative Entwicklung und ging dann in eine Seitwärtsbewegung über. Seit 2005 sind wieder leichte Preissteigerungen festzustellen. Neben der entspannten Marktlage dürfte ein weiterer wesentlicher Grund für die stabile Entwicklung in den spezifischen Immobilienmarktstrukturen liegen. Im Vergleich zu den meisten anderen Industrienationen ist die Wohneigentumsquote in Deutschland mit 43 Prozent gering beziehungsweise im Umkehrschluss der Anteil an Mietwohnungen am gesamten Wohnungsbestand hoch. Dabei zeigt sich der Mietwohnungsmarkt im internationalen Vergleich als recht effizient. Breites Angebot an Mietwohnungen So weist das Mietwohnungsangebot in jeglicher Hinsicht eine große Vielfalt auf und die Anbieterstruktur ist sehr kleinteilig. Privatpersonen stellen die mit Abstand bedeutendste Anbietergruppe dar, auf öffentliche und private Wohnungsgesellschaften sowie auf Wohnungsbaugenossenschaften entfallen vergleichsweise geringe Anteile. Die regulatorischen Rahmenbedingungen für den Mietwohnungsmarkt schaffen ein stabiles rechtliches Umfeld für Anbieter und Nachfrager. Damit stellt der Mietwohnungsmarkt eine attraktive Alternative zum Wohneigentumssegment dar. Der Zugang der Privathaushalte zur Wohnnutzung ist nicht auf ein Segment (Miete oder Kauf) begrenzt, sondern kann über beide Wege erfolgen. Das enge Nebeneinander von Miet- und Eigentumsmarkt auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt führt auch zu einem stetigen Ausgleich zwischen beiden Segmenten. Sollten die Wohnimmobilienpreise stärker steigen als die Mieten, würde das Wohnen zur Miete zunehmend attraktiver. Dies verhindert zu große Abstände zwischen Mieten und Preisen und hat somit eine stabilisierende Wirkung auf den gesamten Markt. Struktur der Wohnimmobilienfinanzierung Bei der Finanzierung von Wohnimmobilien geben die Banken in der Regel Darlehen von bis zu 80 Prozent des Beleihungswertes der jeweiligen Immobilie aus. Der Beleihungswert, der für jede Immobilie individuell ermittelt wird, spiegelt den langfristig erzielbaren Wert wider und liegt in keinem Fall über dem Marktwert. Der Rest des Kaufpreises wird üblicherweise durch Eigenkapital und Bauspardarlehen finanziert. Der Hypothekarkredit hat normalerweise eine Zinsbindungsfrist von mehr als fünf bis zu zehn Jahren. Kürzere Laufzeiten machen im Neugeschäft der Banken nur einen geringen Teil aus. Eher werden noch längere Laufzeiten vereinbart. Regelmäßig durchgeführte Erhebungen des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken unter seinen Mitgliedsinstituten zur Struktur der Wohneigentumsfinanzierung haben gezeigt, dass sich wesentliche Strukturmerkmale wie Beleihungsauslauf und Kreditbelastungsquote in den letzten Jahren nur wenig verändert haben. So lag der durchschnittliche Beleihungsauslauf im vergangenen Jahr bei 74 Prozent (2006: 72 Prozent), die Kreditbelastungsquote bei 27 Prozent des verfügbaren Einkommens (2006: ebenfalls 27 Prozent). In 40 Prozent der Fälle wurden Darlehen bei mehreren Kreditinstituten abgeschlossen. In diesen Fällen entfielen 40 Prozent der Darlehenssumme auf Dritte. Sicherheitsorientierung in der Darlehensvergabe Die Darlehensvergabepraxis in Deutschland ist sicherheitsorientiert. Darlehensgeber sind Banken und Bausparkassen, bei denen die Darlehen und die damit verbundenen Risiken in der Regel in der Bilanz bleiben und nicht über sogenannte Verbriefungen ausplatziert werden, wie dies in vielen angelsächsischen Ländern vor Beginn der Finanzmarktkrise der Fall gewesen ist. Neben der Beurteilung der Immobiliensicherheit stellt die Beurteilung der Kreditfähigkeit einen wichtigen Punkt bei der Darlehensvergabe dar. Das Neugeschäft der Banken in der Wohnimmobilienfinanzierung hat sich in den letzten Jahren insgesamt gesehen stabil entwickelt. Auch im Krisenjahr 2009 gab es - abgesehen vom ersten Quartal, das regelmäßig einen deutlichen Rückgang zum vorhergehenden Quartal aufweist - keinen signifikanten Rückgang der Auszahlungen. Die Nachfrage nach Finanzierungsmitteln hatte nur unwesentlich unter der Verunsicherung über die wirtschaftliche Situation gelitten und die Banken waren durchgehend in der Lage, diese Nachfrage entsprechend zu bedienen. Zum überwiegenden Teil refinanzieren sich die Kreditinstitute in Deutschland über Spareinlagen und ungedeckte Schuldverschreibungen. Im Hinblick auf die Refinanzierung von Immobilienkrediten spielt der Hypothekenpfandbrief eine wesentliche Rolle. Hypothekenpfandbriefe werden von Pfandbriefbanken emittiert und sichern den Anlegern langfristige Zinserträge und vollständige Rückzahlung am Ende der Laufzeit zu. Die ausgereichten Hypothekendarlehen dienen bis zu einem Beleihungsauslauf von maximal 60 Prozent des Beleihungswertes der Deckung der Pfandbriefe. Der Hypothekenpfandbrief ist damit ein sicherheitsorientiertes Refinanzierungsinstrument, das über eine sehr lange Historie verfügt und dessen Anforderungen durch das Pfandbriefgesetz und die damit verbundene Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) detailliert geregelt sind. Mit der weltweiten Ausweitung der Finanzmarktkrise ab September 2008 verschlechterten sich die allgemeinen Refinanzierungsbedingungen auch für die deutschen Banken erheblich. Durch die Unterstützungsmaßnahmen von staatlicher und zentralbanklicher Seite konnte die Situation an den Finanzmärkten nach und nach entschärft werden. Im Verlauf des Jahres 2009 entspannte sich die Lage zunehmend. Auch der Hypothekenpfandbrief konnte sich den Belastungen zeitweise nicht vollkommen entziehen, jedoch erwies er sich insgesamt als krisenfestes Kapitalmarktprodukt, das den Anlegern Sicherheit und den Emittenten einen permanenten Zugang zu Liquidität bot. So stieg der Erstabsatz 2008 kräftig an - während andere Refinanzierungsinstrumente bereits seit Ende 2007 unter Beeinträchtigungen litten. Im Jahr 2009, das zunächst von einer erheblichen Vertrauenskrise an den Finanzmärkten geprägt war, wurde nahezu dasselbe Erstabsatzvolumen wie 2008 erreicht. Wohnimmobilienmarkt und Wohnimmobilienfinanzierung in Deutschland haben sich seit Ausbruch der Finanzmarktkrise im internationalen Vergleich ausgesprochen stabil gezeigt. Weder bei den Preisen noch bei den Finanzierungsvolumina ist es zu nennenswerten Schwankungen gekommen. Wesentliche Gründe für diese Krisenfestigkeit sind zum einen in den Immobilienmarktstrukturen selbst, zum anderen aber auch gerade in der Wohnimmobilienfinanzierung zu sehen. Der Immobilienmarkt hat sich in den letzten 15 Jahren nach dem Auslaufen einer fünfjährigen Phase kräftigen Preisanstiegs und gesteigerter Investitionstätigkeit infolge eines auf mehreren Faktoren basierenden Nachfragedrucks insgesamt gesehen stabil gezeigt. Gerade die Preisentwicklung unterlag nur geringen Schwankungen. Neben der Abwesenheit von außergewöhnlichen Nachfrageimpulsen in der jüngeren Vergangenheit liegt eine wesentliche Ursache für die Stabilität in den spezifischen Marktstrukturen begründet. Kein "Zwang" zur Verschuldung Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern existiert in Deutschland neben dem Markt für Wohneigentum ein effizienter Mietwohnungsmarkt, auf dem die Privathaushalte keinen Zugangsbeschränkungen unterliegen und ein breites Angebot von Mietwohnungen vorfinden. Der Miet- und der Wohneigentumsmarkt stehen in einer engen Austauschbeziehung, was einen stabilisierenden Einfluss auf den gesamten Markt hat. Im Gegensatz zum Beispiel zu den USA oder Großbritannien, wo der Konsum von Wohnnutzung in erster Linie über den Eigentumserwerb und häufig nur in Verbindung mit der Aufnahme eines Darlehens vonstatten geht, ist in Deutschland kein Haushalt gezwungen, sich für die Nutzung einer Wohnung zu verschulden. Haushalte mit geringerer Bonität müssen keine finanziellen Risiken eingehen. Im Rahmen des Darlehensvergabeprozesses kommt der Bewertung der Immobiliensicherheit und der Prüfung der Bonität der Darlehensnehmer eine besondere Bedeutung zu. Die Darlehensnehmer kennen ihre Belastung über einen langen Zeitraum im Voraus und verfügen damit über ein hohes Maß an Planungssicherheit. Für die Refinanzierung von Wohnimmobilienkrediten spielt der Hypothekenpfandbrief mit seinen hohen Anforderungen an die Qualität der Deckungsdarlehen eine wichtige Rolle. Auch in der Finanzmarktkrise ermöglichte der Pfandbrief den Banken Zugang zum Kapitalmarkt, sodass die Refinanzierung von Immobilienkrediten jederzeit möglich war. All diese Faktoren waren in den USA anders gelagert: Stark steigende Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt, kaum Ausweichmöglichkeit in den Mietwohnungsbereich, zunehmende Verschuldung bonitätsschwacher Haushalte, lockere Darlehensvergabepraxis, zunehmende Bedeutung variabel verzinster Darlehen und schwerwiegende Fehlentwicklungen im Verbriefungsmarkt waren die Hauptursachen für die Krise. Insgesamt gesehen liegen in den spezifischen Strukturmerkmalen des deutschen Wohnimmobilienmarktes und der Wohnimmobilienfinanzierung gute Voraussetzungen für eine weiterhin stabile Marktentwicklung in Deutschland. Für Wohnimmobilienbesitzer, Kreditgeber und Pfandbriefinvestoren ist eine wenig volatile, stabile Preisentwicklung im Hinblick auf die langfristigen Planungen von großem Vorteil. Der Beitrag basiert auf dem Aufsatz "The German residential mortgage credit market before, during and after the financial crisis: business as usual?" von Stefan Kofner und Thomas Hofer, dessen Veröffentlichung in der Spezialausgabe "Credit crunch - resilience of housing systems" des Journal of the Housing and Built Environment geplant ist.

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