Im Blickfeld

IVG: Finanzielle Atempause

Im Fußball nennt man es eine gelungene Einwechselung, wenn ein neuer Spieler eine fast aussichtslose Partie doch noch dreht. Die schwer angeschlagene IVG Immobilien AG, Bonn, hat mit Gerhard Niesslein und Wolfgang Schäfers offensichtlich gleich zweimal erfolgreiche Einwechselungen vorgenommen. Während der einst bedeutendsten Aktiengesellschaft für gewerbliche Immobilien mit Niesslein seit 1. November 2008 wieder ein echter Immobilienmann vorsteht, wurde mit Schäfers am 1. Februar ein Finanzvorstand auf den Platz geschickt, der, von Sal. Oppenheim kommend, nicht nur die Schuldner-, sondern im Speziellen auch die Gläubigerseite bestens kennt und versteht. Zusammen haben beide den ersten großen Treffer gelandet, um die IVG wieder ins Spiel zurückzubringen.

Denn zum Jahresende 2008 belief sich die Verschuldung der IVG auf 5,534 Milliarden Euro, was einem Loan-to-value von 70,3 Prozent entsprach. Davon waren 5,162 Milliarden Euro Bankverbindlichkeiten, von denen 1,3 Milliarden Euro zwischen Februar 2009 und Dezember 2011 fällig geworden wären, was die Immobiliengesellschaft permanent mit Anschluss- und Umfinanzierungsverhandlungen blockiert hätte. Grund genug für den neuen Finanzvorstand, die elf betroffenen Banken an einen Tisch zu holen und in einem sogenannten "Club Deal" einen neuen, syndizierten Kredit in Höhe von 1,3 Milliarden Euro mit einer Laufzeit bis zum 28. Dezember 2012 zu vereinbaren. Doch nicht nur die Komplexität der Kreditstruktur wurde deutlich reduziert, auch die Fristigkeit verbesserte sich bei konstanten Konditionen. Durch den neuen Großkredit kostet die Finanzierung durchschnittlich 4,7 Prozent Zinsen, was bei einer Gesamtrendite im Konzern von 6,7 Prozent tragbar ist.

Bedingung ist allerdings, dass bis zur Fälligkeit die Hälfte des Kredites getilgt ist. Erreicht werden soll dies im Wesentlichen durch die Aufgabe und den Verkauf des Projektentwicklungsgeschäfts. So werden noch Bauvorhaben, die zum Jahresende 2008 ein Volumen von 1,6 Milliarden Euro hatten, wie vorgesehen fertiggestellt und veräußert. Ziel ist es, die Volatilität in den Cash-Flows und das Liquiditätsrisiko für das Unternehmen zu mindern. Entwicklungsmaßnahmen sollen künftig nur noch bei Aufwertungsinvestitionen im Eigenbestand vorgenommen werden und damit Teil des Asset Managements werden. Überhaupt soll das Asset Management zum Werttreiber im Konzern werden. Dessen Fokus will das Unternehmen auf die Segmente Investment, zu dem die eigenen Immobilien und Kavernen gehören, und Fonds für private und institutionelle Investoren legen. Um dabei für die Anleger effizienter und vor allem transparenter zu operieren, will der Vorstand die Verantwortlichkeiten der Niederlassungen stärken.

Die strategische Neuausrichtung war auch notwendig geworden, weil die IVG - vor allem im vierten Quartal 2008 nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers - von massiven negativen, nicht zahlungswirksamen Effekten aus Marktwertveränderungen, Neubewertung der Projektentwicklungen und Abschreibungen auf Finanzinstrumente betroffen war, die sich auf 944,4 Millionen Euro summierten. Diese konnten durch die positiven operativen Erträge nicht kompensiert werden, die von 532,4 auf 608,6 Millionen Euro um 14,3 Prozent stiegen. Aufgrund der hohen Belastungen infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise verschlechterte sich das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT) von 475,6 Millionen Euro auf minus 98,6 Millionen Euro. Aus dem Jahre 2008 ging der IVG-Konzern mit einem Verlust von 451,7 Millionen Euro, nachdem im Jahr zuvor noch ein Gewinn von 301 Millionen Euro ausgewiesen wurde. L. H.

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