Messeausgabe

Versicherer und Immobilienfinanzierende - Partnerschaft mit Tradition und Zukunft

In letzter Zeit wird immer häufiger über Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit Realkrediten berichtet. Fast könnte man meinen, die Assekuranz habe ein neues Geschäftsfeld für sich entdeckt und dränge sich in Zeiten niedriger Zinsen und währungspolitischer Herausforderungen auf den Markt der Baufinanzierungen, um die Gunst der Stunde zu nutzen und den vermeintlich angeschlagenen Wettbewerbern den Markt streitig zu machen. Die Anfänge der Finanzierungstätigkeit liegen bei den Versicherern jedoch bereits im 19. Jahrhundert.

Historische Entwicklung und politische Einflüsse

Grundstücke werden seit Anfang des frühen 19. Jahrhunderts mit Realkrediten beliehen. Die Assekuranz hat dieses Geschäftsfeld schon früh für sich entdeckt. Insbesondere die Lebensversicherer mit ihrem großen Kapitalanlagebedarf nutzen Hypothekendarlehen als sichere und rentable Kapitalanlage. Zwei Erfolgsfaktoren bestimmen seither dieses Geschäft: die Fähigkeit zur kompetenten Risikoeinschätzung und die Kundenberatung vor Ort. Erst in der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts, als der Staat dringend Geld brauchte, um die Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten, stieg die Rendite von Staatsanleihen auf ein mit Hypotheken vergleichbares Niveau. Dadurch investierte die Assekuranz, vor allem die Lebensversicherungsunternehmen, weniger in Hypotheken. Die rentable Möglichkeit der Anlagenstreuung wurde durch die Novellierung des VAG in den Jahren 1921/1923 zusätzlich verstärkt.

Der Wegfall des einstigen Zinsvorteils, unter anderem durch fiskalpolitische Intervention, führte Mitte der dreißiger Jahre ebenfalls zu einer geringeren Attraktivität der Hypotheken bei der Kapitalanlage. Zudem wurden die Lebensversicherungsunternehmen in Zeiten des Zweiten Weltkriegs aufgefordert, ihren Anlagefokus auf Staatsanleihen zu legen. So fiel der Anteil der Hypotheken an der Kapitalanlage der Assekuranz schließlich von rund 85 Prozent im Jahr 1900 auf rund 27 Prozent im Jahr 1940. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg bis Mitte der siebziger Jahre nahm das Realkreditgeschäft, initiiert durch den dringend notwendigen Wohnungsbau, kombiniert mit Vereinbarungen zwischen Staat und Verbänden, wieder stetig zu. Seither hat die Baufinanzierung einen relativ stabilen Anteil an der Kapitalanlage der Lebensversicherer.

Auch beim Marktführer Allianz ist die Immobilienfinanzierung ein wichtiger Bestandteil der Kapitalanlage. Der Anteil der Baufinanzierungen an der Kapitalanlage der Allianz Leben betrug zum Jahresende 2011 rund acht Prozent und soll weiter ausgebaut werden. Im Vergleich zu anderen Lebensversicherungsunternehmen liegt der Anteil damit bereits heute leicht über dem Marktdurchschnitt von sieben Prozent. Seit 1970 bauten Kreditbanken und Genossenschaftsbanken ihre Marktanteile an der Wohnungsbaufinanzierung deutlich aus. Im Gegensatz dazu reduzierte sich insbesondere der Marktanteil der Realkreditinstitute und der Bausparkassen. Der Anteil der Versicherungsunternehmen entwickelte sich relativ stabil mit leicht abnehmender Tendenz. Entgegen der Entwicklung des Marktanteils der Versicherungsbranche ist der Marktanteil der Allianz Baufinanzierung angestiegen und lag zum Jahresende 2011 rund 50 Prozent über dem Anteil von 2009.

Während einzelne Banken sich teilweise oder auch vollständig aus dem Markt der Immobilienfinanzierung zurückziehen, ist bei Versicherungsunternehmen der gegenläufige Trend zu beobachten. Immer häufiger kommt es auch zu Kooperationen zwischen Banken und Versicherungen, in denen Immobilienfinanzierungen in die Bücher der Lebensversicherer vermittelt werden. Ein Beispiel ist hier die in diesem Jahr gestartete Kooperation zwischen der LBBW und der Allianz.

Risikoeinschätzung

Die Beurteilung und Bewertung von Risiken gehört zum Kerngeschäft der Versicherungsunternehmen. Dieses Know-how wird auch im Geschäftsfeld Immobilienfinanzierung erfolgreich genutzt. Die Allianz verwendet generell bei der Immobilieneinschätzung von in- und externen Gutachtern entwickelte konservative Bewertungsmethoden. So fließen zum Beispiel temporär stark erhöhte Immobilienpreise oder individuelle Ausstattungen bei Neubauten nicht in den relevanten Marktwert der Immobilie ein. Bei vermieteten Objekten müssen wirtschaftliche Überlebensfähigkeit von Immobilie und Eigentümer jeweils unabhängig voneinander sein. Die Bonität des Eigentümers muss also stark genug sein, um auch bei Mietausfall den Kapitaldienst bedienen zu können. Zudem ist es erforderlich, dass das Objekt alle Kosten sowie den Kapitaldienst aus den Mieterträgen tragen kann.

Im Bereich der professionellen Wohnungswirtschaft gelten neben den konservativen Bewertungsmethoden zusätzliche Anforderungen an die Sicherungsobjekte: stetige Cash-Flows, Kontinuität in der Mieterstruktur, eine im Vergleich zur Region unterdurchschnittliche Leerstandsquote sowie das Modernisierungsniveau der besicherten Objekte.

Die DSCR (Debt Service Coverage Ratio) der besicherten Objekte in Verbindung mit EBIT-Zinsdeckung und EBITDA-Zinsdeckung der das Darlehen aufnehmenden Gesellschaft sind weitere bedeutsame Kennzahlen bei der Analyse. Da das Ziel der Wohnungswirtschaft die Schaffung langfristig attraktiven Wohnraums zu fairen Mieten ist, ist bei der Bewertung die Eigenkapitalrendite dieser Unternehmen von nachgeordneter Bedeutung.

Auch Büroräume, Praxen oder Gewerbeeinheiten werden von der Allianz Baufinanzierung in Ausnahmefällen finanziert. Die Drittverwendungsfähigkeit des Objekts ist hier unabdingbare Voraussetzung. Dies ergibt sich aus gesetzlichen Anforderungen für das Sicherungsvermögen und ist inzwischen auch eine Anforderung im Rahmen von Solvency II. Aber auch unabhängig von diesen gesetzlichen Vorschriften ist die Drittverwendungsfähigkeit seit je eine zwingende Anforderung des Allianz Risikomanagements. Wenn ein Objekt erst nach Umbauarbeiten drittverwendungsfähig ist, wird der Beleihungswert unter Abzug dieser Umbauarbeiten berechnet.

Solvency II

Das Risikomodell für Baufinanzierungen, das die Allianz in Anlehnung an Basel II seit 2004 einsetzt und stetig weiterentwickelt, wurde an Solvency II angepasst. Einige Neuerungen aus Solvency II werden allerdings mit Sorge betrachtet. Es handelt sich um die Aspekte, dass Darlehen an Wohnungsbaugesellschaften, die dinglich besichert sind, in Solvency II die gleiche Eigenkapitalunterlegung erfordern wie unbesicherte Darlehen oder dass die Höhe der Eigenkapitalunterlegung mit der Zinsbindung steigt. Diese Regelungen erscheinen aus Sicht der Allianz nicht sachgerecht, denn zum einen haben dinglich besicherte Darlehen an Wohnungsbaugesellschaften bei der Allianz noch nie einen Ausfall erlitten und zum anderen ist für einen Lebensversicherer die Kapitalanlage in lange Laufzeiten im Sinne eines Aktiv-Passiv-Managements ja gerade erforderlich. Aus diesem Grund wird in Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband der Versicherer hierzu der Dialog mit dem Gesetzgeber gesucht.

Im Folgenden wird ein Kernelement von Solvency II am Beispiel der Baufinanzierung aufgegriffen, um so das Zusammenspiel zwischen Risiko und Eigenkapitalunterlegung zu veranschaulichen: Die Unternehmen der Versicherungsbranche müssen für Kredite zusätzliches Eigenkapital in einer Höhe zurückstellen, die gewährleistet, dass das Unternehmen in 199 von 200 Fällen genügend Eigenkapital zur Verfügung hat, um sämtliche Verluste auszugleichen. Die Abbildung verbindet diesen Gedanken mit der klassischen Sicht auf ein Unternehmen. Hierbei wird ein ausgewogenes Portfolio an Baufinanzierungen unterstellt. Mithilfe von Monte-Carlo-Simulationen kann die Verlustverteilung vorausberechnet werden. In der Abbildung ist diese Verteilung so dargestellt, dass pro Simulation die Summe der simulierten Verluste des Portfolios entsprechend ihrer Größe von rechts nach links aufgetragen sind. Charakteristisch für ein ausgewogenes Portfolio ist, dass in rund 90 von 100 Jahren der simulierte Verlust dem erwarteten Verlust entspricht. Die erwarteten Verluste werden durch die dunkelblaue Fläche dargestellt. Betriebswirtschaftlich bedeutet dies, dass die geplanten Ausgaben nicht überschritten werden.

In rund acht von 100 Jahren werden die geplanten Verluste zwar überschritten, sind aber noch durch die Risikoprämien gedeckt. Dies bedeutet, dass durch die Risikoprämien in 90 von 100 Jahren Risikogewinne erzielt werden, in acht von 100 Jahren müssen die Risikoprämien jedoch zur Verlustdeckung eingesetzt werden. Deshalb muss ein Teil der Risikogewinne als Gewinnrücklagen in die Bilanz eingestellt werden. Nur in zwei von 100 Jahren benötigt das Unternehmen Eigenkapital, um Verluste auszugleichen. Wobei Solvency II zulässt, dass ganz extreme Ereignisse, die voraussichtlich nur einmal in 200 Jahren eintreten, nicht betrachtet werden müssen.

Rating - ein unentbehrliches Werkzeug

Bei der Risikobeurteilung einer Finanzierung gewinnt das Rating zunehmende Bedeutung. Zu unterscheiden ist zwischen dem Rating des Darlehensnehmers (Issuer-Rating) und dem Rating der Finanzierung (Issue-Rating). Aus dem Rating des Darlehensnehmers leiten sich die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsverzugs von 90 Tagen (Basel-II-Kriterium) ab und die Wahrscheinlichkeit, dass der Zahlungsverzug in eine Zwangsverwertung des Objekts führt. Dies ist im Grundsatz gleichbedeutend mit der (Privat-)Insolvenz. Wobei die entsprechenden Wahrscheinlichkeiten jeweils für den Zeithorizont von einem Jahr in Abhängigkeit der abgelaufenen Vertragsdauer (Seasoning) benötigt werden. Für Privatpersonen wurde dieses Rating auf Basis der eigenen Kundenhistorie entwickelt. Bei juristischen Personen übernimmt die Euler Hermes Rating GmbH, eine von der BaFin zertifizierte Ratingagentur, für die Allianz Baufinanzierung die Prognose der oben genannten Wahrscheinlichkeiten auf Basis der Geschäftsberichte.

Das Rating von Finanzierungen wird für einen Horizont von vier Jahren ermittelt, das heißt, es wird der Ausfall berücksichtigt, der auf Basis von Darlehensnehmer-Ratings und des Marktpreisauslaufs in den nächsten vier Jahren erwartet wird. Der Zeitraum von vier Jahren statt eines Jahres ist der Tatsache geschuldet, dass bei vermieteten Objekten die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit von Immobilien und Eigentümern jeweils voneinander unabhängig sein müssen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten des Darlehensnehmers oder Probleme einer Immobilie bei der Vermietung manifestieren sich deshalb erfahrungsgemäß erst nach drei Jahren in Form eines echten Ausfalls. Speziell beim Neugeschäft mit eigengenutzten Privatimmobilien ist der Vier-Jahres-Zeitraum zum Zeitpunkt der Kreditgewährung besonders interessant, weil die meisten Ausfälle in den ersten vier Jahren zu beobachten sind.

Für das Rating der Finanzierung wird ebenfalls ein Rating des Objekts benötigt, das in der bisher verwendeten Systematik am sinnvollsten mit dem Begriff "Collateral-Rating" bezeichnet wird. Hierbei handelt es sich um den Beleihungswert gemäß BelWertV und der Schätzung der Erlösquote im Rahmen einer Zwangsversteigerung. Bei diesem Ansatz wird unterstellt, dass der Beleihungswert und der gerichtliche Verkehrswert bei einer Zwangsversteigerung hinreichend nahe beieinander liegen. Zusätzlich wird die Erlösquote aus lagespezifischen Parametern geschätzt. Die Ausfallwahrscheinlichkeit (Issuer-Rating) in Kombination mit dem Marktauslauf (Collateral-Rating) kann so einem Issue-Rating zugeordnet werden. Zum Beispiel erhält man im Modell der Allianz bei einem Marktauslauf von 70 Prozent und einem extern ermittelten Issuer-Rating "BBB" ein Issue-Rating von "A" auf die nächsten vier Jahre für die Finanzierung.

Als sozialverantwortlichem Partner ist es der Versicherungswirtschaft ein wichtiges Anliegen, ihren Beitrag zur Schaffung von Wohnraum zu leisten - sei es durch die Finanzierung von Wohnungsbaugesellschaften oder sei es durch die Finanzierung der eigenen vier Wände. Im Fokus der Allianz stehen seit 90 Jahren Finanzierungen im wohnwirtschaftlichen Bereich. Dieser Schwerpunkt wird beibehalten. Insbesondere die Finanzierung von selbst genutzten Immobilien soll weiter ausgebaut werden. Heute kümmern sich täglich über 300 Mitarbeiter um sämtliche Aufgaben, die das Baufinanzierungsgeschäft mit sich bringt. Der Kreditbestand wurde kontinuierlich ausgebaut und betrug Ende 2011 rund 13,5 Milliarden Euro. Aktuell finanzieren etwa 90 000 Kunden ihre Immobilie mit der Allianz.

Präsenz in der Fläche

Versicherungsunternehmen verfügen in der Regel über ein großes Außendienstnetz und können dadurch eine flächendeckende Kundenberatung vor Ort anbieten. Mit über 9 000 Agenturen und rund 100 Baufinanzierungsspezialisten ist die Allianz bundesweit in der Lage, ihre Kunden vor Ort in allen Fragen rund um die Immobilie zu beraten. Kunden erhalten eine umfangreiche Produktpalette wie beispielsweise Riester-, KfW-, Forward- und Volltilger-Darlehen sowie die Risikoabsicherung aus einer Hand. Zudem bieten Versicherungsunternehmen sehr lange Zinsbindungsfristen an. So kann das Zinsänderungsrisiko vollständig ausgeschlossen werden.

Die Heterogenität der Immobilienmärkte erfordert regionale Marktkenntnisse und impliziert eine dezentrale Aufstellung. Die Allianz ist daher mit ihren Fachabteilungen dezentral an drei Standorten (Stuttgart, Hannover, Leipzig) in Kunden-/Objektnähe positioniert und verfügt über eigene Gutachter. Als größter Immobilienfinanzierer unter den Lebensversicherungsunternehmen beschäftigt die Allianz im eigenen Haus zudem Mitarbeiter, die über spezifische Kenntnisse in der Finanzierung von Wohnungsbaugesellschaften sowie Akquise und Bearbeitung von Großdarlehen verfügen. Vereinzelt ergänzen somit gewerbliche Kredite mit geringem Risiko das Breitengeschäft der wohnwirtschaftlichen Finanzierungen.

Die erfolgreiche Partnerschaft zwischen Versicherern und Immobilienfinanzierenden besteht schon seit über 100 Jahren. Auch unter neuen Herausforderungen wie beispielweise Solvency II bleibt diese Partnerschaft für Immobilienfinanzierer und Versicherer attraktiv. Der künftige Marktanteil der Versicherer im Baufinanzierungssegment wird sich voraussichtlich in der Spannbreite der letzten 40 Jahre zwischen vier und neun Prozent bewegen und dadurch eine wichtige Rolle für Privatkunden, Wohnungsbaugesellschaften und Kapitalanleger einnehmen.

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