Kapitalanlage

Schützen Immobilien auch vor Hyperinflation?

In letzter Zeit gerät die Frage, ob Immobilien vor einer Geldentwertung schützen, zunehmend in den Fokus des Interesses. Es gibt mehrere Untersuchungen, so etwa vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), die zu dem Ergebnis kommen, dass Immobilieninvestments vor Inflation schützen können.1) Diese Studien basieren auf der Auswertung von statistischen Werten zur Entwicklung der Inflationsraten einerseits und von Immobilienpreisen andererseits. Dabei wurden in der Regel Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte berücksichtigt.

Wahrscheinlichkeit einer neuen Hyperinflation

Gleichzeitig werden Stimmen laut, die als Ergebnis der exorbitanten Staatsverschuldung und der Reaktionen der Notenbanken auf die Finanzkrise nicht nur eine Inflation für möglich halten, sondern auch das Szenario einer Hyperinflation diskutieren. Zahlreiche aktuelle Buchpublikationen befassen sich mit Szenarien einer dramatischen inflationären Entwicklung.2) Von einer Hyperinflation spricht man in der Forschung bei einer monatlichen Inflationsrate von mindestens 50 Prozent.

Von allen 29 Hyperinflationen in der Geschichte gab es 28 im 20. Jahrhundert. Nach Auffassung von Peter Bernholz, der die Geschichte von Hyperinflationen untersucht hat, ist die Gefahr von Inflationen und Hyperinflationen unter der Bedingung von Papiergeldsystemen ohne Golddeckung besonders hoch.3) Zunehmend ist zu beobachten, dass sich insbesondere vermögende Anleger auch mit der Gefahr exorbitant hoher Inflationsraten auseinandersetzen und dem sogenannten "Papiergeldsystem" kritisch gegenüberstehen. Als Inflationsschutz werden dabei vor allem Gold und Immobilien empfohlen.

Entschuldung durch Geldentwertung?

Vermehrt wird argumentiert, es sei insbesondere strategisch sinnvoll, Immobilien mit hohem Leverage zu erwerben, da die Schulden bei einer Inflation rasch "weginflationiert" würden. Demnach würde es sich für Anleger, die mittelfristig mit hohen Inflationsraten rechnen, empfehlen, Immobilien mit möglichst wenig Eigenkapital und möglichst viel Fremdkapital zu erwerben. Die Erwartung von Anlegern, die solchen Strategien folgen, lautet, je höher die Inflation sei, umso besser sei dies für diejenigen, die Immobilien mit hohem Fremdkapitaleinsatz erworben hätten.

Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, wie der Staat in einer solchen Situation reagieren würde. Da sich Finanzpolitiker oftmals an historischen Vorbildern orientieren, sollten sich auch Investoren mit der Frage befassen, wie denn die Politik - und insbesondere die Steuerpolitik reagieren könnte, wenn es im extremen Fall zu einer Hyperinflation käme. Im Folgenden wird als Beispiel die Hyperinflation in Deutschland (1920 bis 1923) herangezogen. Dieses Beispiel ist aufschlussreich, weil es zeigt, wie der Gesetzgeber in einer solchen Situation reagiert hat. In einer ähnlichen Situation könnte er natürlich auch anders reagieren, aber das Beispiel soll ganz generell dafür sensibilisieren, dass von staatlicher Seite beim Szenario einer Hyperinflation eine Abschöpfung von "Inflationsgewinnen" erfolgen kann. Die Inflationsrate erreichte damals in Deutschland bis zu 29 525 Prozent pro Monat. Auf den ersten Blick war dies ein ideales Szenario für alle Investoren, die sich hoch verschuldet hatten, insbesondere für Immobilieninvestoren. Eine nähere Analyse zeigt jedoch, dass die Erwartung, in einer solchen Situation würden die hohen Schulden einfach "weginflationiert" und der hoch verschuldete Anleger habe ein "gutes Geschäft gemacht", in die Irre führt, weil dabei das staatliche Handeln ausgeblendet wird.

Zunächst schien das "gute Geschäft" allerdings zu funktionieren. Im November 1923 wurde die Hyperinflation in Deutschland mit der Währungsreform beendet. Die neue Währung, die Reichsmark, ersetzte die wertlos gewordene Papiermark. Investoren, die ihre Immobilien vor Beginn der Geldentwertung mit Schulden finanziert hatten, waren die Profiteure. Ihre Schulden waren wertlos geworden, die Immobilien waren ihnen aber geblieben.

Gewinnabschöpfung durch Hauszinssteuer

Die alten Gläubiger hingegen waren durch die Inflation faktisch enteignet worden. Sie zogen in der Folge vor Gericht, und unter dem Druck der Rechtssprechung verfügte der Gesetzgeber im Februar 1924 schließlich, dass die wertlos gewordenen Hypothekenschulden wieder aufgewertet wurden. Allerdings "lebten" sie nur bis zu einem Viertel ihres Wertes wieder auf.4) Das schmälerte zwar den Inflationsgewinn der Immobilieneigentümer, ihnen blieb aber noch immer ein Profit in Höhe von 75 Prozent der ehemaligen Schulden.

Allerdings wollte der Staat diese Inflationsgewinne nicht einfach den Hausbesitzern überlassen. Er sah sie als "außergewöhnliche Begünstigung" einer Gruppe an und unterwarf sie einer neuen Steuer, der sogenannten Hauszinssteuer.5) Nur rund drei Monate nach dem Ende der Inflation, am 14. Februar 1924, wurden die damaligen Länder des deutschen Reiches dazu ermächtigt, eine "Hauszinssteuer" einzuführen. Alle Länder machten in der Folge davon Gebrauch - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

Die preußische Variante der Hauszinssteuer, die hier exemplarisch betrachtet wird, betraf zunächst alle Immobilien, die vor dem 1. Juli 1918 fertiggestellworden waren.6) Ausgenommen war lediglich der kleine Teil der land- und forstwirtschaftlichen Gebäude. Die Bemessungsgrundlage der Steuer war die sogenannte Friedensmiete. Bei der Friedensmiete handelte es sich um die staatlich festgelegte monatliche Miete, die alle Mieter zu zahlen hatten.

Einen Teil der Mieteinnahmen für den Staat

Der Staat beanspruchte also für die Hauszinssteuer einen Teil der laufenden Mieteinnahmen. Es sollten aber nicht alle Immobilien gleich stark besteuert werden, sondern die Höhe der Steuerzahlungen sollte sich an der Höhe der Inflationsgewinne orientieren. Immobilien, die vor der Inflation hoch verschuldet waren und die somit einen hohen Inflationsgewinn verzeichnen konnten, wurden steuerlich stärker belastet als Gebäude mit weniger Lasten oder schuldenfreie Gebäude.

Als Stichtag wurde der 31. Dezember 1918 festgesetzt. Der Schuldenstand dieses Tages war entscheidend für den Steuersatz. War die Immobilie an diesem Tag schuldenfrei, betrug die Steuer 15 Prozent der Friedensmiete. Bei Grundstücken, die bis zu zehn Prozent des Wertes belastet waren, betrug die Steuer 20 Prozent der Friedensmiete. Auf Grundstücke, die bis zu 20 Prozent ihres Wertes belastet waren, wurde eine Hauszinssteuer von 25 Prozent der Friedensmiete erhoben. So erhöhte sich der Steuersatz - entsprechend der Belastung - schrittweise.7) Der Steuerhöchstsatz belief sich in Preußen auf 40 Prozent der laufenden Mieteinnahmen bei Gebäuden, die zum Stichtag über 60 Prozent belastet waren.8) Eine Beispielrechnung soll die Steuerbelastung verdeutlichen: Eine Immobilie ist am Stichtag zu 80 Prozent ihres Wertes mit Hypotheken belastet. Durch die Inflation verlieren diese ihren Wert, werden dann aber zu einem Viertel wieder aufgewertet. Der Immobilienbesitzer hat also einen Inflationsgewinn von 60 Prozent des Immobilienwertes erzielt. Mit einer Schuldenquote von ursprünglich 80 Prozent fällt er unter den Steuerhöchstsatz und muss 40 Prozent der laufenden Mieteinnahmen in Form von Hauszinssteuern abführen. Die Hauszinssteuer minderte die jährlichen Mieteinnahmen um 40 Prozent, wenn die Immobilie unter den Steuerhöchstsatz fiel. Die Rechnung zeigt deutlich die jährliche Minderung der Mieteinnahmen durch die Steuer. Immobilienbesitzer, die vor der Inflation hohe Schulden hatten, mussten über viele Jahre 40 Prozent ihrer laufenden Mieteinnahmen als Steuer abführen. Aufgrund der staatlichen Festsetzung der Mieten hatten die Hausbesitzer auch keine Möglichkeit, die Mehrbelastung durch die Hauszinssteuer an die Mieter weiterzugeben. Demzufolge wäre nach 25 Jahren der gesamte Inflationsgewinn von 120000 Reichsmark als Hauszinssteuer an den Staat geflossen. Die Hauszinssteuer wurde insgesamt über 19 Jahre, von 1924 bis 1943, erhoben, wenn auch ihre Höhe nach 1932 mehrfach geändert wurde.9) Es mangelte während dieser Zeit nicht an Initiativen, die Steuer abzuschaffen. Der Fiskus wollte aber auf diese Steuerquelle nicht verzichten, da sie einen wichtigen Beitrag zum Staatshaushalt leistete. Zwischen 1925 und 1932 machte die Hauszinssteuer durchschnittlich zehn Prozent des gesamten Steueraufkommens aus.10)

Warnung vor hoher Verschuldung in Erwartung steigender Inflation

Das dargestellte historische Beispiel belegt, dass Immobilieninvestitionen mit hohem Fremdkapitaleinsatz möglicherweise deshalb nicht vor einer Inflation schützen werden, weil die Steuerpolitik mit entsprechenden Gegenmaßnahmen reagiert. Insbesondere sollte das Beispiel Anlegern eine Warnung sein, die jetzt leichtfertig Immobilien mit einem extrem hohen Leverage erwerben - in der Erwartung, die Schulden würden in einem inflationärem Umfeld "weginflationiert".

Ob der Gesetzgeber in Deutschland bei einer hohen Inflation ähnlich reagieren würde wie damals oder ob er nach anderen Wegen suchen würde, nicht realisierte Vermögensgewinne zu besteuern, kann heute natürlich nicht prognostiziert werden. Schließlich könnte auch die Frage eine Rolle spielen, ob eine solche rückwirkende Besteuerung verfassungsgemäß wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen zwischen einer sogenannten echten und einer sogenannten unechten Rückwirkung von Steuergesetzen unterschieden. Die echte Rückwirkung, die in bereits abgewickelte Tatbestände eingreift, ist nach dieser Rechtsprechung grundsätzlich unzulässig - es gibt nur wenige Ausnahmen.

Gesetz mit "unechter" Rückwirkung möglich

Die unechte Rückwirkung, bei der die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach der Verkündung des Gesetzes eintreten, deren Tatbestand aber an in der Vergangenheit liegende Sachverhalte anknüpfen, gilt dagegen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes grundsätzlich als zulässig. Jedoch hat der Gesetzgeber auch bei der unechten Rückwirkung Grenzen zu beachten und eine Güterabwägung vorzunehmen.

Der Gesetzgeber hat bereits in der Vergangenheit häufig zweifelhafte Regelungen beschlossen, mit denen er in bereits vollendete Sachverhalte eingriff. Ein Beispiel dafür ist die rückwirkende Änderung von § 23 EStG, die im Jahre 1999 beschlossen wurde. Ein Vorlagebeschluss des BFH, in welchem die Verfassungsmäßigkeit dieser Änderung bezweifelt wird, ist bis heute vom Bundesverfassungsgericht nicht entschieden worden. Der Gesetzgeber vertraut offenbar zuweilen bei verfassungsrechtlich zweifelhaften rückwirkenden Gesetzesänderungen darauf, dass es durchaus ein Jahrzehnt oder länger dauern kann, bis das Bundesverfassungsgericht eine solche Änderung für verfassungswidrig erklärt.

Gerade in einer extremen wirtschaftlichen Situation, die ja in einer Hyperinflation gegeben wäre, könnte der Gesetzgeber das Kalkül verfolgen, erst einmal vollendete Tatsachen durch eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die ja erst sehr viel später durch das Bundesverfassungsgericht überprüft würde. Alles in allem ist ein Investor jedenfalls gut beraten, sich nicht darauf zu verlassen, dass das Rückwirkungsverbot, das im Bereich der Steuergesetzgebung schon heute ausgehöhlt ist, den Gesetzgeber hindern wird, in ähnlicher Weise zu reagieren, wie er dies 1924 getan hat.

Für den Anleger gibt es demnach vier Szenarien:

- Eine Deflation - dies ist das schlechteste Szenario für Immobilieninvestoren, insbesondere für solche, die mit hohem Leverage arbeiten.

- Eine Inflation, die sich im Rahmen der sogenannten Maastricht-Kriterien von zwei Prozent jährlich bewegt - dies ist ein neutrales Szenario für Immobilien-Investoren.

- Eine deutlich höhere Inflation von zum Beispiel fünf bis sieben Prozent jährlich, wie wir sie in den siebziger Jahren in vielen Ländern beobachten konnten und wie sie von einigen Autoren mittelfristig für möglich gehalten wird. Dies wäre für Immobilienbesitzer, die mit hohem Fremd-kapital-Einsatz arbeiten, vermutlich das beste Szenario, da hier das Kalkül aufgehen könnte, dass die hohen Schulden "weginflationiert" würden und die Immobilienpreise zugleich deutlich ansteigen.

- Eine dramatisch hohe Inflation oder sogar eine Hyperinflation würde vermutlich, wie bereits in Deutschland im Jahre 1924, zu entsprechenden Gegenreaktionen der Steuerpolitik führen, welche für Immobilienanleger zu sehr hohen Belastungen führen könnten.

Fußnoten

1) Institut der deutschen Wirtschaft 2009: Inflationsschutz von Immobilien - Direktanlagen und Aktien im Vergleich.

2) Risse, Stefan: Die Inflation kommt. Die besten Strategien, sich davor zu schützen, München 2010; Müller, Henrik: Sprengsatz Inflation. Können wir dem Staat noch vertrauen? Frankfurt/M. - New York 2010; Roland Leuschel/Claus Vogt: Die Inflationsfalle. Retten Sie Ihr Vermögen! Weinheim 2009.

3) Bernholz, Peter: Monetary Regimes and Inflation, History, Economic und Political Relationships, Cheltenham, UK - Northampton, MA, USA, 2003.

4) Führer, Karl Christian: Betrogene Gewinner? Die deutschen Hausbesitzer und der Streit um den Gewinn aus Inflation und Währungsreform 1923-1943. in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Stuttgart 1995. S. 29.

5) Heider, Georg: Erhebungs- und Verwendungszwecke der preußischen Hauszinssteuer. Ein Beitrag zur Steuertheorie und Steuerpolitik. Königsberg i. Pr. 1929. S. 28.

6) Schlosser, Alois/Herrmann, Willy.: Die Hauszinssteuer und die einschlägigen Bestimmungen der Grundvermögenssteuer. Berlin 1928. S. 65.

7) Vergleiche ebenda. S. 44.

8) Hirtsiefer, Heinrich: Die Wohnungswirtschaft in Preußen. Eberswalde 1929. S. 374.

9) Führer, Karl Christian: Betrogene Gewinner? Die deutschen Hausbesitzer und der Streit um den Gewinn aus Inflation und Währungsreform 1923-1943. in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Stuttgart 1995. S. 29 und S. 43.

10) Ruck, Michael: Der Wohnungsbau - Schnittpunkt von Sozial- und Wirtschaftspolitik. Probleme der öffentlichen Wohnungspolitik in der Hauszinssteuerära (1924/25-1930/31). in: Abelshauser, Werner (Hrsg.): Die Weimarer Republik als Wohlfahrtsstaat. Zum Verhältnis von Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Industriegesellschaft. Stuttgart 1987. S. 103.

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