Leitartikel

Stabile Verhältnisse

23 Bausparkassen gibt es noch in Deutschland - 13 private Institute und zehn öffentlich-rechtliche LBSsen. Und denen könnten es wahrlich schlechter gehen: Die Häuser haben es wunderbar verstanden, das aktuelle Gemisch aus anhaltend niedrig gehaltenen Zinsen, einem echten Mangel an Anlagealternativen, der Sorge vor steigenden Inflationsraten und einer äußerst stabilen Konjunktur und Arbeitsmarktlage für den eigenen Erfolg zu nutzen. Zum dritten Mal in Folge überstieg das Neugeschäft im abgelaufenen Geschäftsjahr die 100 Milliarden-Euro-Marke. Konkret wurden im vergangenen Jahr 3,5 Millionen Bausparverträge mit einem Volumen von 106,1 Milliarden Euro abgeschlossen. Nur 2003 lag das Neugeschäft mit 106,5 Milliarden Euro leicht höher. Das Volumen der per Ende 2013 gut 30,2 Millionen Bausparverträge in den Büchern der Institute summiert sich auf mittlerweile stolze 848 Milliarden Euro.

Liest man diese nackten Zahlen, unterliegt man schnell zwei Irrtümern: Ersten der Vermutung, Bausparen sei etwas typisch Deutsches. Weit gefehlt! Der Ursprung des kollektiven Spargedankens liegt nicht etwa im Ländle des Michel, sondern in China. Dort sollen zur Zeit der Han-Dynastie vor gut 2000 Jahren die ersten Spargesellschaften auf Gegenseitigkeit gegründet worden sein. Und selbst in Europa waren die Deutschen keineswegs die ersten, ausgerechnet die Engländer gründeten mit der "Kettley's Building Society" im Jahre 1775 in Birmingham die erste Bausparkasse. Erst hundert Jahre später war es dann soweit, der Bielefelder Pastor Friedrich von Bodelschwingh rief die "Bausparkasse für Jedermann" ins Leben. Zweiter Irrtum: So viel Bausparerfolg wie in Deutschland muss doch zu enormen Wohneigentumsquoten führen. Ebenfalls weit gefehlt! Mit einer ausgesprochen mageren Quote selbst genutzten Wohneigentums liegen die Bundesbürger in Europa auf dem vorletzten Platz. Clevere Marketingstrategen sprechen in solchen Fällen immer von dem enormen Potenzial, das sich hierzulande noch bietet.

Vom Ausflug in die Vergangenheit und die Statistik wieder zurück zur Aktualität: Größter Wohnfinanzierer waren auch im vergangenen Jahr wieder die Sparkassen, deren Bestand an Wohnungsbaufinanzierungen um rund zehn Milliarden Euro auf 396 Milliarden Euro zugenommen hat. Das entspricht einem Marktanteil von fast 33 Prozent. Auf die Kreditgenossenschaften entfällt ein Anteil von fast 20 Prozent oder 241 Millionen Euro, ein Zuwachs von über 12,4 Milliarden Euro. Dagegen nimmt der Anteil der Großbanken weiter ab, er belief sich per Ende letzten Jahres noch auf 9,7 Prozent. Die Bausparkassen haben ihren Marktanteil bei 9,92 Prozent stabil halten können - 7,77 Prozent steuern die Privaten bei, 2,16 Prozent die LBSsen. Es ist also offensichtlich keineswegs so, dass die Niedrigzinsphase und die gute Liquiditätsausstattung der Banken und Sparkassen dazu geführt hat, dass sie mehr und mehr Finanzierungen auf die eigenen Bücher nehmen zulasten der Spezialinstitute.

Im Gegenteil: Der Bankvertrieb ist augenscheinlich anderen Vertriebsformen überlegen. Rechnet man die Neugeschäftsabschlüsse der beiden großen privaten Bausparkassen mit einem Bankvertrieb (Bausparkasse Schwäbisch Hall und BHW) zusammen, macht das knapp zwei Drittel des gesamten Absatzes der Privaten aus. Nimmt man noch die öffentlich-rechtlichen Bausparkassen hinzu, die sich überall der emsigen Vertriebsleistung der Sparkassen, aber noch nicht überall der Eigentümerschaft durch die Primärbanken erfreuen können, steigt die Quote auf 75 Prozent.

Bei aller Freude über so viel Erfolg bleiben aber auch Hausaufgaben zu erledigen. Das Tarifdickicht muss weiter durchkämmt werden, und es müssen Angebote gefunden werden, die die noch niedrigen, aber vielleicht steigenden Zinsen berücksichtigen. Dann bleibt die Frage, wie man mit den "Hockenbleibern" auf hochverzinsten Altverträgen verfährt? Welche Risiken stecken in dem mittlerweile enorm hohen Anteil von Sofortkrediten an den Ausleihungen, vorausgesetzt die Zinsen steigen und die Refinanzierung wird für die Institute teurer? Wird sich die Konsolidierung weiter fortsetzen, auch wenn mit den schönen Volumensgewinnen leider immer auch ein Anstieg der Komplexität verknüpft ist - Wüstenrot und Schwäbisch Hall können da ein Lied von singen? Welche Konsequenzen hat die direkte und indirekte europäische Bankenaufsicht auf zwei der größten Institute für die Aufsicht über Bausparkassen generell? Wohin geht es mit Wohnriester und der Eigenheimförderung überhaupt? Wie lange bleibt das Gesetz noch ein Spezialbankengesetz?

Matthias Metz hatte und hätte für all die Fragen rund um das Bausparen die passenden Antworten. Doch er zieht inzwischen die Freuden des Rentnerdaseins dem operativen Geschäft vor. Die Redaktion bedankt sich bei ihrem Herausgeber und widmet ihm diese Ausgabe.

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