Im Blickfeld

Mauerblümchen Stadtentwicklung

Wohnraumversorgung und Stadtentwicklung hat in deutschen Rathäusern
nur einen nachgeordneten Stellenwert. Was Stadtplanungs- und
Wohnungsämter schon länger beklagen, belegt jetzt auch eine vom
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn, in Auftrag
gegebenen Studie der Analyse & Konzepte Beratungsgesellschaft für
Wohnen, Immobilien und Tourismus mbH, Hamburg, die jetzt in Berlin
präsentiert und diskutiert wurde.
\
Kommunen wollen ihr Schrumpfen nicht wahrhaben
\
Demnach mangelt es vielerorts an Konzepten, um den aktuellen und
künftigen Problemen, die aus der demographischen Entwicklung
resultieren, wirkungsvoll zu begegnen. Vor allem zahlreiche
westdeutsche Kommunen sind noch nicht einmal bereit,
Wohnraumversorgungskonzepte zu erarbeiten. In Niedersachsen ist die
Ablehnung mit 57 Prozent besonders hoch. Aber auch in Rheinland-Pfalz
und Nordrhein-Westfalen wollen über 40 Prozent der Städte mit mehr als
30 000 Einwohnern keine Strategie zur Stadtentwicklung und zum
Wohnungswesen ausarbeiten. Dagegen sind die Kommunen in
Schleswig-Holstein schon weiter, wo immerhin ein Drittel ein
Wohnraumversorgungskonzept hat und weitere 45 Prozent ein solches
planen.
\
In Ostdeutschland haben zwischen 60 Prozent (Brandenburg) und 89
Prozent (Sachsen) der Kommunen eigene Strategien zur Stadtentwicklung
ausgearbeitet. Dabei sei die Qualität der Konzepte in der Regel
wesentlich besser als in den alten Bundesländern. Denn dort habe die
Lokalpolitik (notgedrungen) eher akzeptiert, dass die Einwohnerzahl
aufgrund von Abwanderung und Überalterung abnimmt und der
Wohnungsbestand quantitativ und qualitativ angepasst werden muss.
\
Allerdings merkte Karin Roth, Parlamentarische Staatssekretärin im
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, an, dass
einzig und allein die Ausschreibungsbedingungen für Bundesmittel in
Milliardenhöhe, die ostdeutschen Kommunen animierten, intensiv und
nahezu flächendeckend Wohnraumversorgungs- und
Stadtentwicklungskonzepte zu entwickeln. Und so bestätigt auch die
Studie, dass die Initiative fast immer von den Stadtverwaltungen
ausging und nur sehr selten von den Lokalpolitikern. Dies treffe
übrigens auf Ostwie Westdeutschland in etwa gleichem Maße zu. Und
gerade dieses mangelnde Interesse der politischen Gremien ist höchst
bedenklich, denn gerade die Stadtplanung und Wohnraumversorgung
erfordert aufgrund ihrer Komplexität die Koordination einer Vielzahl
von Ämtern und Maßnahmen. Doch gerade dabei fühlen sich die Beamten
oft von den
\
Politikern im Stich gelassen. In der Regel fänden die Behörden bei den
Wohnungsunternehmen und in der Privatwirtschaft mehr Gehör und
Unterstützung als in den Stadtparlamenten.
\
Noch große Defizite
\
Wohl auch aufgrund der unzureichenden politischen Koordination sowie
fehlender finanzieller und personeller Kapazitäten attestiert die
Studie den bestehenden kommunalen Wohnraumversorgungskonzepten
erhebliche Qualitätsmängel. So sei meist auf die Berechnung von
Bedarfsprognosen und die Definition von Zielgruppen verzichtet worden.
Beispielsweise würden Wohnungsbestände nur gezählt und allenfalls grob
nach Zimmerzahl sortiert. Eine genauere Bestandsanalyse sei selten.
\
Dies führe dazu, dass westdeutsche Städte häufig der Illusion
nachhängen, ihre Bevölkerung wachse wie in den vergangenen Jahrzehnten
kontinuierlich weiter, obwohl die Stadtbevölkerung zahlenmäßig längst
schrumpft. Dagegen würden ostdeutsche Kommunen vielerorts noch Abriss-
und Rückbau vorsehen, der jedoch fast nur im preiswerten
Wohnungsmarktsegment stattfindet. Zuweilen entstünden dabei aber schon
wieder Knappheiten, so dass es gerade Empfänger von Arbeitslosengeld
II schwerer haben, bezahlbare Wohnungen zu finden.
\
Außerdem neigen die Städte dazu, allenfalls normative Ziele für die
Wohnungspolitik zu formulieren, die jedoch weder zeitlich noch
quantitativ präzisiert würden. Damit könne (und solle möglicherweise)
die Zielerreichung nicht kontrolliert werden. Zudem würden die
Konzepte im Laufe der Jahre kaum überprüft und gegebenenfalls den
veränderten Bedingungen angepasst. Dies könnte zuerst in
Ostdeutschland ein Problem werden, weil die Planungen hier teilweise
schon einige Jahre alt sind. Aufgrund dieser Gemengelage aus fehlender
Koordination, mangelndem politischen Steuerungswillen und unklaren
Zielformulierungen macht die Studie bei nahezu allen Kommunen große
Defizite bei der Erstellung und Umsetzung von
Wohnraumversorgungskonzepten aus.
\
Lösungsvorschläge
\
Eine Lösung dieses Problems ist aus Sicht von Analyse & Konzepte nur
möglich, wenn die Stadt die Prozesssteuerung übernimmt, das heißt die
Kommunalpolitik muss ein solches wohn- und stadtplanerisches Konzept
wollen, verantworten und auch die erforderlichen Maßnahmen
beschließen. Dazu gehöre, dass alle relevanten Behörden und Ämter in
die Abstimmung einbezogen werden. Ebenso gelte es, mit der lokalen
Wohnungswirtschaft zu kooperieren. Dass auch externe Berater in dem
Prozess nicht unnütz seien, wollten die Analysten mit Blick auf das
eigene Haus nicht unerwähnt lassen.
\
Wichtig sei aber vor allem, dass die Konzepte umsetzbar sind, also zu
Beginn nicht zu hohe Ziele formuliert werden. Und vor allem sollten
sich die Maßnahmen an dem orientieren, was an Ressourcen lokal
verfügbar ist. Zudem müsse die Planung flexibel genug sein, um zum
Beispiel auch neue Förderziele und -mittel des Bundes und des Landes
einzubeziehen. Dass die Ziele der Wohnraumversorgungskonzepte jedoch
grundsätzlich fachlich fundiert und niemals normativ sein sollten,
dürfte gerade in den politischen Gremien schwer zu erdulden sein.
Schließlich erhebt Politik explizit den Anspruch, gegebene Bedingungen
zu verändern und nicht sich in sie zu fügen.
\
Die Studie empfiehlt folgende Vorgehensweise bei der
Konzepterstellung:
\
- In der Situationsanalyse müsse der gesamte Immobilienmarkt und seine
Segmente nachfrage- (!) und nicht angebotsorientiert untersucht
werden. Dabei seien nicht immer teure Gutachten nötig, denn Banken und
Unternehmen stellen nach den Erfahrungen einiger Kommunen sehr oft
umfangreiche Informationen aus ihren eigenen Datenpools kostengünstig
oder sogar gratis bereit.
\
- In den Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung, zur Zahl und Struktur
der Haushalte sowie zum Wohnungsmarkt sollten stets auch Annahmen und
Fehlerbreiten benannt werden. Hilfreich sei dabei die Offenlegung von
Berechnungen, Varianten und Szenarien.
\
- Aus den Zukunftserwartungen wären dann Ziele und Strategien
abzuleiten und möglichst klare Zeithorizonte, Prioritäten und
Quantitäten vorzugeben. Die Maßnahmen und Instrumente sollten
möglichst flexibel bleiben und die Verknüpfung mit weiteren Programmen
von Bund, Land oder Stadt ermöglichen. Auch die Einbeziehung von
privaten Partnern über Public-Private-Partnership (PPP) wäre zu
berücksichtigen.
\
- Beim regelmäßigen Monitoring hinsichtlich der Wirksamkeit der
Maßnahmen und der Zielgenauigkeit des Konzepts müsse der lokale
Wohnungsmarkt möglichst kleinräumig beobachtet werden. Und die Ziele
selbst sollten hin und wieder kritisch hinterfragt und gegebenenfalls
geändert werden.
\
Höhere Ausgaben durch Privatisierung
\
Auf mittlere Sicht werden wohl weder die prosperierenden Ballungsräume
mit ihrer hohen Nettozuwanderung noch die Entleerungsgebiete im Osten
und Norden Deutschlands ohne nachhaltige Konzepte auskommen, die
Strategien der Stadtplanung und Wohnraumversorgung miteinander
verbinden. Denn während die einen das Wohnungsangebot an die sinkende
und sich verändernde Mieterstruktur anpassen, müssen die anderen mit
steigenden Mieten und höheren Wohngeldzuweisungen rechnen.
\
Dabei könnte sich eine weitgehende oder sogar vollständige
Privatisierung der kommunalen Wohnungsunternehmen als Bumerang
erweisen. Es mag zwar verlockend sein, wenn die klammen Stadtsäckel
auf einen Schlag wieder prall gefüllt sind, doch löst das nicht die
kommunalen Probleme, sofern nicht zeitgleich die strukturellen
Ursachen des Haushaltsdefizits beseitigt werden. Doch davon ist kaum
auszugehen.
\
Denn gerade in Städten wie Dresden drückt die hohe Arbeitslosenquote
einerseits die Steuereinnahmen und treibt andererseits die
Sozialausgaben in die Höhe. Gerade steigende Wohngeldzahlungen könnten
diese Kommunen künftig erheblich belasten, fürchtet nicht nur das
Bundesministerium für Bau, Verkehr und Stadtentwicklung. Schließlich
könne auf die Mietpreisgestaltung und die Mieterstruktur bei privaten
Wohnungsanbietern weniger Einfluss genommen werden als bei kommunalen
Unternehmen. Im schlimmsten Falle, so wird argumentiert, haben die
Kommunen also nicht nur preiswerten Wohnraum für sozial Schwache
verloren, sondern auch kaum noch die Möglichkeit steuernd
einzugreifen. Dies wären dann ganz neue Herausforderungen für
Wohnraumversorgungskonzepte. Das Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung bietet sich jedenfalls als Partner bei der Ausarbeitung
und Umsetzung geeigneter Strategien an. (Red.)

Noch keine Bewertungen vorhanden


X