Refinanzierung

Prüfung der Pfandbrieffähigkeit: Eine Frage der Prozesseffizienz

Deutsche Pfandbriefbanken nutzen ihr Privileg, sich mit Pfandbriefen günstig am Kapitalmarkt zu refinanzieren, nur unvollständig aus. Allein bei privaten Immobiliendarlehen besteht ein zusätzliches Verbriefungspotenzial von 20 Prozent. Damit bleibt bei einzelnen Instituten jährlich ein zweistelliger Millionenbetrag auf der Strecke.

Häufig erweisen sich bankinterne Prozessmängel als größtes Hindernis, um Immobilien für einen Pfandbrief in Deckung zu nehmen. Der Grund: Vor allem bei der Kreditvergabe im Retailgeschäft sind die Bankprozesse in erster Linie auf zügige Bearbeitung ausgelegt, um sich im Wettbewerb mit einer schnellen Entscheidung und Zusage durchzusetzen. Die Prüfung, ob für eine spätere Verbriefung alle notwendigen Unterlagen in ausreichender Qualität vorliegen, kommt dabei vielfach zu kurz. Angesichts der schwachen Unterlagenqualität verzichten viele Institute lieber darauf, eine Immobilie für eine Pfandbriefemission zu beleihen, um den strengen Anforderungen durch Wirtschaftsprüfer und Bankenaufsicht zu entsprechen. Denn der deutsche Pfand

-brief stellt international eine Besonderheit dar. Die Pfandbriefbanken unterstehen der direkten Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und Deutscher Bundesbank. Zudem dürfen keinerlei spekulative Elemente wie beispielsweise Mietsteigerungen beim Wert einer Immobilie berücksichtigt werden. Die Banken sind daher verpflichtet, für die als Sicherheit hinterlegten Immobilien nachhaltig konservative Beleihungswerte zu ermitteln (siehe Kasten zur Beleihungswertermittlung).

Verzahnung der Prozesse

Um künftig möglichst viele Immobilien pfandbrieffähig zu machen, sollte der Fokus auf eng abgestimmte Prozesse zwischen Kreditvergabe und Aufnahme in den Deckungsstock der Pfandbriefabteilung gelegt werden. Denn hinter der Ermittlung von Beleihungswerten stecken im Prinzip zwei verschiedene Vorgänge. In der Praxis müssen zertifizierte Kreditsachbearbeiter bereits vor der Darlehenszusage vorläufige Beleihungswerte ermitteln, um das unmittelbare Finanzierungsrisiko Compliancekonform zu prüfen. Viele der zu diesem Zweck erforderlichen Unterlagen lassen sich dabei als Auszahlungsvoraussetzungen definieren, wie etwa Kaufverträge, Bauzeichnungen oder Eintragungsbewilligungen für erteilte Wegerechte rund um die Immobilie. Die Devise lautet: Geld gegen Unterlagen.

Bei der endgültigen Berechnung nach BelWertV müssen die Kunden jedoch Dokumente vorlegen, die sie häufig erst nach der Kreditzusage in die Hände bekommen. Dies gilt beispielsweise für Besichtigungsberichte, die bei Neubauten naturgemäß erst dann ausgefertigt werden, wenn das Gebäude errichtet ist. Die Institute müssen also Verfahren entwickeln, um die Vollständigkeit der Unterlagen über den gesamten Prozess hin zu gewährleisten.

Bessere Kontrolle durch IT-Unterstützung

Pfandbriefbanken sollten vor diesem Hintergrund in einem ersten Schritt damit beginnen, ihre Vertriebsmitarbeiter zu schulen, um von vornherein für vollständige und qualitative Unterlagen zu sorgen. Dafür eignen sich besonders IT-unterstützte Kundenakten, die automatisch auf fehlende Papiere hinweisen. Zusätzlich bieten Immobilienbewertungssysteme die Möglichkeit, elektro nische Helfer einzubinden, die eine Einschätzung von Immobilienwerten ermöglichen. So lassen sich auf Basis von Vergleichswerten schon im ersten Beratungsgespräch Standardimmobilien aufrufen, um spätere Recherchen zu er leichtern. Auf Basis aktueller Kennzahlen wie den durchschnittlichen Mietpreisen oder Bodenrichtwerten errechnen sich weitergehende Informationen. Banken, die ihre Daten laufend pflegen und an zentraler Stelle verfügbar halten, profitieren davon besonders. So besteht etwa die Möglichkeit, fehlende Unterlagen elektronisch anzufordern statt sich allein auf manuelle Verfahren zu verlassen. Teilweise bieten spezialisierte externe Dienstleister an, entsprechende Besichtigungsberichte, Flurkarten oder Grundbucheinträge im Auftrag der Banken anzufordern.

Qualitätskontrolle schon im Vertrieb

Die zweite Herausforderung im Dokumentenmanagement ergibt sich aus der erforderlichen Qualität, in der Kundenunterlagen vorzuliegen haben. Bei strenger Auslegung erfordert die ordnungs gemäße Beleihungswertermittlung, dass sämtliche Berechnungen zur Wohnfläche von einem Architekten oder einer vergleichbaren Person stammen. Im Idealfall fordern die Banken daher entsprechende Unterlagen direkt mit dem Kreditantrag des Kunden ein. Jedoch steckt der Teufel häufig im Detail. Ist die Quelle der Unterlage unklar, droht die Immobilie wegen formaler Fehler nicht mehr in Deckung genommen zu werden - ein Mangel, der unter Umständen zu spät im Prozess auffällt und dann nur noch mit großem Aufwand zu korrigieren ist. Schließlich dürfte kaum ein Bauherr dafür Verständnis aufbringen, nochmals Zeit und Muße in aus seiner Sicht längst eingereichte Papiere zu investieren.

Da rüber hinaus riskieren die Institute, bei Kunden Vertrauen zu verspielen, wenn sie wichtige Dokumente verspätet anfordern oder nachträglich um Korrekturen bitten. Ein geschultes Auge in die Ab lauforganisation des Vertriebs einzubinden zahlt sich daher aus.

Mit der gezielten Schulung von Vertriebsmitarbeitern stellen sich zudem weitere Vorteile ein. Das neue Wissen lässt sich beispielsweise gezielt einsetzen, um auf Basis der elektronischen Kreditakte eine Vorauswahl zu treffen, um deckungsfähiges von nichtdeckungsfähigem Geschäft zu unterscheiden. Das Ziel: Eine Art "Prozessweiche" einzurichten, die nur dann BelWertV-konforme Prozesse einleitet, wenn diese erforderlich sind und voraussichtlich auch erfolgreich abgeschlossen werden können. Auf Grundlage der institutseigenen Investitionskriterien lässt sich beispiels weise eine Vorauswahl treffen, für die kein Gutachten erforderlich ist. So gibt es häufig interne Regelungen, die den gewerblichen Anteil von Immobilien begrenzen oder Einschränkungen auf bestimmte Objekttypen für deckungsstockfähige Objekte. Die vorläufige Beleihungswertermittlung aus dem Kreditantrag des Kunden gibt hierbei einen ersten wichtigen Anhaltspunkt, ob eine finanzierte Immobilie Aussicht auf Indeckungnahme hat oder nicht. Anlagen, die den Kriterien nicht entsprechen, fallen dabei sofort aus dem Raster.

Effizienz durch elektronische Aufgabensteuerung

Im Idealfall geht das Vorauswahl-Prinzip in einer zielorientierten Aufgabensteuerung auf. Dabei lässt sich jedem Geschäftsvorfall eine Kennzahl zuordnen, um die Bearbeitung durch andere Abteilungen zu erleichtern. Weniger erfahrene Sachbearbeiter bekommen dabei vor allem Standardfälle vorgelegt, wohingegen bereits bei der Vorauswahl identifizierte vom Standard abweichende Fälle von Themenspezialisten bearbeitet werden. Dies erfordert eine elektronische Prozess-Steuerung, damit jeder Sachbearbeiter zu jeder Zeit über die jeweiligen Arbeitsstände Auskunft geben kann. Gleichzeitig ermöglicht dieses Vorgehen, die Beleihungswertermittlung zweckabhängig durchzuführen. Denn selbst wenn finanzierte Immobilien für den Deckungsstock nicht infrage kommen, ist die Möglichkeit zu prüfen, diese als Sicherheit für die nach Basel II und Basel III verschärften Eigenkapitalregeln ein zusetzen (SolvV).

Die Wirtschaftlichkeit von Pfandbriefbegebungen steht und fällt mit der Prozesseffizienz. Aktuell benötigen die Institute bereits bis zu drei Stunden, um Beleihungswerte für finanzierte Immobilien korrekt zu berechnen. Damit ist der Zeitaufwand gegenüber 2005 schon jetzt um 300 bis 400 Prozent angestiegen. Entspannung ist dagegen nicht in Sicht. Denn die ohnehin bereits sehr strengen Auflagen dürften künftig eher noch weiter zu- als wieder abnehmen. In Zeiten, in denen etwa die Bundesbank vor einer Immobilienblase auch in Deutschland warnt, steht der international gute Ruf deutscher Pfandbriefe unter besonderer Beobachtung der BaFin. Unter Umständen lassen sich optimale BelWertV-konforme Bewertungen sogar auf andere Prozesse übertragen. So erfüllt ein nach BelWertV ermittelter Beleihungswert auch die Anforderungen nach SolvV. Insbesondere Pfandbriefbanken sollten daher ihr Portfolio analysieren, um Synergieeffekte bei den Berechnungsgrundlagen zu erzielen.

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