Messeausgabe 2010

Nachhaltigkeit im Wohnungsbau kein Selbstläufer

Spätestens seit der Verabschiedung des integrierten Energie- und Klimaprogramms der Bundesregierung im Jahr 2007 ist Nachhaltigkeit zur Leitlinie politischen Handelns in Deutschland geworden. In besonders hohem Maße nehmen die Verantwortlichen die Immobilienwirtschaft in die Pflicht. Das wird nicht nur durch die 2009 inkraftgetretene Verschärfung der Energieeinsparverordnung (EnEV) unterstrichen, sondern auch durch das Energiekonzept vom 7. September 2010 sowie durch politische Anstrengungen auf Länderebene, wie beispielsweise das vom Berliner Senat geplante Klimaschutzgesetz zeigt.

Herausforderungen im Bestand

Tatsächlich kann sich die Immobilienbranche ihrer Verantwortung nicht entziehen, sind doch Gebäude für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und einem Drittel des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Wie ernst es der Branche dabei ist, zeigt nicht zuletzt die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen

(DGNB) mit ihrem international erfolgreichen Zertifizierungssystem. Auf der diesjährigen Expo Real in München wird die DGNB die ersten Nachhaltigkeitszertifikate an die Entwickler neuer Wohngebäude verleihen. An diesem Pilotprojekt hat sich auch die Patrizia beteiligt und wird mit einem Projekt in Frankfurt am Main, Feuerbachstr. 40-46 (F40), als eines der ersten Neubau-Wohngebäude durch den DGNB ausgezeichnet.

Doch nicht immer gehen ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit so einträchtig Hand in Hand wie bei hochwertigen Neubauten in begehrten Lagen. Bei ihnen lassen sich durchaus Kauf- und Mietpreise durchsetzen, die den höheren Aufwand für die energetisch vorbildliche Planung und Ausführung kompensieren. Zudem sprechen diese Projekte eine Klientel an, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung ebenso bewusst ist wie der langfristigen Vorteilhaftigkeit nachhaltiger Gebäude - und sich dies auch leisten können. Quantitativ aber ist dieses Segment hochwertiger Neubauwohnungen gering.

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland in Summe lediglich 159000 neue Wohnungen fertiggestellt, was 0,4 Prozent des Bestandes entspricht. Dagegen sind von den knapp 40 Millionen deutschen Wohneinheiten rund 31 Millionen vor Inkrafttreten der 2. Wärmeschutzverordnung im Jahr 1984 errichtet worden. Sie unterschreiten heutige energetische Standards in aller Regel deutlich, außer es wurde bereits eine energetische Sanierung durchgeführt.

Diese Zahlen belegen, dass sich die Frage der Nachhaltigkeit von Wohnimmobilien im Bestand entscheidet. Dort aber sind die entsprechenden Aktivitäten gering; Schätzungen zufolge werden jährlich höchstens ein Prozent der Wohnungen durchgreifend modernisiert. Um dem Begriff Nachhaltigkeit praktische Bedeutung zu verleihen, muss die Sanierungsquote dringend erhöht werden. Doch das ist einfacher gesagt als getan - denn sowohl die Eigentümerstruktur als auch das Mieterverhalten und die Wirtschaftlichkeit bergen Stolpersteine auf dem Weg zur Nachhaltigkeit.

Während 40 Prozent aller Wohneinheiten selbst nutzenden Eigentümern und 37 Prozent privaten Kleinvermietern gehören, befinden sich nur 23 Prozent im Eigentum professioneller Immobilienunternehmen. Ohne den Einbezug der selbst nutzenden Eigentümer und der "Privat-Vermieter" ist somit jede breite Nachhaltigkeitspolitik zum Scheitern verurteilt. Doch gerade für die Privateigentümer lohnen sich energetische Sanierungsmaßnahmen keineswegs in jedem Fall. Eine Analyse der Eigentümerstruktur der vor 1990 fertiggestellten Einfamilienhäuser zeigt, dass 48 Prozent der Eigentümer dieser Gebäude über 60 Jahre alt sind. Der Anreiz, energiesparende Investitionen vorzunehmen, ist somit gering, da der Eigentümer nicht damit rechnen kann, dass sich die Sanierungsmaßnahme noch zu seinen Lebzeiten amortisiert. Auf vielen Teilmärkten stellen sich die Eigentümer zudem die berechtigte Fra-ge, ob sich die Kosten der Sanierung bei einem Verkauf des Objekts wieder hereinholen lassen. Vergleichbares gilt auch für Besitzer von Eigentumswohnungen. Bei ihnen kommt erschwerend hinzu, dass das Wohnungseigentumsgesetz hohe Hürden für bauliche Maßnahmen aufgebaut hat, sodass bereits einige wenige Eigentümer die energetische Sanierung einer Wohnanlage verhindern können.

Profivermieter müssen rechnen

Andere Möglichkeiten haben professionelle Vermieter. Für das von ihnen repräsentierte Segment des Wohnungsmarktes wird gelegentlich die Einschätzung vertreten, dass sich eine energetische Modernisierung sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter quasi automatisch lohne. Denn, so die Argumentation, die Gesamtbelastung für den Mieter bleibe annähernd gleich, da die gesetzlich zulässige Modernisierungsumlage durch die sinkenden Nebenkosten kompensiert werde. Gleichzeitig mache der Vermieter seinen Bestand durch die Investition zukunftssicher, senke den Leerstand und erhöhe so die Mieterlöse.

In einigen wenigen Fällen mag diese Rechnung aufgehen. In den meisten Fällen aber muss die Rentierlichkeit von Investitionen in die energetische Modernisierung von Wohngebäuden wesentlich differenzierter betrachtet werden. Das zeigen mehrere Untersuchungen, die zwar im einzelnen mit unterschiedlichen Zahlen operieren, aber alle zum Schluss kommen, dass die eingesparten Energiekosten allein nicht ausreichen, um die Investitionen (in der Regel 150 bis 300 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche) zu refinanzieren. Einer dieser Modellrechnungen zufolge würde die Umwandlung eines durchschnittlichen Wohngebäudes in ein Sieben-Liter-Haus eine Einsparung von 0,60 Euro pro Quadratmeter bei den Nebenkosten bewirken, gleichzeitig aber eine Mieterhöhung von 2,00 Euro pro Quadratmeter zur Folge haben.

Etwas günstiger fällt die Kalkulation aus, wenn man davon ausgeht, dass die energetische Modernisierung im Zuge ohnehin nötiger Sanierungsarbeiten erfolgt. Allerdings beträgt die Lebensdauer der meisten Gebäudeteile 20 bis 40 Jahre. Wird also immer nur dann die Energiebilanz verbessert, wenn ohnehin eine Modernisierung ansteht, lässt sich die geringe Sanierungsquote von rund einem Prozent nicht wesentlich steigern - und das kann nicht im Interesse des Klimaschutzes sein.

Begrenzter Mieterhöhungsspielraum

Wenn aber doch modernisiert wird, stellt sich die Frage, ob sich die theoretisch mögliche Mieterhöhung am Markt überhaupt durchsetzen lässt. In begehrten Wohngegenden der großen Städte ist das oft ohne weiteres möglich. Außerhalb des Glockenbachviertels in München oder des Kollwitzplatzes in Berlin-Prenzlauer Berg sieht das jedoch vielerorts anders aus.

Zu berücksichtigen ist dabei auch die soziale Komponente: Viele Menschen sind auf günstigen Wohnraum angewiesen und gar nicht in der Lage, wesentlich höhere Mieten zu verkraften. Es ist Teil einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie, auch dieser Zielgruppe ein bezahlbares Wohnungsangebot zu unterbreiten. Denn der viel zitierte Begriff der Nachhaltigkeit zielt eben - anders als oft dargestellt - nicht nur auf die ökologische Qualität, sondern umfasst ebenso eine ökonomische und eine soziale Komponente. Er meint nicht nur die Solarzellen auf dem Dach, sondern auch den langfristigen Werterhalt und die Zufriedenheit des Mieters. Das Ausbalancieren dieser Aspekte stellt eine Herausforderung dar, dem sich ein Unternehmen wie die Patrizia Immobilien AG permanent stellt.

Erschwerend wirkt sich aus, dass es, allen grundsätzlichen Bekenntnissen zum Energiesparen zum Trotz, vielen Mietern an einem entsprechenden Bewusstsein zu mangeln scheint. Umfragen zeigen jedenfalls, dass gerade einmal 20 Prozent der Mieter bereit sind, sich an den Kosten einer energetischen Modernisierung ihres Wohnhauses zu beteiligen. Vermieter stehen also vor der Aufgabe, ihre Kunden für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren.

Offen ist dabei, in welchem Ausmaß die Entwicklung der Energiepreise diesen Sensibilisierungsprozess unterstützen wird. Sollten die Preise für Öl und Gas tatsächlich, wie von manchen Beobachtern erwartet, massiv steigen, werden sich die Wirtschaftlichkeitsberechnungen schon bald anders darstellen - und Mieter möglicherweise eher bereit sein, eine höhere Kaltmiete zu akzeptieren, wenn sie dafür die Heizkosten begrenzen können.

Bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung von baulichen Maßnahmen für den Klimaschutz darf ein wichtiger Aspekt nicht außer Acht gelassen werden: Die Senkung des CO2-Ausstoßes hat zwar positive gesellschaftliche Auswirkungen, kommt aber weder Vermietern noch Mietern unmittelbar finanziell zugute. Letztendlich ist Klimaschutz ein öffentliches Gut wie "Innere Sicherheit" oder "Landesverteidigung", dessen Bereitstellung sich auf privater Ebene in der Regel betriebswirtschaftlich nicht rechnet.

Damit sich Nachhaltigkeit auf dem Wohnungsmarkt rechnet, brauchen Investoren die Unterstützung der öffentlichen Hand. Die politischen Signale aus Berlin weisen derzeit in Teilen allerdings genau in die entgegengesetzte Richtung: Die Senkung der Mittel für energieeffiziente Sanierung (KfW-Darlehen) lässt vermuten, dass der Staat an dieser Stelle keine Verantwortung für seine politischen Ziele übernehmen will. Gleichzeitig werden im Energiekonzept der Bundesregierung explizit eine bessere Ausgestaltung des bestehenden CO2-Gebäudesanierungsprogramms, Sonderabschreibungen für energetische Modernisierungen, ein kommunales Förderprogramm "Energetische Städtebausanierung" und eine investitionsfreundlichere Ausgestaltung des Mietrechts als Schwerpunkte der Fördermaßnahmen identifiziert. Hier gilt es, im Interesse einer umfassend verstandenen Nachhaltigkeit einen einheitlichen, ressortübergreifenden Ansatz weiterzuverfolgen, der allen betroffenen Akteuren Planungssicherheit gibt. Nur auf diese Weise kann das angestrebte Nachhaltigkeitsziel erreicht werden.

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