Frage an Rolf Kornemann

"Wie lohnend sind heute Wohnungen als Kapitalanlage?"

Die Preisentwicklung bei Immobilien ist in vielen Teilen der Welt zurzeit eines der meist diskutierten Themen. In den USA, aber auch in England, Irland und Spanien erschienen die vergangenen zehn bis 15 Jahre für Eigentümer prima facie extrem vorteilhaft. Die Werte stiegen in immer kürzeren Abständen; die Banken vergaben freigiebig nicht nur für den Erwerb Kredite, sondern auch noch für die Anschaffung von Konsumgütern - in der Erwartung, dass die anfänglich fehlenden Sicherheiten wegen der massiven Wertentwicklung in kürzester Zeit gegeben wären. Personen mit begrenzter Kaufkraft kamen zu Immobilieneigentum. Mit Häusern konnte Geld verdient und die nationale Wirtschaft belebt werden. Unterschiedliche Entwicklungen Heute stellt sich die Lage, insbesondere in den USA, vollkommen anders dar. Eigentum an Haus und Grund erweist sich für viele Schwellenhaushalte als eine extreme Belastung; die eigenen "vier Wände" haben zahlreiche Amerikaner in den Ruin getrieben. Die Blase ist geplatzt. Für zahlreiche Hausbesitzer wurde der Traum einer eigenen Immobilie zum Alptraum. Weit unterhalb des ursprünglichen Anschaffungswertes müssen sie verkaufen; Zwangsversteigerungen und Räumungen sind das Ergebnis. Als Kapitalanlage dürfte die Immobilie in diesen Räumen für lange Zeit nicht (mehr) infrage kommen. In Deutschland stellt sich die Situation gänzlich anders dar: Seit der Immobilienboom in den neuen Bundesländern ausgelaufen ist, das heißt seit Mitte der neunziger Jahre, vollzieht sich die Wertentwicklung in absolut ruhigen Bahnen - übrigens völlig zur Überraschung für ausländische Investoren, die sämtlich lange Zeit eine analoge Entwicklung wie in den USA sowie im benachbarten europäischen Ausland auch in Deutschland erwartet hatten. Diese Erwartungshaltung führte bekanntlich zu den starken finanziellen Engagements am deutschen Mietwohnungsmarkt - das Indiz schlechthin, wie lohnend aus Sicht vieler Fonds die Kapitalanlage sein müsse. Angebot übersteigt Nachfrage Zwischen diesen Hoffnungen und der Wirklichkeit klafft allerdings eine große Lücke: Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stagnieren die Immobilienpreise seit Jahrzehnten. Ein wesentlicher Grund sind laut DIW die nahezu seit einem Dezennium stagnierenden verfügbaren Realeinkommen. In vielen Regionen macht sich auch der starke Bevölkerungsrückgang bemerkbar. Dieses Phänomen ist nicht neu, wurde aber im vergangenen Jahrzehnt durch die Zunahme der Anzahl der Privathaushalte noch überdeckt. In vielen Räumen geht nunmehr auch die Zahl der Haushalte zurück. Aus anfänglich lediglich als temporäres Problem erachteten Angebotsüberhängen wurde eine Dauererscheinung. Die starke Zunahme der Zwangsverwertungen ist ein weiteres Indiz. Wegen Ausbleibens der Inflation verlor auch das Anlagemotiv "Flucht ins Betongold" an Relevanz. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Bruttokaltmiete in Deutschland zwischen 2002 und 2006 lediglich um 1,23 Prozent gestiegen ist. Bei einer Geldentwertungsrate im gleichen Zeitraum von 5,7 Prozent kommt das einem Substanzverlust gleich. Für die privaten Vermieter sind das keine guten Signale. Es überrascht deshalb keineswegs, wie desolat sich inzwischen die Lage auf dem Mietwohnungsmarkt darstellt. Mit 20 Prozent der von privaten Vermietern angebotenen Wohnungen werden in Deutschland Verluste erwirtschaftet, mit etwa 40 Prozent der Wohnungen werden gerade eben die Kosten gedeckt. Folglich werfen nur etwa 40 Prozent der Wohnungen für ihre privaten Eigentümer einen Gewinn ab. Dieses Ergebnis hat eine Befragung im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung im Jahr 2005 zutage gefördert. Andere Statistiken liefern ebenfalls kein positiveres Bild. So wurden im Jahr 2007 15,5 Prozent beziehungsweise 38 700 Wohnungen weniger fertiggestellt als im Jahr zuvor. Die Zahl der Baugenehmigungen ging zurück - um mehr als ein Viertel. Von besonderer Bedeutung hieran ist, dass die Einbrüche im Mietwohnungsbau schon seit Jahren nicht mehr durch positivere Trends im selbstversorgerischen Wohnungsbau kompensiert werden. Der Bau von Familienheimen und Eigentumswohnungen erwies sich lange Zeit noch als die tragende Säule. Nach wiederholten Kürzungen bei der Bausparförderung, insbesondere aber nach der Anhebung der Mehrwertsteuer (die hier nicht überwälzt werden kann), vor allem aber nach der Streichung der Eigenheimzulage sind auch hier drastische Einbrüche festzustellen - was ebenfalls nicht für die Vorteilhaftigkeit der Immobilie als Kapitalanlage spricht. Verschlechterung des Mietrechts Neben den zuvor erwähnten Faktoren wie den Angebotsüberhängen vor dem Hintergrund des Bevölkerungsrückgangs, den stagnierenden verfügbaren Einkommen und einem lange Zeit stabilen Geldwert sind weitere wesentliche Gründe für diese dramatischen Einbrüche der Wohnungsbauinvestitionen eine permanente Verschlechterung des Mietrechts zulasten der Investoren sowie der Rückzug des Staates aus der Förderung des Haus- und Städtebaus. Das Mietrecht ist zwar seit drei Jahrzehnten immer vermieterunfreundlicher geworden, diese Benachteilung wurde aber durch hohe staatliche Subventionen lange Zeit (weitgehend) kompensiert. Zu nennen sind unter anderem öffentliche Mittel für den sozialen Wohnungsbau, Grundsteuerermäßigung und Grunderwerbsteuerbefreiung, degressive Abschreibungen, Absetzungen des Disagios, Bausparförderung sowie Eigenheimzulage. Mit der Eigenheimzulage, dem mit Abstand größten Posten, förderte der Staat bis zum Jahr 2005 den Bau beziehungsweise Erwerb der eigenen vier Wände mit jährlich über elf Milliarden Euro. Die kürzlich von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Eigenheimrente kann diesen Verlust nicht ausgleichen; sie ist mit 25 Millionen Euro (2008) volumenmäßig im Verhältnis zur alten Förderung nahezu unbedeutend. Aber nicht nur im Neubau, sondern auch im Bestand entpuppt sich das deutsche Mietrecht immer mehr als Bremse. Um den Wert einer Immobilie zu erhalten, ist es erforderlich, von Zeit zu Zeit Modernisierungsmaßnahmen vorzunehmen. Besonders in Abschnitten erhöhter energetischer Anforderungen sind gut gedämmte Fassaden, moderne Fenster und Heizungsanlagen geradezu Pflicht. Von Maßnahmen, die dazu führen, dass weniger Energie gebraucht wird, profitiert in erster Linie und sofort spürbar der Mieter. Seine Nebenkosten sinken. Die Realität für den Vermieter sieht aber folgendermaßen aus: Um die Fassade zu dämmen, muss das Gebäude eingerüstet werden. Die Rechtsprechung sieht darin einen Mangel der Mietsache und erlaubt dem Mieter eine 30-prozentige Mietkürzung. Selbst wenn im Sommer wegen des Austauschs der Heizung vorübergehend nicht geheizt werden kann, ist der Mieter berechtigt, die Miete um 50 Prozent zu kürzen. In den wenigen Fällen, in denen der Eigentümer die Modernisierungskosten theoretisch durchsetzen könnte, bauen sich nahezu unüberwindbare Hürden auf. Modernisierungsmieterhöhungen nach Paragraf 559 BGB sind nur in ganz wenigen Fällen überhaupt realisierbar. Das Investor-Nutzer-Dilemma tritt hier offen zutage. Der Vermieter trägt die nicht umlegbaren Kosten, in den Genuss des verringerten Energieverbrauchs kommt der Mieter. Die Bereitschaft des Gesetzgebers, hier etwas zu ändern, ist gegenwärtig nicht gegeben. Anlagealternativen Ist unter diesen Umständen der Kauf beziehungsweise Bau von Wohnungen als Kapitalanlage noch zu empfehlen, sei es zur Selbstnutzung oder/und zur Vermietung? Welche Alternativen bieten sich dem anlagewilligen Investor? Eine der "klassischen" Anlageformen ist die (kapitalbildende) Lebensversicherung. Sie ist zweifelsohne auch zukünftig von Bedeutung, hat aber an Attraktivität verloren, nachdem sich ehemals gegebene Ausschüttungsprognosen in der Realität nicht bewahrheitet haben und die steuerlichen Vorteile größtenteils gestrichen wurden. Terminmärkte kommen aufgrund ihrer Komplexität als Basisversorgung nicht infrage. Der Blick auf die Aktienmärkte zeigt, dass hier innerhalb kürzester Zeit hohe Renditen erzielt werden können. Eine gegenteilige Entwicklung ist aber auch nicht auszuschließen. Ende der neunziger Jahre musste jeder Investor am sogenannten Neuen Markt engagiert sein. Als die Blase platzte, war die Ernüchterung groß. Die Eigenheimbesitzer, die ihr Geld damals in ihre Immobilie investiert hatten, konnten beruhigt(er) in die Zukunft blicken. Dieser Vergleich mag extrem erscheinen. Aber auch aktuell ist das Bild des deutschen Aktienmarktes nicht ungetrübt. Bei vielen Standardwerten ist ein signifikanter Kursverlust zu konstatieren. Gerade diese Daten sowie die wieder anziehende Inflationsrate machen die Vorteilhaftigkeit des Immobilienerwerbs als Kapitalanlage plastisch. Wer eine Immobilie kauft, hat unter gewissen Voraussetzungen eine wertstabile Geldanlage. Nach wie vor gilt die alte Regel, wonach über den Wert einer Immobilie die Lage, die Lage und nochmals die Lage entscheidet. Aber die Attraktivität wird nicht nur von der Bevölkerungsentwicklung, sondern im starken Maße vom Staat beeinflusst. Hohe Abschöpfungen in Form von Steuern und Sozialabgaben entziehen dem Investor Kaufkraft. Die sich abzeichnende einseitige Diskriminierung von Immobilienerben durch die neue Erbschafts- und Schenkungssteuer wirkt sich psychologisch verheerend aus. Der Staat muss die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Eigentümer den Wert ihrer Immobilie erhalten können. So muss das Mietrecht zwingend an die modernen Erfordernisse angepasst werden. Energetische Sanierungen dürfen nicht mehr ohne Weiteres als Mangel der Mietsache gelten und damit Grund für Mietminderungen sein. Zudem dürfen die Vermieter nicht weiter auf die Duldung der Mieter bei ökologisch sinnvollen Sanierungen angewiesen sein. Junge Familien müssen wieder eine echte Chance für die eigenen vier Wände bekommen. Die öffentliche Hand muss also den Eigentümern auch finanziell zur Seite stehen. Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fördert der Bund bereits aktiv, sei es in Form von Zuschüssen oder in Form zinsgünstiger Darlehen. Er sollte aber aufpassen, dass die KfW ihr Zinsniveau attraktiv hält. Jüngste Zinserhöhungsschritte wirken in die falsche Richtung. Auch die steuerlichen Anreize sind verbesserungsbedürftig. Hier nutzt der Staat seine Möglichkeiten bisher überhaupt nicht aus. chnitt_4c Euroskala Erneuert ein Eigentümer in seinem Vermietungsobjekt zum Beispiel die Heizung, kann er diese Investition im gleichen Jahr komplett steuerlich geltend machen. Dämmt er aber zeitgleich die Fassade, setzt noch eine Solaranlage aufs Dach und erneuert die Fenster, tritt aus Sicht der Finanzbehörden eine neue Situation ein. Die Aufwendungen sind jetzt nur noch über einen längeren Zeitraum - in der Regel auf 50 Jahre verteilt - steuerlich absetzbar, sprich: die Investition ist für den Eigentümer weniger interessant. Dieser Zustand ist nicht nachvollziehbar und klimapolitisch kontraproduktiv. Über die Vorteilhaftigkeit von Investitionen im Wohnungs- und Städtebau entscheiden aber nicht nur die zukünftige Nachfrage, die Einkommensentwicklung, das Miet- und Steuerrecht sowie die Attraktivität von Anlagealternativen. Von entscheidender Bedeutung ist, welchen Rang das Eigentum in unserer Gesellschaft zukünftig haben soll. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, eigenverantwortlich für die Wechselfälle des Lebens, insbesondere des Alters, zu sorgen, ist das Privateigentum, ist die Kapitalanlage in Immobilien als eine von mehreren Säulen unverzichtbar. Das Dilemma ist nur, dass das Verhalten des Staates kontraindiziert ist; für ihn hat beispielsweise die Freiheit der Meinungsäußerung einen höheren Rang als das Recht des Eigentümers an seinem Eigentum.

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