Schwerpunkt: Markt- und Objektbewertung

Immobilienportfolios - Bewertung unter neuen Vorzeichen?

Aktuell werden wieder große Liegenschaftspakete verkaufsfertig geschnürt oder stehen zur Refinanzierung an. Nachdem eine Vielzahl an Portfolios aus den Transaktionsjahren 2006 und 2007 teilweise hohe Werteinbußen hinnehmen mussten, drängt sich die Frage auf, ob die Beteiligten derartiger Transaktionen aus den Deals der Vergangenheit ihre Lehren gezogen haben.

Entwicklung des Investmentmarktes

Im Jahr 2011 wurden Wohnportfolios im Wert von insgesamt rund sechs Milliarden Euro gehandelt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg von rund 60 Prozent. Das Transaktionsvolumen liegt allerdings noch deutlich unter den Werten der Jahre 2006 und 2007, als Portfolios im Wert von 13 beziehungsweise 15 Milliarden Euro den Besitzer wechselten. Die größte Käufergruppe von Wohnportfolios waren im Jahr 2011 Immobilien-Aktiengesellschaften, die gemessen am Transaktionsvolumen etwa 34 Prozent ausmachten. Die weiteren großen Käufergruppen waren Spezialfonds (16 Prozent), Immobilienunternehmen (13 Prozent) sowie Equity/Real Estate Funds (zwölf Prozent). Die größten Transaktionen im Bereich der Wohnimmobilien waren 2011 die Mehrheitsbeteiligung der TAG Immobilien AG an Colonia Real Estate sowie der Börsengang der GSW Immobilien AG.

Das Jahr 2012 hat mit dem Verkauf des LBBW-Portfolios an ein Versicherungskonsortium unter der Federführung der Patrizia AG und dem Verkauf der DKB Immobilien AG an die TAG Immobilien AG schon vielversprechend begonnen. Eine anhaltend hohe Nachfrage nach sicheren Anlagen sowie weitere sich anbahnende Großdeals, zum Beispiel das GBW-Portfolio, lassen auch für 2012 mindestens ein Investitionsvolumen in der Höhe des Vorjahres erwarten. Wie die genannten Beispiele zeigen, wird ein großer Anteil an dem zu erwartenden Transaktionsvolumen auf das EU-Beihilfeverfahren mit seinen Verkaufsauflagen für die Immobilienbestände von Banken zurückzuführen sein.

Strategieänderung der Investoren

In den Jahren des Portfolio-Hypes 2006 und 2007 tummelten sich überwiegend internationale Investoren am deutschen Wohnimmobilienmarkt und trieben die Preise in schwindelerregende Höhen. Werttreiber waren insbesondere optimistische Aufmietungsszenarien und der Ansatz von teilweise zweifelhaften Mietsteigerungspotenzialen in Verbindung mit einer reduzierten Instandhaltung. Das Ziel der Investition lag in den überwiegenden Fällen in einem möglichst schnellen Wiederverkauf zu höheren Preisen. Finanzierungsstrukturen mit geringem Eigenkapitaleinsatz unterstützten dabei die Erzielung einer hohen Eigenkapitalrendite. Dass diese Strategie am deutschen Markt langfristig nicht so umsetzbar war, wie sich das manche opportunistisch denkende Investoren ausgemalt hatten, mussten viele mit herben Verlusten bezahlen.

Bei den Investoren ist heute überwiegend eine veränderte Motivation zum Erwerb eines Portfolios festzustellen. So steht nicht mehr das schnell gedrehte Portfolio im Vordergrund, sondern oftmals das Halten im Bestand, auch "Buy and Hold" genannt. Daraus resultieren eine höhere Identifikation und Verantwortung zu den einzelnen Immobilien mit der Konsequenz, dass ein erhöhter Wert auf die Verbesserung der Objekteigenschaften und die Mieterzufriedenheit gelegt wird. Insbesondere das niedrige Zinsniveau und der als sicher einzuschätzende Cash-Flow der Wohnungsmieten sorgen innerhalb des unsicheren wirtschaftlichen Umfeldes in Europa für die aktuelle Beliebtheit dieser Assetklasse.

Veränderte Finanzierungsstrukturen

Doch nicht nur die Investoren und Gutachter stehen vor veränderten Rahmendaten, auch die Finanzierungen werden im heutigen Finanzumfeld anders strukturiert als noch 2006. Waren es zum damaligen Zeitpunkt die Mortgage Backed Securities (MBS), über die viele Portfolios finanziert wurden, so sind es nach der zwischenzeitlichen Finanzkrise und dem Niedergang der MBS-Produkte wieder die "pfandbrieffähigen" Darlehen. Entsprechend einer Auswertung der Bayern-LB stehen noch bis Ende 2014 MBS-Transaktionen mit einem Volumen von rund 25 Milliarden Euro zur Nachfinanzierung an, wobei der Peak im Jahr 2013 mit etwa zwölf Milliarden Euro liegt.

Nachdem sich die Investmentbanken als hauptsächlicher Anbieter von MBS-strukturierten Finanzierungen nahezu vollständig zurückgezogen haben, bestehen für die Pfandbriefbanken heute gute Geschäftsmöglichkeiten.

Die derzeitigen Finanzierungsstrukturen haben sich dabei durch kürzere Laufzeiten, neue Margenerfordernisse und geringere Leverages deutlich in Richtung Nachhaltigkeit verbessert und harmonieren so mit der ebenfalls auf Nachhaltigkeit fokussierten Investorensicht. Zudem haben die mit Basel II eingeführten höheren Anforderungen an Banken hinsichtlich Produktqualität und Risikomanagement die Professionalität der Branche im positiven Sinn deutlich verändert.

Aus gutachterlicher Sicht fiel der letzte Portfolio-Hype zeitlich zusammen mit der gesetzlichen Verabschiedung der BelWertV am 12. Mai 2006. Zu Beginn der Einführung war man mit der Umsetzung der neuen Vorschrift in Einzelgutachten beschäftigt. Konkrete Hinweise auf die Vorgehensweise bei Portfoliobewertungen fehlten und es bestand ein breiter Interpretationsspielraum bei der Erstellung von Beleihungswertgutachten von Portfolios.

Entwicklung der Bewertungsmethodik

Der Immobiliensachverständige sah sich einer Unmenge an verschiedenen Einzelimmobilien und Standorten gegenüber, die er alle in möglichst kurzer Zeit bearbeiten sollte, um den Banken einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Eine geordnete Unterlagenqualität suchte man oftmals vergeblich, sodass in der Vergangenheit entweder viel Zeit zur vollständigen Dokumentation der Objekte aufgewendet werden musste respektive die Wertermittlungen auf einer minimalistischen Informationsbasis beruhten.

Zu diesem Zeitpunkt stellte sich die Frage nach der notwendigen Tiefe der Gutachten, um einerseits der geforderten Professionalität gerecht zu werden und andererseits möglichst die Zeitvorgaben der finanzierenden Banken zu erfüllen. Als probates Mittel war daraufhin die "Zeilenbewertung" als taugliches Instrument in aller Bewertermunde.

Wie der Begriff bereits aussagt, handelt es sich um die Darstellung der gewählten Bewertungsparameter und der festgestellten Werte innerhalb einer Excel-Zeile. Ableitungen und Begründungen der Ansätze suchte man in den meisten Fällen vergebens. Zusätzliches Potenzial in der zeitlichen Bearbeitungsfolge bot die individuelle Festlegung des Besichtigungsumfangs.

Wie viel Prozent des Portfolios sollten besichtigt werden, kann man sich auf die größten Objekte beschränken, werden nur problembehaftete Objekte besichtigt, besichtigt man außen und innen, beschränkt man sich auf die Außenbesichtigung oder geht es auch ganz ohne Besichtigung? Diese Fragestellungen und mehr galt es zu beantworten, um bei Konsortialgeschäften eine möglichst einheitliche und von allen Seiten akzeptierte Vorgehensweise zu gewährleisten.

Im September 2009 war es dann soweit, dass sich die Sachverständigen über den Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) mit der BaFin an einen Tisch setzten, um die aufgetretenen Probleme anzusprechen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben der BelWertV, der SolvV und des KWG steht immer die Einzelsicherheit im Vordergrund, sodass im Zusammenhang mit Portfolios nie ein einziges Gutachten über das Portfolio als zielführend beurteilt wird. Zur Bearbeitung eines Portfolios sind grundsätzlich die in der Abbildung 1 beschriebenen Methoden marktüblich, wobei sich diese in der Aussagequalität erheblich unterscheiden.

Das Ergebnis der Besprechung wurde über den vdp und den Bundesverband öffentlicher Banken (VÖB) an die jeweiligen Mitgliedsinstitute wie nachfolgend aufgeführt kommuniziert: Jede Immobilie, die als Sicherheit dient, ist gesondert zu bewerten und in diesem Zusammenhang auch zu besichtigen.

In der Wertermittlung sind alle Rechenschritte nachweislich auf die Immobilien bezogen auszuführen und die verwendeten Markt- und Objektdaten transparent und nachvollziehbar zu begründen und zu dokumentieren. Aus diesen Anforderungen folgt als mögliche Bewertungsmethodik:

- Eine Portfoliobewertung nach Bel-WertV/KWG kann nur nach der Methode der aggregierten Einzelbewertung erfolgen.

- Auf einem Grundbuch-Blatt vermerkte Grundstücke können zusammengefasst werden, wenn sie aufgrund ihrer Ähnlichkeit zusammenfassbar sind.

- Bei homogenen Portfolios (Wohnbauportfolios in räumlichem und objekttypischem Zusammenhang) kann die Methode der Paketbewertung angewandt werden. In diesem Fall können auch mehrere Grundbuch-Blätter in einem Gutachten zusammengefasst werden, sofern eine Gesamtgrundschuld eingetragen wird und es sich um einen Eigentümer handelt.

Mit diesen einheitlichen Vorgaben ausgestattet gehen die Sachverständigen nun in die nächste Welle der Portfoliobewertungen. Sicherlich kann man mit Fug und Recht behaupten, dass sich die Portfoliobewertung seit 2006 erheblich weiterentwickelt hat und nunmehr ein einheitliches Verständnis im Kreis der Sachverständigen über die anzuwendende Methodik vorherrscht. Aufgrund der umfangreicheren Bearbeitung versuchen die Sachverständigen, verloren gegangene Zeit durch intelligentere Softwarelösungen wieder auffangen zu können.

Entwicklung der Bewertungsprozesse

Die LB-Immowert hat sich mit den internen Arbeitsprozessen befasst und diese den neuen Anforderungen angepasst. Um eine möglichst schnelle Einschätzung eines Portfolios hinsichtlich seines Chancen- und Risikoprofils sowie seiner Stärken und Schwächen an die Kunden kommunizieren zu können, wird die "VÖB-Portfolioanalyse kompakt" eingesetzt. Hierbei handelt es sich um ein webbasiertes Ratingtool, das über die Eingabe der Adress- und Objektdaten des Portfolios und mithilfe der hinterlegten soziodemografischen Daten eine schnelle Einwertung des Marktes, des Standortes, der Objektqualität und der Qualität des Cash-Flows liefert.

Das Ergebnis der Stärken und Schwächen wird mittels Netzdiagramm dargestellt, und ein Chancen-/Risikoprofil visualisiert zusätzlich die Qualität des Portfolios. Das Ratingergebnis kann auf Knopfdruck in das von den Sparkassen entwickelte DSGV-Ratingsystem überführt werden.

Sofern das Rating die Erwartungen der gewünschten Qualität des Portfolios bestätigt hat, folgt in der Regel in einem zweiten Schritt die eigentliche Bewertung des Portfolios. Um hier der Anforderung der BelWertV nach Einzelbewertungen gerecht zu werden, wurde eigens eine Bewertungssoftware entwickelt, die neben der Darstellung von Einzelgutachten auch eine Zusammenstellung des Gesamtportfolios in Listenform ermöglicht. Dies garantiert einen schnellen Überblick und erleichtert die Harmonisierung der Gutachten.

Um große Portfolios termingerecht abarbeiten zu können, ist es hilfreich, wenn die Gutachter von lokal unabhängigen Arbeitsplätzen aus auf einer zentralen Plattform arbeiten können. Dies gelingt am besten, wenn sich die Gutachter über einen Internetzugang in das Unternehmensnetz einloggen und das jeweilige Gutachten jederzeit bearbeiten können. Über diese technische Brücke lassen sich zur Abdeckung von Arbeitsspitzen auch Arbeitsgemeinschaften auf relativ unkomplizierte Art bilden. Zusätzlich kann selbsterklärende Bewertungssoftware den Prozess der Integration erheblich erleichtern.

Mit der Entwicklung von Tablet-PCs gehören Besichtigungen mit Kamera, Block und Bleistift mittelfristig der Vergangenheit an. Die mobile Erfassung und Dokumentation der Gebäudeeigenschaften, das Fotografieren und Aufnehmen von Notizen mittels Tablet-PC vor Ort und das zeitgleiche Versenden der Daten eröffnen ein breites Spektrum der Effizienzsteigerung. Nur wer sich an den Möglichkeiten neuer Technologien orientiert und diese für seine Arbeitsprozesse nutzt, kann zukünftig größere Portfolios zeitnah unter Einhaltung der geforderten Qualität liefern.

Zukunftsperspektive

Insgesamt betrachtet stellt sich der Markt der Wohnportfolios in den nächsten Jahren durchweg positiv dar, wobei der schnelle Gewinn zu jedem Preis nicht mehr das Maß der Dinge zu sein scheint. Das auf Bestandshaltung ausgerichtete Investorendenken, die auf Nachhaltigkeit fokussierte Finanzbranche und die einheitliche Auslegung der BelWertV in Kombination mit einer zukunftsorientierten Gestaltung der Arbeitsprozesse bei der Gutachtenerstellung bilden eine gute Basis, um die bevorstehenden Aufgaben in der Portfoliofinanzierung zu bewältigen.

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