Schwerpunkt: Nachhaltiges Bauen

Pflicht und Kür bei nachhaltigen Fondsinvestitionen

Wer an Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft denkt, hat dabei meist nur Green Buildings im Sinn. Sie bieten Investoren eine höhere Ertrags- und Wertstabilität als "gewöhnliche" Objekte, heißt es. Das ist auch richtig und diese Tatsache wird die Nachfrage nach nachhaltigen Gebäuden weiter anheizen. Der Fokus allein auf die Energieeffizienz und Zertifikate garantiert jedoch noch lange kein nachhaltiges Investment. Vielmehr versperrt er die Sicht auf Faktoren, die ebenso zum Anlageerfolg beitragen - beispielsweise das Asset- und Risikomanagement.

Die Fakten

Europaweit erfreuen sich nachhaltige Immobilien immer größerer Beliebtheit - besonders unter institutionellen Investoren. Einer Studie von Union Investment zufolge wollen 60 Prozent der 167 befragten Immobilieninvestoren in Zukunft deutlich mehr in nachhaltige Immobilien investieren. Getragen werde dieser Wert vor allem von Großanlegern wie Versicherungen und Pensionskassen, die überproportional starke Investments angekündigt hätten.

Dabei nähmen Investoren für nachhaltige Immobilien auch höhere Investitionskosten in Kauf. Einer Studie von Roland Berger zufolge würden sie bis zu neun Prozent mehr zahlen.

Auch aufseiten der Immobiliennutzer wird Nachhaltigkeit immer wichtiger. So ergab eine Umfrage von Ernst & Young Real Estate, dass Nachhaltigkeit für die Mehrheit der Immobiliennutzer ein wichtiger Teil der Unternehmensstrategie ist. Und die Unternehmen sind auch durchaus bereit, für Flächen in nachhaltigen Immobilien eine höhere Miete zu zahlen. Das Schweizer Beratungsunternehmen ICME International beispielsweise beziffert die möglichen Mietpreisaufschläge bei einem zertifizierten Objekt auf drei bis sechs Prozent gegenüber einer nicht-zertifizierten Immobilie.

Diese Interessenlage sowohl bei Investoren als auch Mietern müssen Anbieter von Immobilien-Spezialfonds berücksichtigen. Ein Portfolio allein aus neu errichteten Green Buildings zusammenzustellen, reicht dabei bei Weitem nicht aus - zumal das kaum möglich ist, da das Angebot solcher Objekte vergleichsweise gering ist. Zwar ist Nachhaltigkeit im Neubausegment bereits heute Realität. Doch laut Bulwien-Gesa entfielen in den Städten Berlin, München, Hamburg, Düsseldorf, Köln und Stuttgart zwischen 2000 und 2010 gerade einmal 0,75 bis 3,23 Prozent des Flächenangebots auf neu gebaute Objekte.

Die Chancen

Eine Option, diesem Mangel zu entgehen, ist die Sanierung von Bestandsimmobilien und deren Nachzertifizierung. Lange Zeit war letzteres aufgrund fehlender Kriterien nicht durchführbar. Diese Lücke wurde inzwischen geschlossen. So übernimmt in Deutschland etwa die DGNB die Nachzertifizierung, in Australien wird dies durch das Umweltrating NABERS ermöglicht und in den Niederlanden sind Nachzertifizierungen nach BREEAM-Standard realisierbar. Und dennoch: Objekte mit einem Zertifikat zu versehen, ist "nur" die Kür. Die Pflicht: eine dauerhaft erfolgreiche Bewirtschaftung der Immobilie mittels eines professionellen Asset- und Risikomanagements.

Die Attraktivität einer Immobilie ist nicht zwingend an ein Zertifikat geknüpft. Zum einen liefern immobilienspezifische Kennzahlen wie der Energieverbrauch ohnehin Rückschlüsse auf die Nachhaltigkeit eines Gebäudes. Deshalb ist der ökonomisch orientierte Nachfrager auf ein zusätzliches Zertifikat nicht angewiesen, um eine Immobilie als nachhaltig klassifizieren zu können. Zum anderen wird die Nachhaltigkeit eines Objekts durch weit mehr bestimmt als allein ein Umweltlabel. Auch Merkmale wie bonitätsstarke Mieter mit lang laufenden Mietverträgen oder eine gute Lage deuten darauf hin, dass es sich bei der jeweiligen Immobilie um ein nachhaltiges Investment handelt.

Hinzu kommt: Gerade bei älteren Bestandsobjekten kommt es häufiger vor, dass zu wenige aussagekräftige Daten zur Verfügung stehen. Diese sind aber erforderlich, um via Zertifikat zu bestimmen, wie nachhaltig ein Gebäude ist. So kann es sein, dass kein Zertifikat oder nur eine niedrige Zertifikatstufe vergeben werden kann, obwohl es sich möglicherweise um ein nachhaltiges Objekt handelt.

Mittelfristig werden neu gebaute Green Buildings und zertifizierte Bestandsgebäude weiter an Bedeutung gewinnen. Vor allem institutionelle Investoren werden zunehmend darauf ausweichen. Herausforderung für die Anbieter wird es sein, entsprechende Portfolios zusammenzustellen, bei denen eines nicht vergessen wird: Die Tatsache "Green Building" allein führt bis jetzt noch zu höheren Mieterträgen. Nachhaltig ist am Ende nur die Immobilie, bei der es dem Mietermanagement gelingt, sie - mit oder ohne Zertifikat - langfristig attraktiv zu halten und adäquat zu vermieten.

Jochen Schenk , Vorsitzender des Vorstands, Real I.S. AG, München
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