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Die Reform der Insolvenzanfechtung

Das Recht der Insolvenzanfechtung sorgt für kontroverse Diskussionen und ist längst auch Gegenstand des politischen Diskurses in Berlin. Der vorläufige Höhepunkt war Anfang April dieses Jahres erreicht, als Bundesjustizminister Heiko Maas öffentlich von der aus seiner Sicht "größten Baustelle des Insolvenzrechts" sprach. Nachdem die Große Koalition ihren Willen zur Überprüfung des Anfechtungsrechts bereits im Koalitionsvertrag bekundet hatte, rückt die von breiten Teilen der Wirtschaft angemahnte Reform damit in greifbare Nähe.

Anlass zur Kritik gibt vor allem die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, die es dem Insolvenzverwalter ermöglicht, Rechtshandlungen rückabzuwickeln, die der Schuldner bis zu zehn Jahre vor Stellung des Insolvenzantrags zugunsten einzelner Gläubiger vorgenommen hat. Ursprünglich als Ausnahmevorschrift konzipiert, hat sich die Vorsatzanfechtung mittlerweile zu einer Art Auffangtatbestand entwickelt, deren Möglichkeiten sich die Insolvenzverwalter bereitwillig bedienen.

Hintergrund ist das vom BGH in den letzten Jahren entwickelte Rechtsprechungsmodell, das für den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners regelmäßig bereits dessen drohende Zahlungsunfähigkeit genügen lässt und hierfür verschiedene Beweisanzeichen wie schleppende Zahlungen, geplatzte Schecks, die Rückgabe von Lastschriften, eine Häufung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder stockende Ratenzahlungen anerkannt hat. Sind derartige Indizien anhand entsprechender Unterlagen nachgewiesen, werden der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die diesbezügliche Kenntnis des Anfechtungsgegners regelmäßig vermutet.

Folgen für die Wirtschaft

Nahezu sämtliche Wirtschaftszweige von der Industrie über den Handel bis zur Finanzwirtschaft sehen sich mittlerweile unkalkulierbaren Rückforderungen der Insolvenzverwalter ausgesetzt und haben entsprechenden Handlungsbedarf angemahnt.

Ein zentrales Problem besteht bei Ratenzahlungsvereinbarungen, die im realen Geschäftsverkehr nicht nur üblich, sondern häufig auch unverzichtbar sind. Anschaulich wird dies etwa bei Bauunternehmen, die mit ihren Leistungen regelmäßig in Vorleistung treten und verlängerte Zahlungsziele oder Ratenzahlungsvereinbarungen gewähren. Nicht selten werden entsprechende Warenkredite durch einfachen oder verlängerten Eigentumsvorbehalt abgesichert. Bei einer späteren Insolvenz des Kunden sind jedoch sowohl die Sicherheiten als auch vereinnahmte Raten durch das Anfechtungsrisiko bedroht.

Auch die Immobilienwirtschaft ist betroffen. Nicht nur besteht die Gefahr, von einem in Schieflage geratenen Schuldner vereinnahmte Mietzinsen nachträglich wieder auskehren zu müssen. Auch werden künftige Immobilientransaktionen behindert, wenn der Käufer nicht ausschließen kann, die Immobilie nachträglich wieder an den Insolvenzverwalter herausgeben zu müssen, zumal der gezahlte Kaufpreis im Gegenzug nur noch als Insolvenzforderung geltend gemacht werden könnte.

Potenziert wird die bestehende Rechtsunsicherheit in grenzüberschreitenden Fällen, da häufig unklar ist, nach welchem Recht sich im Falle der Insolvenz des Verkäufers eine mögliche Anfechtung richtet. Zwar gilt grundsätzlich das Recht des Staates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Hat der Verkäufer seinen Sitz im Ausland, bemisst sich daher auch eine Anfechtung prinzipiell nach ausländischem Recht, was für den Anfechtungsgegner im Vergleich zur aktuellen Rechtslage in Deutschland regelmäßig vorteilhaft ist. Befindet sich die Immobilie aber auf deutschem Hoheitsgebiet, kann die Grundstücksübertragung nach Maßgabe der Europäischen Insolvenzverordnung auch nach deutschem Recht angefochten werden. Zudem könnte der Insolvenzverwalter das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft, das heißt den Kaufvertrag anfechten, mit der Folge, dass die rechtliche Grundlage für die Übertragung des Grundstücks entfällt, dieses mithin an die Insolvenzmasse herausgegeben werden müsste. Welches Recht für die Anfechtung des Kaufvertrags gilt, bemisst sich wiederum nach eigenen Regeln.

Insgesamt führt die derzeitige Anfechtungspraxis zu einem "Schreckgespenst" für jedes Risikomanagement, zumal große Unsicherheit darüber besteht, in welcher Weise die bestehenden Anfechtungsrisiken bilanziell zu behandeln sind. Grundsätzlich sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten erst dann geboten, wenn ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist. Ob dies bereits bei der Vereinnahmung anfechtungsbedrohter Zahlungen, bei Eintritt des Insolvenzfalls oder erst bei tatsächlicher Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter anzunehmen sein soll, ist ungeklärt. Nach dem Vorsichtsprinzip sind Unternehmen gleichwohl gut beraten, frühzeitig Rückstellungen zu bilden, was nicht nur die Liquidität und Kreditwürdigkeit des betroffenen Unternehmens belastet, sondern letztlich auch zu Steuereinbußen für den Fiskus führen wird.

Erkundigungn

Die Dimension des Problems ist damit jedoch noch nicht erschöpft. Vielmehr ist ein erheblicher Vertrauensverlust in der deutschen Wirtschaft zu konstatieren, der notwendige Zwischenfinanzierungen erschwert und letztlich auch vereiteln kann. Lieferantenkredite werden nur noch zurückhaltend gewährt. So gaben etwa 35 Prozent der im Herbst 2013 befragten Mitglieder des Bundesverbands Credit Management an, ihre Limitvergabe stark angepasst zu haben.

Auch erkundigen sich Unternehmen vermehrt bei Kreditversicherern nach Absicherungsmöglichkeiten für den Anfechtungsfall. Die Entwicklung nachhaltiger Versicherungskonzepte hinkt dem tatsächlichen Bedarf der Wirtschaft jedoch noch weit hinterher. Derzeit ist eher festzustellen, dass Kreditversicherer ihre Eintrittspflicht bei angefochtenen Zahlungen zunehmend selbst durch spezielle Vertragsklauseln einschränken.

Schließlich ist davon auszugehen, dass sich die aktuelle Anfechtungspraxis auch negativ in den Konditionen für die Neuvergabe von Krediten niederschlagen wird. Ursächlich hierfür werden nicht nur der erhöhte Zahlungsausfall, sondern auch die zusätzlichen Kosten für die Abwehr unbegründeter Anfechtungserklärungen sein, die sich häufig aus reinen Textbausteinen zusammensetzen. Dabei dürfen auch die bestehenden Vergütungsanreize nicht übersehen werden.

Cui bono?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass der ausgeuferte Anwendungsbereich der Vorsatzanfechtung den Insolvenzverwaltern eine bedeutende Einnahmequelle beschert hat. Dabei führt bereits die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen zu einer höheren Vergütung, ganz gleich, ob die Anfechtung letztlich durchgreift. Nicht selten werden daher externe Dienstleister hinzugezogen, die sich auf die Auswertung der Buchhaltungsunterlagen des Schuldnerunternehmens spezialisiert haben und große Datenvolumina mittels spezieller Algorithmen auf Unregelmäßigkeiten im Zahlungsverhalten durchleuchten. Werden dabei etwa unregelmäßige Ratenzahlungen festgestellt, sind die Erfolgsaussichten eines Anfechtungsanspruchs schnell bejaht. Sobald der Rechtsweg beschritten wird, entstehen weitere Gebühren, die regelmäßig der mit dem Insolvenzverwalter verbundenen Kanzlei zugute kommen. Selbst wenn der Insolvenzmasse im Erfolgsfall weitere Mittel zufließen, wird aus diesen in erster Linie wieder der Vergütung des Insolvenzverwalters bedient. Für die Ausschüttungsquote an die Gläubigergemeinschaft sind die auf die Vorsatzanfechtung gestützten Ansprüche regelmäßig irrelevant. Geschweige denn können hierdurch Unternehmen fortgeführt oder Arbeitsplätze erhalten werden.

Festzustellen ist allein eine höhere Quote eröffneter Insolvenzverfahren, von der die Gläubigergemeinschaft insoweit profitiert, als eine geordnete Abwicklung der massebezogenen Rechtsverhältnisse ermöglicht wird. Diese sogenannte Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts vermag die erheblichen Eingriffe in die Planungs-, Kalkulations- und Rechtssicherheit der Wirtschaft jedoch nicht zu rechtfertigen.

Reformvorschläge

Allgemein reichen die Vorschläge zur Eingrenzung des § 133 InsO von einer Verkürzung des anfechtungsrelevanten Zeitraums über die Verschärfung der subjektiven Tatbestandsmerkmale bis zur Privilegierung bestimmter Gläubigergruppen und zum vollständigen Ausschluss der Vorsatzanfechtung.

Lohnenswert erscheint vor allem ein Rekurs auf einen Gesetzentwurf der großen Koalition aus dem Jahr 2006. Dieser seinerzeit vom Bundesministerium der Justiz selbst erarbeitete Reformvorschlag sah zwei Elemente vor: Zum einen sollten die bestehenden Beweiserleichterungen für die Insolvenzverwalter nur noch für sogenannte inkongruente Deckungen eingreifen. Inkongruenten Fällen, bei denen der Schuldner mit der angefochtenen Rechtshandlung lediglich eine bestehende Verbindlichkeit beglichen hat, verbliebe die volle Beweislast dagegen bei den Insolvenzverwaltern. Den berechtigten Belangen der Wirtschaft wäre mit einer solchen minimalinvasiven Lösung bereits gedient.

Darüber hinaus verlangt der Gesetzentwurf für die Anfechtbarkeit von kongruenten Deckungen ein "unlauteres Schuldnerverhalten", womit die Vorsatzanfechtung auch wieder im Einklang mit ihrem historisch gewachsenen Grundverständnis stünde. Bereits im römischen Recht war anerkannt, dass allein das Bewusstsein, infolge der Erfüllung einer Verbindlichkeit nicht alle weiteren Gläubiger bedienen zu können, für die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes nicht ausreicht. Selbst der BGH begrenzte die Vorsatzanfechtung noch bis 2003 ausdrücklich auf Konstellationen, in denen der Schuldner durch zusätzliche treuwidrige Umstände eine unlautere Gesinnung zum Ausdruck brachte.

Angesichts dieser wesentlichen Vorarbeiten des früheren Gesetzgebers ist es nicht erforderlich, das Anfechtungsrecht zu einer weiteren deutschen Großbaustelle werden zu lassen und die dringende Reform des § 133 InsO durch unnötige rechtstheoretische Debatten hinauszuzögern. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass der neu konstituierte Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz die Anfechtungsproblematik bereits im Zuge eines aktuellen Gesetzentwurfs zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen aufgegriffen und im April eine Sachverständigenanhörung durchgeführt hat.

Wann und in welcher Form mit einer gesetzlichen Nachjustierung der Insolvenzanfechtung gerechnet werden kann, bleibt allerdings noch abzuwarten.

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